Donnerstag, 31. Oktober 2019 Spotlight Schweiz NZZ-Verlagsbeilage 5
Bildungsstätten,
Lehrpersonen
und Wissbegierige
mit Vorbildcharakter
Die Initiative Spotlight Schweiz präsentiert ze hn Projekte, die den digital en
Wandel als Chance wahrnehmen und durch innovative pädagogische
Konzepte das Lehren und Lernen für ihre Schülerinnen und Schüler spannend
gestaltenund wirkungsvoll machen (in alphabetischer Reihenfolge).
Von Marc Bodmer (Text) und Marco Woldt (Bilder, Spotlight Schweiz)
EDUZIS SCHULHAUS SEEHALDE
Rollenwechsel
im Makerspace-Workshop
Die Schülerinnen und Schüler der dritten Oberstufe gestalten über den
Zeitraum eines halbenJahres einenTagesworkshop für die Kinder der
sechsten Klasse. Zuerst lernen dieJugendlichen diverse Möglichkei-
ten aus dem Makerspacekennen, wie das Programmieren mit Scratch,
3D-Modellieren mitTinkercad undRobotik-Optionen.Danach ent-
scheiden sie, welchesThema sie vertiefen möchten und beginnen, den
Workshopvorzubereiten.ZusammenmitLehrpersonen wird derTages-
abl auf von der Begrüssung bis zum Abschied geplant. «An zweiTagen
wirddas gleiche Programm durchgeführt», sagt MatthiasLang, Lern-
coach und Lernhausleiter Seehalde in Mettmenhasli (ZH).
Fürdie Jugendlichender Oberstufe sei derRollenwechsel wich-
tig, sagt der Mathematik- undWerklehrer. Zu denWorkshops werden
Schülerinnen und Schülereingeladen,die aktuelldie sechste Klasse
besuchen.Nach der Begrüssung durch Lehrpersonen sind dieJugend-
lichen in denWorkshops auf sich gestellt.
«Das Spannendste war, zu sehen, wie Kinder etwas Neues lernen,
und zu wissen, dass man ihnen das beigebracht hat», meint Schreiner-
Lernender Marius (16).FürMarisol(12)war es eine neue Erfahrung:
«Die Schülerinnen und Schüler haben es interessant erklärt.»Das
deckt sich mit den Einschätzungen von MatthiasLang. Für die Maker-
space-Tage haben dieJugendlichennicht nur verschiedeneTools und
Kompetenzen in derVorbereitung erworben, sondernkonnten diese
auch gleich in denWorkshops erfolgreich umsetzen.
Oberstufenschülerinnen und -schüler der Eduzis Schule Seehalde
(ZH) bereiten einenTagesworkshop für Sechstklässlervor und stellen
den Primarschulkindern selbstständig den Makerspacevor.
GYMNASE DU BUGNON LAUSANNE
Gemeinsam
und trotzdem indivi duell
Mithilfe von Go-Lab-Applikationen undVideos lernen, experimen-
tieren und arbeiten die Schülerinnen und Schüler von PhilippeKobel,
Physiklehrer am Gymnasium Bugnon inLausanne (VD). IhrFeedback
sprichtBände:Go-Lab istvisuell,verständlich,und man kann selbststän-
dig arbeiten.Dieses schülerzentrierte Modell erlaubt es auch,ein eigenes
Lerntempo zu wählen und so zum Erfolg zukommen.
Vor rund sechsJahren trat PhilippeKobel inKontaktmit Philippe Gil-
let von der EidgenössischenTechnischen HochschuleLausanne (EPFL).
Der Professor entwickelt Applikationen für die europäische Go-Lab-
Plattform. PhilippeKobel war ursprünglich skeptisch, ob Online- und
interaktive Möglichkeiten tatsächlich einenVorteil gegenüber der tradi-
tionellen Stoffvermittlung bringen würden. Die Arbeit mit GoLab hat
ihn überzeugt, und 2017 wurde er gar zum nationalen Botschafter der
mehrfach ausgezeichneten Lernplattform ernannt.
