Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.11.2019

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SEIT E 8·DONNERSTAG, 14.NOVEMBER 2019·NR.265 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


I


nHongkongversagt diePolitik,
und zwar schon seit Monaten.
Anfangs hätteesrelativ gering-
fügiger Zugeständnisse der Regie-
rung bedurft,umgroßen Protesten
dieGrundlagezuentziehen.InHong-
kong zeigt sichnun aber,wie tief das
Misstrauen gegenChina sitzt.Das
hat sic hfreilichnicht nur über Mona-
te,sondernüber viele Jahreangerei-
chert. China hat es fürrichtig gehal-
ten, das angeblichsogroßartig eMo-
dell „Ein Land–zweiSysteme“ all-
mählich, aber eben leider auchsyste-
matischauszuhöhlen.
Das hat schließlichdazu geführt,
dassOppositionelle der Regierung
nichts mehrglauben und mittlerwei-
le meinen, nichts mehr zuverlieren
zuhaben.Dasisteineüberausgefähr-
liche Situation, dennwenn sic hje-
mand mit demRücken an derWand
wähnt, greiftman schnell zu Mitteln,
zu denen man tunlichstnicht greifen
sollte. Man fragt sich, ob die Aktivis-
tenwirklich glauben, dieRegierung
der Sonderverwaltungszone und da-
mit letztlichPeking mit Gewalt in die
Knie zwingen zukönnen. Undwenn
man zu dem–wahrscheinlichzutref-
fenden –Schlusskommt, dassdas
wohl nichtgelingen dürfte, liegt die
Fragenahe, werbei den Demonstra-
tionensoallesmitzündelt.Einebesse-
re Rechtfertigung für ein militäri-
schesEingreifenalsexzessiv eGewalt
seitensderDemonstrantengibtesfür
die Regierung in Peking nämlich
nicht .Dassolltendie Demonstranten
beiallerEmpörungundallemberech-
tigten Misstrauen gegenüberPeking
bedenken.


Tiefes Misstrauen


VonPeter Sturm


V


or einem Jahrgabesbei der
Herbstversammlungderkatholi-
schen Bischöfeinden Vereinig-
tenStaaten einen historischen
Eklat:PapstFranziskus untersagteden in
Baltimoreversammelten Kirchenführern,
über ein in monatelanger Fleißarbeit ent-
wickeltes Maßnahmenpaket zum Schutz
vonKindernund Jugendlichenvorsexuel-
lerGe walt dur ch Geistliche abzustimmen.
DemVatikanmissfiel,welche Konsequen-
zen die Amerikaner aus derVerantwor-
tung der Kirchenhierarchie für sexuellen
Missbrauchund derVertuschung dieser
Verbrechenziehenwollten:InneuenKon-
trollg remiensolltenLaienundunabhängi-
ge Fachleutegroßes Gewicht haben, die
Erzbischöfeund Bischöfesollten sichund
die ihnen unterstellten Geistlichen nicht
länger selbstkontrollieren.Formal wurde
der „Maulkorberlass“ desPapstesgegen
die amerikanischen Bischöfedamit be-
gründet, dieWeltkircheund ihr eGlieder
sollten denvonFranziskus einberufenen
Anti-Missbrauchsgipfel imVatikan imFe-
bruar 2019 abwarten, um dortglobal ein-
heitliche Richtlinien zu entwickeln.
DiesesJahrgabesbei derHerbsttagung
in Baltimore, die am MittwochzuEnde
ging, wieder ein historisches Ereignis:
Erstmalswurde einLatino zumVorsitzen-
den der amerikanischen Bischofskonfe-
renz bestimmt.Die Wahl vonJosé Hora-
cio Gómez für eine Amtsperiodevondrei
Jahren kamkeineswegs überraschend.
Dennder67JahrealteErzbischofvonLos
Angeles, der aus MonterreyinMexiko
stammt,warschon seitNovember 2016
der Stellvertrete rdes jetzt turnusgemäß
ausgeschiedenenVorsitzendenKardinal
Daniel DiNardogewesen. Die Erzdiözese
Los Angeles, die Gómez seit 2011 führt,
istmit mehr als vier Millionen Gläubigen
die größteind en VereinigtenStaaten. In-
zwischen sind knapp 40 Prozent der gut
70 MillionenKatholiken in denVereinig-
tenStaaten Latinos. Ohne die vielen Ein-
wanderer aus Mittel- und Südamerika
wärediekatholischeKirchezwischenKali-
fornien und Maine in denvergangenen
Jahrzehntennichtgewachsen,sondernge-
schrumpft.
Gómezstudierte in seinerHeimatstadt
MonterreyimNordosten Mexikos zu-

