interview: susanne hermanski
D
ie Musikhochschule ist ein kompli-
ziertes Terrain. Nicht nur, weil das
Institut in den vergangenen Mona-
ten stets im selben Atemzug mit Siegfried
Mauser genannt worden ist, der von 2003
bis 2014 ihr Leiter war und nun rechtskräf-
tig wegen sexueller Nötigung verurteilt ist.
Die Hochschule für Musik und Theater
München, wie sie richtig heißt, ist vor allem
eines: extrem baufällig. Wie so viele andere
Kulturbauten Münchens. Doch kaum eines
der anderen hat zudem eine so extreme
Historie auf dem bröckelnden Stahlbeton-
buckel. Denn wo heute Musik studiert und
gelehrt wird, residierte früher Adolf Hitler;
sein Kongresssaal wurde etwa in den Fünf-
zigerjahren zum großen Konzertsaal umge-
widmet, simple Büros seiner Entourage
werden seit Jahrzehnten als Übungsräume
ohne besonderen Schallschutz bespielt,
eine Generalsanierung gab es nie. Doch da-
mit nicht genug: Die Musikhochschule, im-
merhin eine Institution von höchster inter-
nationaler Geltung in der Klassikwelt, ist
auch an ihrem Standort Nummer zwei ein
Sanierungsfall – er befindet sich im Ga-
steig. Wie die Musikhochschule damit um-
geht, welche Pläne bereits existieren, er-
klärt Bernd Redmann, Komponist und seit
2014 Präsident der Hochschule.
SZ: Wie saniert man den ehemaligen Füh-
rerbau, der in der Nachkriegszeit zur Mu-
sikhochschule umfunktioniert wurde?
Bernd Redmann: Mit Fingerspitzengefühl
für die Historie. Das wird vor allem die Auf-
gabe eines Architekturwettbewerbs sein.
Vielleicht können wir einen speziellen Aus-
stellungsraum schaffen, in dem sich Besu-
cher informieren. Aber ohne den gesamten
Hochschulbetrieb dabei zu stören. Zu sol-
chen Ideen sind wir auch mit unseren Nach-
barn vom NS-Dokuzentrum im Gespräch.
Was soll die Renovierung ändern?
Schallschutz muss zwischen den Unter-
richts- und Übungsräumen in die Wände
und die Böden eingezogen werden. Alle Lei-
tungssysteme sind komplett veraltet. Wir
brauchen auch einen Aufnahmeraum, den
gibt es bisher nicht, aber die Studierenden
benötigen dringend gute Mitschnitte ihrer
Arbeit. Die meisten Kosten werden, so den-
ke ich, die denkmalschützerischen Maß-
nahmen verursachen.
Wie wirkt sich die marode Substanz denn
auf den Unterrichtsalltag aus?
An einem Tag sind die Toiletten gesperrt,
am nächsten fällt der Strom aus, am über-
nächsten platzt ein Wasserrohr. Außerdem
müssen wir fürchten, aus Brandschutz-
gründen den Großen Konzertsaal nicht
mehr benützen zu dürfen.
Hinter dem Haupthaus stehen zwei weite-
re Gebäude der ehemaligen Lotteriever-
waltung, welche die Hochschule zum Teil
bereits nutzt. Was geschieht mit denen?
Anstelle des Gebäudes C planen wir einen
Neubau, für das Gebäude D einen Umbau
zur Bibliothek. Es sollen eine Tiefgarage
entstehen und das Außenareal neu ange-
legt werden, im Moment parken einfach
nur Autos zwischen den Häusern. Außer-
dem wäre das der richtige Moment für eine
gedankliche Lösung für den nördlichen
Ehrentempel, der neben unserem Haupt-
gebäude steht.
Wann könnte die Sanierung beginnen?
Wir befinden uns da gerade in einer Warte-
schleife. Der Bauantrag ist abgegeben.
Jetzt kommt es darauf an, in welcher Rei-
henfolge man den Investitionsstau bei
Hochschulgebäuden abbauen wird. Dass
man dies will, hat der Ministerpräsident
jüngst erst bekräftigt. Wenn alles nach Plan
weitergeht, könnten wir in zehn Jahren mit
dem Projekt fertig sein.
Das ist nicht gerade gehudelt.
Ich weiß, das klingt nach Bauzeiten, wie
man sie früher in etwa für gotische Kathe-
dralen veranschlagte.
Interimsmäßigsollen Sie nach Giesing zie-
hen, in die ehemaligen HFF-Räume?