Im Vergleich zum traditionellenFrontalunterricht, bei dem die Schüle-
rinnen und Schüler mit dem vorgegebenenTempo mitzuhalten versuchen
und oft auch scheitern, stufen sie die Go-Lab-Form als «dynamischer und
weniger zum Einschlafen» ein. «Es hat unser kritisches Denken angeregt.
Wir haben viel in der Gruppe diskutiert», erinnert sich ein Schüler an Go-
Lab-Lektionen.Das entspricht der Erfahrung von PhilippeKobel: «Wenn
manwill,dassJugendlicheetwaslernenundKonzepteverstehen,somüssen
sieamUnterrichtteilhabenkönnen.Go-LabgibtihnendieseMöglichkeit.»
Dank Go-Lab nehmen die Schülerinnen und Schüler am Gymnase du
Bugnon Lausanne (VD) aktiver und interaktiv am Unterricht teil. Sie ler-
nen selbstständig,Dinge auszuprobierenund kritischzubetrachten.
PRIMARSCHULE WIESENDANGEN
Realität und Fiktion
im Kinder garten
Für ihrenWeiterbildungs-Leistungsnachweis hatFranziska Kläui,Pri-
marlehrerin und zuständig für den pädagogischen ICT-Support an
der PrimarschuleWiesendangen (ZH), das Kinderbuch «Peter und
derTraum» von Eveline Hipeli als Grundlage gewählt.Darin wird die
Geschichte vonPeter erzählt, der auf demTablet etwasgesehen hat,
das ihn bis in dieTräume verfolgt.Ausgehend davon entwickelte
Franziska Kläui Lektionen für Kindergärtnerinnen und -gärtner und
bereitetedasThema «Realitätund Fiktion» kindernah auf.
Den Einstieg bildet eineAuswahl von Bildern,aus der die Kinderdie
Motiveherausgreifen,die ihnen«Angst»machen. Danachlernensie die
Geschichtevon «Peter und derTraum»kennen.Sie basteln in derFolge
selbstständig nach Anleitung aus einemVideo-Tutorial auf dem iPad
eine «Zauberscheibe», die zur Erzählung vonPeter passt.«DerVorteil
desTutorials ist,dass die Kinder es jederzeit stoppen oder auch wieder-
holenkönnen, wenn sie etwas nochmalsanschauen möchten», sagt Fran-
ziska Kläui. Den Abschluss bildet die Arbeit mit dem Green Screen.
Hier lernen die Kinder «zaubern» undkönnen sich mithilfe derTrick-
technologie in ein Bild einfügen lassen,das sie zuvor ausgewählt haben.
«Die Kinder waren offen und fanden es toll, was wir ihnen zeig-
ten », fasstFranziska Kläui zusammen.Für die Kindergärtnerinnen
und -gärtner bringt das Projektkeinen Mehraufwand.Alles ist «pfan-
nenfertig» in einer Kiste bereit, die ausgeliehen werden kann.
Ausgehend vom Kinderbuch«Peter und derTraum»werden inWiesen-
dangen (ZH) die Themen«Angst» und «Realität und Fiktion» bespro-
chen und die Kinder an Filmtricktechnologien herangeführt.
SCUOLE COMUNALI DI POSCHIAVO
Ein Programm
für eine Programmierschule
«Programmieren sollte die fünfteLandessprache der Schweiz wer-
den», ist Pierluigi Crameri überzeugt. Er ist Lehrer an der Primarschule
Poschiavo und Informatik-Verantwortlicher der Schulen der Gemeinde
Poschiavo (GR). Er bringt mit vomKompetenzzentrum fürWeiter-
bildungPolo Poschiavo organisiertenKursen und der Unterstützung der
Hochschule SupsiTessin den lokalen Lehrpersonen dieThemen des digi-
talenWandelsnäher.