nächs tBetriebswirtschaftund Philoso-
phie. Er trat nochwährend desStudiums
dem Opus Dei bei und wurde 1978 zum
Priestergeweiht. Esfolgtedas Studium
der Theologie inRomund in Pamplona,
wo er 1980 promoviertwurde. 1987kam
Gómez nachSan Antonio inTexas, wo er
bis2000alsPriestertätigwar. Seit1995ist
GómezamerikanischerStaatsbürger. Zum
WeihbischofvonDenverwurdeer2001ge-
weiht.2005 wurde GómezvonPapstJo-
hannesPaul II. zum ErzbischofvonSan
Antonio ernannt, ehe er sechs Jahrespä-
tervon PapstBenedikt XVI. zum Leiter
derErzdiözeseLosAngelesbestimmtwur-
de.AuchindiesemwichtigenAmtwarGó-
mez der ersteLatino.
In Mexikowurde dieWahl vonGómez
mit großer Freude aufgenommen. Denn
dassdieamerikanischenKatholikennörd-

lichdes Rio Grande einengebürtigen Me-
xikaner zu ihrem obersten Repräsentan-
tenbestimmen, hat eminent politisch-ge-
sellschaftliche Bedeutung. Dessen istsich
Gómez natürlichbewusst.Kurznachsei-
ner Wahl vomDienstagäußerte er sichzu
derbeim Obersten GerichtinWashington
am gleichenTagbegonnenen Anhörung
zumUmgang mitdenrund 700 000 in den
VereinigtenStaaten geborenenKindernil-
legaler Einwanderer ,den sogenannten
„Dreamers“.DerdemokratischePräsident
BarackObama hatte2012 per Dekret ei-
nen Abschiebestopp für die „Dreamers“
verfügt.Obamas Nachfolger Donald
TrumphobdenErlass2017auf.Nunmuss
das ObersteGericht entscheiden, ob die
„Dreamers“,wievonTrumpgeford ert,ab-
geschobenwerden können. „Wir beten für
ein gutes Ergebnis beim Obersten Ge-

richt“, sagteGómez unmittelbar nachsei-
ner Wahl in Baltimore und präzisierte
dann:„Nämlich,dassdie,Dreamer‘inden
VereinigtenStaaten bleibenkönnen.“
Damit bekräftigteGómezdieseitjever-
tretene Haltung der amerikanischen Bi-
schofskonferenz in der politischen Debat-
te über die Einwanderungspolitik.Schon
DiNardo hattenamens derkatholischen
Bischöfedie „Mauerpolitik“Trumps ge-
genüber Mexikosowie den zentralameri-
kanischen Staaten El Salvador,Guatema-
laundHondurasscharfkritisiert.DassGó-
mez an der Spitze der amerikanischen Bi-
schöf ediese Politik im Migrationsstreit
fortsetzendürfte,wir dihmindieserFrage
die uneingeschränkteUnter stützungvon
PapstFranziskus sichern. Sonstist die
Übereinstimmung zwischen Papstund
amerikanischen Bischöfen nicht nur beim
UmgangmitdemMissbrauchfreilichge-
ring. Der Papst argwöhnt, dassdie theolo-
gischkonservativeMehrheit in der ameri-
kanischen Bischofskonferenz seinPontifi-
katzuunterminieren trachtet.
Die katholischeKircheder Vereinigten
Staaten verfügt übergroßen Einflussin
derWeltkir che:Sieha tvieleGläubige,vie-
le Bischöfe–fast470 –und dazu viel
Geld, auchwenn die Entschädigungszah-
lungen an Gewaltopfer dieReservenver-
ringer thaben. Aufden vomamerikani-
schen Kurienkardinal Raymond Burke
zum AusdruckgebrachtenWiderstand ge-
genseine Reformagenda in derWeltkir-
cheangesprochen, sagteder Papstjüngst
salopp, für ihn sei es „eine Ehre,wenn die
Amerikaner michangreifen“.
Bezeichnenderweise wurden bei der
Herbsttagung in Baltimoredie Kardinäle
Blase Cupichaus Chicago und JosephTo-
bin ausNewark,die als die engstenVer-
bünd etende sPapstesunterde namerikani-
schenBischöfengelten,nichtinFührungs-
ämter gewählt.Grundsätzlichdürften der
„linke“ JesuitFranziskus und der „rechte“
Opus-Dei-Mann Gómezweltanschaulich
und theologisch eher in entgegengesetz-
tenLager nstehen. Aber als Brückenbauer
zwischen demPapstund der amerikani-
schen Bischofskonferenz dürfteGómez,
der als Pragmatiker und guterVerwalter
gilt, derrichtigeMann zurrechten Zeit
Der Neue: Erzbischof Gomez (links) und seinVorgänger,Kardinal DiNardo FotoAP sein.