Ja, in die alte Fabrik. Wir haben die Liegen-
schaft bereits zur Verwaltung übernom-
men. Doch einen Haken hat die Sache noch.
Welchen Haken?
Das Gebäude ist nicht minder marode. Es
müsste ebenfalls generalsaniert werden,
doch wir streben an, es ganz wegzureißen.
Das Grundstück gehört dem Freistaat, und
es wäre viel besser zu nützen, wenn man es
neu bebaut. Das Geld wäre zukunftsträchti-
ger investiert.
Die Musikhochschule ist bislang zwar
Nachbarin der HFF und der TU, aber so
richtig eingebunden sieht der Campus
nicht aus. Soll sich das auch ändern?
Ja. Wir wollen eine grüne Achse schlagen
hin zur HFF, die dann unsere Campusflä-
che für die Studenten würde. Auch das hat
historische Hintergründe, früher bestand
das Viertel am Königsplatz ja in einer Gar-
tenstadt. Und gedanklich und tatsächlich
wollen wir als Musikhochschule dann auch
das Kunstareal abrunden.
Was soll aus dem GebäudeC werden?
Dorthin sollen die zentrale Hochschul-
verwaltung und unser Wissenschafts- und
Medienzentrum ausgelagert werden sowie
das Digital Art Center entstehen. Das Insti-
tut für Kulturwissenschaft, das sich bisher
im Gasteig befindet, würde hier noch mit
einziehen und das Institut für Musikwis-
senschaft, das sich bisher in der Luisenstra-
ße befindet, ebenfalls. An all diesen Stand-
orten herrscht schon jetzt große Enge.
Welche weiteren Forschungsschwerpunk-
te wollen Sie an der Hochschule in Zukunft
setzen?
Wir sind zum Beispiel in der Gründungs-
phase für ein kleines Forschungszentrum
benannt nach Paul Ben-Haim, der maßgeb-
lich das Musikleben in Israel mitbegründet
hat. Er war gebürtiger Münchner und unter
dem Namen Paul Frankenburger, Alumnus
der Hochschule und danach Kapellmeister
in Augsburg, bevor er emigrierte. Das Zen-
trum soll die Geschichte jüdischer und NS-
verfolgter Musiker auch hier in München
erforschen. Eine entsprechende Gastpro-
fessur und einen Kongress hatten wir in die-
sem Jahr schon.
Sind weitere Professuren geplant?
Ja, wir besetzen demnächst Professuren in
den Bereichen Kammermusik, Sound Art
und Musikermedizin. Und wir weiten den
Bereich Musik- und Kulturvermittlung
aus. Wir besetzen eine Professur für Musik-
vermittlung, ergänzt durch eine Mittelbau-
stelle für das Fach Konzertpädagogik. Wir
wollen die Studenten stärker mit moderier-
ten Konzerten, szenischen Konzerten und
Konzerten für unterschiedliche Alters- und
Personengruppen vertraut machen.
„Education“-Programme sind derzeit
überall en vogue – auch imNeuen Konzert-
haus am Ostbahnhof soll sie eine große
Rolle spielen. Die Hochschule erhält dort
ebenfalls Räume. Wie weit sind Sie in die
Planung einbezogen?
Wir tauschen uns derzeit intensiv mit dem
Akustikteam um Tateo Nakajima aus und
mit den Architekten Cukrowicz Nachbaur.
Es geht dabei um die akustische Konzepti-
on für den Werkstattsaal, den kleinsten der
drei Säle im Neubau, der uns zur prioritä-
ren Nutzung zugesprochen werden soll. Au-
ßerdem erhalten wir dort ein Projektlabor,
in dem Experimentelles stattfinden soll.
Was für Experimente?
Verbindungen von analogen und digitalen
Klängen zum Beispiel oder szenische und
musikalische Inszenierungen. Aber natür-
lich auch klassische Konzerte. Unser klassi-
scher Konzertsaal in der Arcisstraße ist
jetzt schon vollkommen überbucht. Unsere
Studenten brauchen dringend diese Auf-
führungspraxis.
Im Gasteig haben Sie bislang Ihren zweit-
größten Standort mit 3500Quadratme-
tern. Wie geht es da für Sie weiter, wenn
der Gasteig von 2021 an saniert wird?
Auf dem Interimsgelände in Sendling gibt
es einen eigenen Modulbau für die Musik-
hochschule, dessen Ausgestaltung ist be-
reits fertig geplant. Außerdem gibt es auf
dem Gelände einen Raum, den wir so wie
bisher den Kleinen Konzertsaal im Gasteig
bespielen können. Also wöchentlich mit
zwei, drei Konzerten bei freiem Eintritt.
