7.11.19 N^0 46
Herr Roloff, Sie haben als Baumbiologe die Bäume für
unsere Uhren-Schatzsuche ausgesucht. Was waren Ihre Kri-
terien?
Ich habe mit Kollegen für ein bald erscheinendes Buch
111 Bäume in ganz Deutschland zusammengestellt, die
uns beeindruckt haben durch ihren Wuchs, ihren Stand-
ort, ihre Geschichte oder ihr Alter. Wir haben sie »starke
Bäume« genannt. Aus denen habe ich ausgewählt.
Sie setzen sich seit vielen Jahren für den Baumschutz ein.
Nun haben Sie zusammen mit einem Kuratorium das »Na-
tionalerbe Bäume« ins Leben gerufen. Was ist das?
Auf Reisen durch England war mir aufgefallen, das es dort
mehr als hundert Bäume gibt, die über tausend Jahre alt
sind. In Deutschland kennen wir keine Bäume, die nach-
weislich tausend Jahre erreicht haben. Bei unserer Initiative
geht es darum, die Aufmerksamkeit auf Bäume in Deutsch-
land zu lenken, die über 400 Jahre alt sind – und für sie die
Voraussetzungen zu schaffen, dass sie einmal tausend Jahre
alt werden können.
Bei unserer Schatzsuche sind auch viele sehr alte Bäume da-
bei. Warum gibt es bei uns keine tausendjährigen Bäume?
Die Kriege haben viel Schaden angerichtet und Nöte ver-
ursacht, weshalb viele Bäume für Brennholz gefällt wurden.
Aber ein Problem ist auch unsere Sicherheitsfixierung.
Wie das?
Die Briten haben eine viel stärkere Gartenbau-Tradition.
Dort akzeptiert man, dass bei einem alten Baum auch mal
ein Ast abbrechen kann. In Deutschland werden Bäume
viel schneller beschnitten. Wenn ein großer Ast abgesägt
wird, entsteht aber eine Schnittfläche, an der sich Pilze an-
siedeln können, die den Baum schwächen.
Dabei lieben die Deutschen doch den Wald und die Bäume.
Ja, das sehe ich immer wieder bei unserem Nationalerbe-
Projekt. Die Resonanz ist überwältigend. Wir bekommen
ständig Meldungen von Menschen, die einen Baum ken-
nen, den sie gerne zum Nationalerbe machen würden.
Wie geht es denn eigentlich den Bäumen in Deutschland
generell zurzeit?
Nicht ganz so schlecht, wie ich befürchtet habe. Aber die
trockenen Sommer 2018 und 2019 haben für die Wälder
enormen Stress bedeutet. Es sind schätzungsweise Wald-
bestände von der Größe des Saarlandes abgestorben. Wir
müssen uns darauf einstellen, dass der Wald sich künftig
sehr verändern wird.
Was bedeutet das?
Besonders die Bestände von Buchen und Fichten sind stark
betroffen, auch Kiefern. Wir müssen damit rechnen, dass
die Fichte nur noch in höheren Lagen wachsen wird und
sie in den Niederungen durch Bäume ersetzt wird, die bes-
ser mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen. Darunter
werden auch Einwanderer aus der Mittelmeer-Region sein,
wie etwa die Zerr eiche.
Sind Sie denn optimistisch, dass unter diesen Bedingungen
überhaupt noch Bäume tausend Jahre alt werden können?
Sehr optimistisch. Obwohl es die alten Bäume generell
schwerer haben, weil sie sehr große Kronen versorgen müs-
sen, haben sie die Dürreperioden gut überstanden. Das
liegt auch daran, dass jahrhundertealte Bäume schon viel
erlebt haben. Sie machen solche Dürren nicht zum ersten
Mal durch und sind vorbereitet. Auch deshalb sind sie so
schützenswert – von ihnen können wir viel darüber lernen,
wie man Klimakrisen übersteht.
»Dass es bei uns keine tausendjährigen Bäume gibt, hat auch
mit unserer Sicherheitsfixierung zu tun«
Von TILLMANN PRÜFER
Andreas Roloff, 64, ist Professor für Forstbotanik
an der Technischen Universität Dresden und Mitglied
des Kuratoriums »Nationalerbe Bäume«. Nun gibt er
das Buch »Die starken Bäume Deutschlands« heraus,
es erscheint im Januar im Quelle & Meyer Verlag Foto
Privat
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