W

enn im Land mal wieder
etwa sschiefläuft, istder
Grif fzum Strafrecht für
die Politik dervermeintlicheinfachs-
te Weg. Ein neuesVerbotist schnell
geschrieben; ob es aucheingehalten
wird, damit müssen sichdann Polizei
und Gerichteherumschlagen. Man
könntedie nun vomKabinett be-
schlossenenGesetzentwürfe unteran-
derem gegenGaffer, diebeischweren
Unfällen immer wieder dieRettungs-
kräf te behindernund zuStaus und
Unfällen auf der Gegenfahrbahn füh-
ren, also alsreine Symbolpolitik ab-
tun. Undklagen Juristennicht ohne-
hin schon, dassdas Strafgesetzbuch
mit immer neuenTatbeständen über-
laden wird,weil die Politik Probleme
lieber kriminalisiert, als sie auf ande-
re Artzul ösen?
Der Einwand hat sicherlichseinen
Grund.Aber man solltenicht verges-
sen, dassesauchwirksame Symbol-
politikgeben kann. Denngerade bei
gesellschaftlichen Problemen wie der
Unart, inNotlagen anderer der eige-
nen Sensationslustfreien Lauf zu las-
sen, hat der Gesetzgeber einen He-
bel: Indem er einVerhalten unter
Strafe stellt und das an die Bürgerim
Land kommuniziert,kann er deren
Unrechtsb ewusstsein schärfen. Als
GafferBildervonUnfallopfernzuma-
chen, is teine Straftat.Dassdie Tät er
am Ende auchwirklic hvor Gericht
stehen werden, is timInteresse des
Rechtsstaats sicherlichwünschens-
wert.Viel wichtiger aber istdas Si-
gnal, dassdie Gesellschaftein sol-
ches Verhalten nicht mehr hinneh-
men will.


Jeanine Áñezstand in BoliviensPoli-
tik nie in dervordersten Reihe. Die
52 JahrealteAnwältin und frühere
Direktorin eines Lokalsenderswar
von2006 an Mitglied derVerfassung-
gebendenVersammlung.Vier Jahre
später wurde sie in den Senatge-
wählt.AlsMitgliedderkonservativen
„Christlich Demokratischen Partei“
und Vertrete rinder oppositionellen
Minderheit wurde sie zweiteVizeprä-
sidentin.Dieseeigentlichunbedeuten-
dePositioniminstitutionellenGefüge
hatsienachdemSturzvonEv oMora-
lesnun zurÜbergangspräsidentin Bo-
liviensgemacht .„Ichwerde ab sofort
diePräsidentschaftübernehmen“,ver-
kündeteÁñezamDienstagabend.Bo-
livienmüssefrei,befriedetund demo-
kratisch sein. Siewerdesobald wie
möglichNeuwahlenanberaumen.We-
nig später stand Áñez mit umgehäng-
terPräsidentenschärpeund einer Bi-
bel in der Hand auf dem Balkon des
Präsidentenpalastes, umgeben von
führendenKöpfenderOppositionsbe-
wegung,allen voranLuis Fernando
Camacho, dem radikalen Führer des
Aufstands gegenMorales.
DerbolivianischeKongressausAb-
geordnetenhausundSenatwarzudie-
sem Zeitpunkt nicht beschlussfähig,
Die Vertrete rvon Morales’„Bewe-
gungzum Sozialismus“(MAS), die in
beidenKammernüber die absolute
Mehrheitverfügt,warennichterschie-
nen.Dennochsah Áñez sichverfas-
sungsgemäßimRecht, die Präsident-
schaf tzuübernehmen: Da sowohl die
PräsidentinalsauchderersteVizeprä-
sident des Senats zurückgetreten wa-
ren, fiel ihr das Amt der Senatspräsi-
dentin zu.Undals solche übernimmt
sie das Präsidentenamt Boliviens,
falls weder ein Präsident nochein Vi-
zepräsid ent dieses ausüben–was seit
demRücktritt vonMoralesundseines
Vizepräsidenten derFall war.
Añez und die Opposition sind sehr
darauf bedacht, sichinallenSchritten
an dieVerfassung zu halten, um den
Vorwurfdes Staatsstreiches zu ent-
kräf ten, der seit demvonder Armee
erzwungenenRücktritt vonMorales
im Raum steht.Áñez hat dieNachfol-
geregelung eingehalten, auchwenn
das dreimaligeNachrüc kenvon der
zweitenVizepräsidentin des Senats
auf den Präsidentensessel außerge-
wöhnlichist.AuchdasObersteVerfas-
sungsgerichtstand ihrer Ernennung
nichtimWeg.DennochhatderAktei-
nen Schönheitsfehler.Die Verfassung
schreibt nämlich vor, dassder Kon-
gresseinen Rücktritt des Präsidenten
und Vizepräsidenten gutheißen oder
ablehnenmuss,waswegendesfehlen-
den Quorums nichtgeschehen ist.
Mit diesem Problem wirdÁñez wei-
terkonfrontiertsein, denn dieAbge-
ordnetenundSenatorendesMASdürf-
tenden Parlamentssitzungenfernblei-
ben. Gleichzeitig zeichnen sichinden
ReihenderKonservativenMachtkämp-
fe um dieNachfolgevon Áñezab. Die
90Tage,dieÁñezbleiben,umNeuwah-
len zu organisieren,werden ihr alles
abfordern. TJERK BRÜH WILLER