Wird München künftig mithalten können
bei der Musikerausbildung im internatio-
nalen Vergleich?
Ich bin jetzt zuversichtlicher als in der Zeit,
bevor wir im Juni unsere Zielvereinbarun-
gen mit dem Freistaat ausgehandelt hat-
ten. Bayerns Innovationsfonds macht eini-
ges möglich, weil wir darum gekämpft ha-
ben, dass dort endlich auch künstlerische
Studiengänge begünstigt werden. Schließ-
lich ist München nach Wien vielleicht die
größte Musikerhauptstadt der Welt, in
kaum einer anderen Stadt gibt es so viele
Orchester.
Auf welche Weise geht die Hochschule die
Digitalisierung an?
Transdisziplinär. Gemeinsam mit der HFF,
der Akademie der Bildenden Künste und
der Theaterakademie. Den Bereich der Mu-
sik für Film und Medien haben wir schon
im Haus, und den müssen wir weiter aus-
bauen. Außerdem entwickelt sich unser
klassischer Musikjournalismus weiter zu
einem Medienmanagement-Studiengang,
und wir beteiligen uns an einer Juniorpro-
fessur zur künstlichen Intelligenz.
Als Präsident der Musikhochschule haben
Sie 2014 die Nachfolge von Siegfried Mau-
ser angetreten. Wie haben Sie die vergan-
genen Jahre empfunden?
Alles andere als leicht. Die Eröffnung des
ersten Gerichtsverfahrens im April 2016
war für die Öffentlichkeit, aber auch für
uns als Institution und für mich als Mensch
ein Schock. Der hat dazu geführt, dass wir
alles an unserer Hochschule auf den Prüf-
stand gestellt haben. Wir haben uns sehr
ernsthaft gefragt und analysiert, wie es an
unserem Haus zu solchen Übergriffen kom-
men konnte.
Mit welchem Ergebnis?
Wir haben ein ganzes Paket erarbeitet zum
Schutz gegen sexuelle Belästigung, Diskri-
minierung, Machtmissbrauch. Wir haben
eine externe Ombudsstelle eingerichtet,
Verfahren für dringende Lehrerwechsel
und Orientierungsgespräche zum Thema
Körperkontakt eingeführt. Zudem ist Un-
terricht in Privaträumen jetzt verboten.
Trifft das Thema nur die Musikhochschu-
le?
Das betrifft die gesamte Gesellschaft. Wir
sind dabei mitverantwortlich für den Kul-
turbetrieb der Zukunft. Deshalb werden
wir weiter aufklären und sensibilisieren,
wie etwa mit dem gemeinsamen Aktions-
tag der Münchner Kunsthochschulen am
- November. Sein Motto: „Respekt! Sich
begegnen – mit Wertschätzung, Empathie
und angemessener Distanz“.
Das Hauptgebäude der Musikhochschule
ist im einstigen Führerbau unterge-
bracht. Der wurde 1933 bis 1937 als Reprä-
sentationsbau für Adolf Hitler in der Arcis-
straße 12 errichtet. Konzipiert war er als
Zwillingsgebäude zum Verwaltungsbau
der NSDAP, in dem sich heute das Zentral-
institut für Kunstgeschichte befindet. Ent-
standen sind Führer- und Parteibau – wie
auch das Haus der Kunst – nach Plänen
des Architekten Paul Ludwig Troost. Die
Hochschule ist unterdessen schon viel äl-
ter. Sie sieht ihre Ursprünge in der 1830 ge-
gründeten Central-Singschule der Dom-
pfarrschule und dem nachfolgenden Kö-
niglichen Konservatorium. Das bezog
1846 Nebenräume des Odeons, also jenes
legendären Klenze-Konzertsaals, dem
München bis heute nachtrauert. Dort blie-
ben die Musikstudenten und ihre Lehrer
daheim, samt eigenem Prüfungs- und Or-
gelsaal, bis das Odeon 1944 bei einem
Luftangriff fast völlig zerstört worden ist.
Versprengt auf verschiedene Orte in der
Stadt, wurde 1957 das Gebäude in der Ar-
cisstraße als Hauptsitz der Hochschule
für Musik und Theater übernommen.