Als Erstes lernen die Lehrerinnen und Lehrer in dreiKurseinheiten
unterschiedlicheRobotertypenkennen.Das Programmieren wird auf
Basis von Scratch und Logo gelernt und weiter an die Schülerinnen und
Schüler vermittelt. Um den Lehrpersonenden Unterricht inRobotik und
Programmieren zu erleichtern, haben die Spezialisten Unterlagen und
Materialien für die verschiedenen Schulstufen erstellt.
Über seine Erfahrungen sagt SekundarlehrerAlberto Crameri: «Die
Schülerinnen und Schüler lieben es, zu experimentieren. Es ist ja auch
eine Welt, die sie aus ihrem Privatleben schon etwaskennen.» Dieser
Einschätzung kann Corina aus der 6. Klasse der GemeindeschulePos-
chiavo nur beipflichten: «Ich habe es sehr interessant gefunden,Roboter
zu programmierenund zu verstehen, wie sie funktionieren. Sie machen
ja Dinge, ohne ein Hirn zu haben.» Doch mitdem Programmieren der
Roboter «allein» ist es nicht getan. Die Kinder gebenan einemTag der
offenenTür ihr neu erlerntesWissen an Eltern und älterePersonen wei-
ter, denn auch die sollen für den digitalenWandel gerüstet sein.
Die Programmierschule sorgt fürFörderung undKoordination des Unter-
richts auf allen Schulstufen der GemeindePoschiavo (GR). Eine Gruppe
vonFachlehrpersonen unterstützt die lokalen Lehrkräfte dabei.
SEKUNDARSCHULE EMBRACH UND VOLKSSCHULE BADEN
Brückenschlag
zwischen IT und Werken
Hinter demKürzel PGLU steckt eine vonRolf Beck,Werklehrer an
der VolksschuleBaden (AG), entwickelte prozessorgesteuerte Lern-
umgebung. Sie wurde für dieAnwendung imTechnischen Gestalten der
Oberstufekonzipiert.«Dingekönnen an die PGLU-Platine angeschlos-
sen und betrieben werden», sagt Rolf Beck.Die Schülerinnen und Schü-
ler lernen so die Grundprinzipien der Hardware-Informatik und den
Einsatz von Sensorenkennen. Ein Projekt verfügt immer über einen
analogen und einen digitalenTeil. Die Lernendenkönnen selber ent-
scheiden,wie viel analog,wie viel digital sie machen wollen.
BrunoRutishauser,Werklehrer an der Sekundarschule Embrach
(ZH),blickt auf zweiJahre Erfahrung mit PGLU zurück:«Die Schüle-
rinnen und Schülerkönnensich selbstständigeinarbeiten,ohnedass die
Lehrperson alles verstehen muss.» Er empfiehlt,zuerst mit einemFahr-
zeug zu beginnen.«Es ist wichtig, zu wissen,wie es aussehen und funk-
tionieren soll.»Parallel dazu werden die Lernenden insProgrammieren
eingeführt.SchülerRoman hat dabei gemerkt,dass beim Programmie-
ren nicht alles ausgeschrieben werden muss, sondern auch Blöcke zu-
sammengefügt werdenkönnen. Sobald dasFahrzeug fertig ist,können
die Mädchen undJungs mit dem gezielten Programmieren beginnen.
Ihren Lehrerkolleginnen und -kollegen empfehlen Beck undRutis-
hauser, einem Schüler eine Platine hinzulegen und zu sagen:«Willst
du etwas damit machen?»Dabei entstünden die spannendsten Ideen.
Mit einer prozessorgesteuerten Lernumgebung wird sehr einfach eine
Brücke zwischenWerken, Mathematik und digitalemWandel geschla-
gen. Eine Platine macht denWegzur Hardware-Informatik frei.
Augmented Reality: Bild scannen, um Video zu schauen
1 Laden Sie die Gratis-App
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Android herunter.
2 Öffnen Sie imHauptmenü
die Funktion «scannen».
3 Halten Sie die Kamera
auf das Bild und klicken
Sie au f «scannen».
4 Ton an, Video ab – das ist
Augmented Reality.