Gegen Gaffer


VonAlexander Haneke


Die Untersuchungen im amerikanischen
Repräsentantenhaus,diein einVerfahren
zur Amtsenthebung Präsident Trumps
mündenkönnen und nachdem Willen ih-
rerBetreiber,derDemokraten,auchmün-
den sollen,liefer nein trauriges Beispiel
für dasVerhältnis der beidenParteien zu-
einander.Dieses Verhältnis zwischen De-
mokraten und Republikanernist von
schar ferideologischer und parteipoliti-
scher Abgrenzung,vonKooperationsver-
weigerung, sogarvonFeindseligkeitge-
kennzeichnet. Langevorbei sind dieZei-
ten, da fraktionsübergreifendeKompro-
misssuche nicht selteneAusnahmewar.
Heuteist „Kompromiss“ ein schmutziges
Wort;wenn es imKongress tatsächlich
einmalzueiner überparteilichen Ge-
schlossenheitkommt, etwa in der Hal-
tung gegenüberRuss land, istdas schon
für sic hgenommen eineNach richt; ein-
fach weil es so seltenvorkommt.
Den großen Gesetzgebungsinitiativen
der vergangenen Jahre, der Gesundheits-
reform von2010 unter dem demokrati-
schenPräsidentenObamaundderSteuer-
reform unter demRepublikanerTrump
von2017, gingengroße Schlachten der
Fraktionenvoraus. Die Schlachtordnung
bildete sichineinem „klinisch sauberen“
Abstimmungsverhalten derParteien ab.
So gut wiekein Abgeordne teroder Sena-
torderOppositionstimmtefürdasVorha-
ben der Mehrheit.Früher wardas anders.
Früher warendie Parteien auchpro-
grammatisch-ideologischweit he teroge-
ner.Heutesindsieweitgehendhomogeni-
siert; wenn es Abweichler gibt,wenn sich
Politikergegen„ihren“ Präsidentenstel-

len, findetdas weiteBeachtung.Aber,
wie gesagt, es gibtkaum nochDissiden-
ten. Noch in den siebziger Jahrengabes
sogenannte„Rocke feller-Republikaner“,
moderatebis liberaleRepublikaner,die
Staaten und/oderWahlkreiseimNordos-
tendes Landes inWashingtonvertraten.
Diese Spezies istausgestorben.
Ideologischhaben sichdie Parteien
auseinanderbewegt;der parteipolitisch
ehemals demokratischeSüden istheute
solide republikanisch,jedenfalls, was

den Bund angeht.Unddortist es schon
so: Der „konservativste“ Demokratsteht
linksvon dem „gemäßigsten“ Republi-
kaner.Die Konsequenz fürein politi-
sches System, das institutionelleTren-
nung mit sachlicher Kooperationver-
knüpft und prämiert, istoffenkundig:Es
kommt zuStillstand, Blockade, zu Dys-
funktionalität.Das wiederum nährtPoli-
tikverdrossenheitundeinenüberdiepoli-
tisch-kulturell ein gebett eteSkepsis hin-
ausgehendenAnti-Washington-Ver-
druss. DerRaum für Gemeinsamkeiten
schrumpft–und er weiter tsichnur aus-
nahmsweise wieder,Beispiel „9/11“.Was
treibt diesepolitischePolarisie rung, von
der besondersdie Republi kaner profi-
tierthaben?