Doch die unterhält weiterhin vier Standor-
te in der Stadt: im Gasteig, in der Luisen-
straße, in der Wilhelmstraße seine Ballett-
akademie und die Theaterakademie im
Prinzregententheater. HER
München– Nun ist der Wechsel ganz voll-
zogen, und im neuen Artemis-Quartett
spielt kein Gründungsmitglied mehr. Auch
Gregor Sigl wurde erst 2012 zweiter Geiger
und übernahm 2015 nach dem Tod Friede-
mann Weigles die Bratsche. Der Münchner
Abend vom Mai dieses Jahres mit der Stab-
übergabe und Friedrich Smetanas „Aus
meinem Leben“, bei der Suyoen Kim als
neue Geigerin (neben Vineta Sareika) und
die neue Cellistin Harriet Krijgh spielten,
ist in bester Erinnerung. Doch nun scheint
das Ensemble beim Konzert im Prinzregen-
tentheater zu Beginn etwas zu fremdeln.
Nach Schuberts eröffnendem Quartettsatz
ist das letzte, durchaus sperrige Bartók-
Quartett zwar eine denkbar schwere Aufga-
be, aber mehr Bezüge zwischen den einzel-
nen disparaten Abschnitten, mehr klangli-
che Verdichtung der einzelnen Ereignisse
würde man sich schon wünschen.
Doch dann folgt nach der Pause das letz-
te Quartett Franz Schuberts in G-Dur. Es
ist das Werk eines immer noch jungen Man-
nes von 29 Jahren und doch, zwei Jahre vor
seinem Tod, ebenso lebenssüchtig wie le-
bensmüde: Eine knappe Stunde voller
schönster Melodien, wunderbarster har-
monischer Verbindungen und Bezügen, die
immer wieder von grell dreinfahrenden Ak-
zenten gestört und aufgebrochen werden.
Und doch wird das Ganze im Innersten von
etwas zusammengehalten, das sich kaum
analysieren, aber in solch einer Auffüh-
rung hörend erleben lässt, nicht zuletzt
wenn man mittig in der vierten Reihe sitzt.
Es ist das große Verdienst des neuen Ar-
temis-Quartetts, nun mit Vineta Sareika
als erster Geigerin, in jeder Phrase ganz bei
sich und bei Franz Schubert zu sein. Das in
der ersten Hälfte des Konzerts so schmerz-
lich vermisste Miteinander hört man nun
nicht nur bei den ersten beiden Sätzen im
komplex wechselnden Verhältnis von Be-
gleit- und Hauptstimmen, sondern macht
das flirrend atemlos Scherzo samt traum-
verloren singendem Trio zu einem Ereig-
nis und das besessen dahinstürmende, im-
mer wieder gestauchte Finale zum schwar-
zen Kehraus. klaus kalchschmid
München– Dasproduktive Arbeitsverhält-
nis mit Beethoven ist zur Lebensfreund-
schaft geworden. Rudolf Buchbinder, der
fleißige Analytiker, hat in den letzten Jah-
ren enorm an Ausdruckstiefe gewonnen.
Man kann sich also darauf verlassen:
Wenn er das dritte Klavierkonzert des Meis-
ters spielt, tut er das brillant, dabei unprä-
tentiös und mit sensibler Intelligenz.
Dem von den Münchner Philharmoni-
kern unter Valery Gergiev präsentierten Er-
öffnungsthema, scharf akzentuiert und
von brodelnder Dramatik, stellt Buchbin-
der nichts Auftrumpfendes entgegen. Sei-
ne solistische Überlegenheit speist sich
aus dem Erfahrungsschatz jahrzehntelan-
ger Beethoven-Interpretation. Vielleicht
wirkt Buchbinder auch deshalb als Verkör-
perung des Anti-Virtuosen: Wenn er durch
den konfliktreichen Kopfsatz führt, hat
das wenig mit solistischer Selbstdarstel-
lung zu tun. Der Solist wird hier zum Erklä-
rer, zum Deuter. Logik der Gestaltung ist
hier Selbstverständlichkeit. Ohne große
Geste spannt er den dramaturgischen Bo-
gen, weist aber mit exquisitem Klang auf
Details hin, so die über das ganze Werk ver-
streuten Tonrepetitionen. Hier funkeln
sie. Mit diesem offenen, zart singenden
Ton trifft Buchbinder ins Herz des Largo-
Satzes. Eingebettet in den weichen Klang-
grund der Philharmoniker vermittelt er
die eigentümliche Atmosphäre dieses Sat-
zes zwischen abgeklärter Heiterkeit und sü-
ßer Melancholie. Ohne diese Vornehmheit
aufzugeben, zeigt Buchbinder im Rondo-
Finale Ironie und grimmigen Witz, etwa in
schrägen Synkopen und plötzlich donnern-
dem Bass. Darauf geht Gergiev gerne ein –
Orchester und Solist feuern sich an bis
zum glänzenden Schluss in C-Dur.