Thomas Carothersgeht dieserFragein
dem vonihm und Andrew O‘Donohue
herausgegebenenBand „Democracies Di-
vided“ (Washington 2019) nach. In sei-
nem mit„The LongPath of Polarization
in theUnited States“ überschriebenen
AufsatzstelltderJuristundPolitikwissen-
schaftlerdieTheseauf,dassdiegegenwär-
tigePolarisierung im LandeihreWurzeln
indendramatischensoziokulturellenVer-
änderungen Amerikas in den sechziger
und siebzigerJahren hätte. DieseVerän-
derungen hätten eine scharfe Trennlinie
zwischenzwei„Visionen“fürdasLandge-
zogen, einer progressiven und einerkon-
servativen. Langsam habe sichder gesell-
schaftlicheKonflikt auf den politischen
Raum übertragen. Aktivistenhätten die
beidengroßen Parteien zu ideologischer
und programmatischer Selbstdefinition
getrieben. Sieverloren damit nachund
nachihren Charakter alsgroße Volkspar-
teien, die unterschiedliche soziale,regio-
nale, religiöse und ethnisch-rassische
Gruppen und Identitäten zusammenführ-
ten. Die Spaltung der Gesellschaftrepro-
duziertsichinder Politik.
Der Autor, der bei der Denkfabrik Car-
negie arbeitet,identifiziertdreiStränge
des vonihm als Haupttreiber erkannten
soziokulturellenWandels: denKampfum
GleichheitderRassen;denKampfumdie
angemesseneRolle desStaates in der Ge-
sellschaft; sowie jenenWandel, der tradi-
tionelle Moralvorstellungen und „social
mores“ imweites tenSinne betrifft,Ab-
treibung zum Beispiel, und der dieReligi-
onauf die politische Bü hne katapultierte.
Es kommt zumKulturkampf.

Schon Ende der siebziger Jahredefi-
niertensichdie Parteien in erster Linie
ideologisch. In denfolgenden vierzig Jah-
renverschärftesichdie politischePolari-
sierung,waswiederum auf die Gesell-
schaf tzurückwirkte. Interessierte Akteu-
re nutzensiealsWaffefürihr eeigenenIn-
teressen.Einer,dersic hdabeiindenacht-
ziger undvorallem neunziger Jahren be-
sonder s(erfolgreich) hervortat, war
NewtGingrich,derals „Sprecher“desRe-
präsentantenhauses der Hauptgegenspie-
ler Bill Clintonswar. Er verkörper te und
betriebeinePolitik derverbranntenErde.
„Gingrichsobstruktionistische Taktik
macht esichdie Tatsache zunutze, dass
dieDysfunktionalitäteherdenRepublika-
nernhalf, ihr Ziel zuverwirklichen, den
kleinenStaat.“ Erdiskreditierte den Wert
und die Möglichkeit jedwedenStaatsakti-
vismus, schreibt Carothers.
Die Obama-Jahrebrachten einen neu-
en Polarisierungsschub, dieWahl Donald
Trumps 2016 bedeuteteden vorläufigen
Höhepunkt.Trump is tSymbolund Profi-
teur der Polarisierung, die er seitherwei-
teranheizt.Freilichspielen auchandere
Faktoren eineRolle, das Mehrheitswahl-
system etwa ,die politische Geometrie
der Wahlkreise,Wahlkampffinanzierung,
Veränderungen der Medienlandschaft
und der Mediennutzung. Alle zusammen-
genommen,begünstigen sie dieRänder
des politischen Spektrums, die Extreme.
PolitischerTribalismus istein Schlag-
wort,das seit 2016 in Mode ist. Politische
und gesellschaftliche Spaltung gibt es
auchinanderenwestlichen Ländern. In
denVereinigtenStaatenistsieaberbeson-
derstief, weit and aggressiv.

Jeanine ÁÑEZ Fotodpa


Betengegen Tr umps Politik

Die große Spaltung


WiedergesellschaftlicheWandelAmerikaindiepolitischePolarisierungtrieb /Von Klaus-DieterFrankenberger


Dreimal


nachgerückt


AmerikasBischöfewählen einen


Mexikaner zu ihremVorsitzenden


VonMatthiasRüb, Rom


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