Beethoven plus Buchbinder ist eine
sichere Sache. Das gilt auch für die Philhar-
moniker und Bruckner. Dessen Siebte spie-
len sie mit vollendeter Balance zwischen
Statik und Dynamik, zwischen Detail und
monumentaler Form. Und sie tun es so or-
ganisch, dass der Dirigent stellenweise die
Hände sinken lassen kann. Man muss nur
noch zuhören. paul schäufele
Die Musikhochschule hat noch
einen anderenStandort, der
auch bald ausfällt – im Gasteig
Seit 2016 ist die Spitzenschule
in denSchlagzeilen –
wegen des Mauser-Skandals
München – Wunderschön. „Beautiful“.
Das ist ohne Zweifel eines der absoluten
Lieblingswörter von Guy Garvey. Beim
Konzert seiner BandElbowin der gut ge-
füllten Tonhalle sagt es der bärtige Sänger
im karierten Hemd jedenfalls immer wie-
der. Bevorzugt, um die Leistung seines
Chors zu loben, zu dem er das Publikum
während des fast zweistündigen Auftritts
immer wieder umfunktioniert. Später, bei
der zweiten und letzten Zugabe „One Day
Like This“ wird er den Chorgesang auch
noch mit „amazing“, „extraordinary“ und
„oh my God“ preisen. Aber das letzte Wort,
das lautet doch dann wieder: „Beautiful“.
Dazwischen sagt Guy Garvey aber auch
noch andere Dinge, spricht von aktuell
dunklen Zeiten, von denen das neue Al-
bum „Giants Of All Sizes“ der fünfköpfigen
Band aus Manchester handelt. Gemeint ist
damit etwa der ganze „Brexit-Schwach-
sinn“, oder dass sein Vater und zwei gute
Freunde im vergangenen Jahr gestorben
sind. Von da an nimmt man das Wort „beau-
tiful“ auch noch ganz anders wahr, näm-
lich als Beschwörungsformel oder Ret-
tungsanker, wie man ihn in solchen Zeiten
braucht. Und gut möglich, dass die melan-
cholischen und schwelgerischen Lieder
von Elbow, die seit dem 2008 erhaltenen
Mercury-Preis als Aushängeschild der bri-
tischen Rockszene gelten, genau so auch
auf viele Fans wirken.
Eine erkennbare und leicht grenzwerti-
ge Neigung zum Pathos haben die Briten
dabei mit Insel-Kollegen wieU2oder Cold-
playgemeinsam, federn diese aber mal
durch leichte Progrock-Momente wie im
Eröffnungssong „Dexter& Sinister“ ab,
mal durch harte Gitarrenriffs wie in „The
Bones Of You“. Oder durch eine kleine
A-cappella-Improvisation von Guy Garvey
zum Thema verpackte Kartoffeln und
Nasa-Essen, weil er erfahren hat, dass die
Tonhalle früher zu einer Kartoffelfabrik-
gehörte. Auch die umjubelte Zugabe
„Grounds For Divorce“ sorgt mit ihrem Mo-
dern Blues für Abwechslung, in einem, das
Lob darf man zurückgeben, tatsächlich
sehr schönen Konzert. jürgen moises
Die Geschichte
So offenkundig wie dieses
Fassadenloch sind nicht alle
Schäden, die Bernd Redmann
benennen kann. Unten:
der Führerbau nebst Ehrentempel,
der 1947 geschleift wurde.FOTOS: ORLA
CONNOLLY, MUSIKHOCHSCHULE, SZ PHOTO
Leichtes Fremdeln
Dasneue Artemis-Quartett im Prinzregententheater
Vollendete Balance
Rudolf Buchbinder und Gergievs Philharmoniker
Symphonie des Verfalls
DieMusikhochschule ist im einstigen Führerbau untergebracht. Der ist nun mehr als marode.
Ihr Präsident Bernd Redmann hat Pläne für die Generalsanierung eingereicht
Beschwörend schön
Guy Garvey mit seiner Band „Elbow“ in der Tonhalle
Foto: Jens Weber/ohFoto: Jens Weber/oh
Hauptgebäude
der Hochschule für
Musik und Theater
Arcisstraße 12
»Gebäude D«
Umbau zu Bibliothek
Israelisches
Konsulat
»Gebäude C«
Abriss und Neubau angestrebt
NS-Dokumentationszentrum
Hochschule für
Fernsehen und Film
KURZKRITIK
R18 (^) KULTUR Donnerstag, 14. November 2019, Nr. 263 DEFGH