Süddeutsche Zeitung - 07.11.2019

(nextflipdebug5) #1

2040 – Wir retten die Welt


In dieserDokumentation will Damon Gameau neue Ge-
schichten über den Klimawandel erzählen – von erneu-
erbaren Energien bis zu alternativen Verkehrsmitteln
über regenerative Landwirtschaft. Er übernimmt da-
bei die Rolle eines coolen Lehrers, der versucht, was al-
le coolen Lehrer versuchen: Bildung mit Spaß zu ver-
binden. Die Exkursionen zu Bauern, Fischern und Dör-
fern wirken erfrischend, statt die übliche Weltunter-
gangsstimmung zu verbreiten. Das Problem der Welt-
rettungsstimmung ist aber wohl die Euphorie – jedes
der Themen könnte eine eigene Dokumentation fül-
len. SANDRA LOHSE


Es hätte schlimmer kommen


können – Mario Adorf


Der DokumentarfilmerDominik Wessely begleitet Ma-
rio Adorf an die Orte seines Lebens, in die Eiffel, nach
München, Rom, Saint Tropez.  Bericht


Happy Ending


Wem sechs StaffelnSex andthe Citynicht genug wa-
ren, ist hier richtig. Die Rentnerpaare in der dänischen
Sexkomödie haben ähnliche Beziehungsprobleme wie
Carrie und Co. Das ist liebenswürdig, weil hier mal kei-
ne knackigen Mittzwanziger herumtollen, sondern Se-
nioren. Selten genug im Kino, aber dennoch recht vor-
hersehbar, weil es nach genau diesem altbackenen
Muster gestrickt ist. SOFIA GLASL


Human Nature


Auch die Natur macht Fehler – einige genetisch be-
dingte Fehler könnte der Mensch mit Hilfe der soge-
nannten Gen-Schere CRISPR womöglich ausbügeln.
Adam Bolts akribisch recherchierte Doku macht die
komplizierte Materie auch Laien verständlich. Der Film
schildert die Geschichte der Genforschung (beginnend
mit einem Vortrag von 1966, in dem Wissenschaftler
als „Mit-Propheten“ angesprochen werden), erklärt,
wie die Gen-Schere funktioniert, und lässt Experten
Chancen und Risiken der Technik darlegen. Der For-
scherdrang der Wissenschaftler ist mitreißend, klar
wird aber auch, dass es Grenzen für den Einsatz geben
muss. Wo diese Grenzen zu ziehen sind, beantwortet
der Film glücklicherweise nicht. Aber wenn man mitre-
den will, ist er eine gute Basis. MARTINA KNOBEN


Khello Brüder


Die Dokumentation zeigt das Schicksal zweier syri-
scher Flüchtlinge:Die Brüder Tarek und Zakwan Khello
verließen ihre Heimat Aleppo – der eine, um nicht auf-
grund seines Berufs getötet zu werden, der andere,
um nicht als Soldat töten zu müssen. Der eine migrier-
te legal nach Deutschland, der andere reiste Jahre spä-
ter illegal ein. Im Film reflektieren beide über den
Krieg, die Flucht und Deutschland. Tarek, von Beruf
Journalist, berichtet pragmatisch über politische Zu-
sammenhänge, Zakwan, Künstler, erzählt emotional:
über Verlust und Rettung seiner Werke und wie die Far-
ben nach der Flucht auf seine Leinwände zurück kehr-
ten. Die 77 Minuten des Films haben in der zweiten
Hälfte, die sich auf Zakwan und seine Kunst konzen-
triert, ihre Längen, sind aber ein warmes und aufrichti-
ges Porträt über die Brüder, gezeichnet von der 21-jäh-
rigen Regisseurin Hille Norden. MAGDALENA PULZ


Lara


Ihr Sohn Viktor (Tom Schilling) gibt am Abend ein wich-
tiges Klavierkonzert, doch Lara (Corinna Harfouch)
kann ihn nicht erreichen. Also streift sie rast- und ziel-
los durch Berlin.  Bericht


Der letzte Bulle


Fünf Staffeln lang durfte Henning Baum als aus dem
Komaerwachter Polizist in der gleichnamigen TV-Se-
rie ermitteln, jetzt folgt Peter Thorwarths Kino-Re-
boot. Der Film wurde vorab nicht gezeigt. SZ


Marianne & Leonard:


Words of Love


Nick Broomfield entwirft in seinem Dokumentarfilm
die Geschichte der komplizierten, Jahrzehnte langen
Liebesbeziehung zwischen Leonard Cohen und der
Norwegerin Marianne Ihlen, die sich 1960 auf der grie-
chischen Insel Hydra kennenlernen. Zwischendurch
entfernt sich der Film zu weit von seiner enigmati-
schen, weiblichen Hauptfigur, um die alte Erzählung
vom genialen Poeten und seiner Muse zu bemühen
und Cohens Karriere und Drogenexzesse abzuschrei-
ten. Die vielen unveröffentlichten Archivaufnahmen
verleihen dem Doppelporträt aber eine berührende
Zärtlichkeit, die über die gängige Musiker-Doku hinaus-
weist. ANNETT SCHEFFEL


Midway – Für die Freiheit


Es fängt an, wie man es von einem Roland-Emmerich-
Film erwarten kann, spektakulär, katastrophisch. Aber
Verursacher der Zerstörung sind diesmal keine Aliens,
kein Godzilla, sondern die kaiserliche japanische Flot-
te, die die amerikanischen Kriegsschiffe bei Pearl Har-
bor versenkt in der historischen Attacke am 7. Dezem-
ber 1941. Im halben Jahr darauf kommen die US-Streit-
kräfte zum Zug, mit jeder Menge Flugzeugträgern,
U-Booten und Kampfpiloten. Und markanten Leitoffi-
zieren, verkörpert von Woody Harrelson, Patrick Wil-
son oder Aaron Eckhart. Es bildet den Wendepunkt im
Pazifikkrieg, nicht zuletzt dank der kühnen Arbeit der
militärischen Geheimdienstler. FRITZ GÖTTLER


The Report


Adam Driver spielt den US-Senatsmitarbeiter Daniel J.
Jones,der die Inhaftierungs- und Vernehmungsprakti-
ken der CIA durchleuchtete.  Bericht


Unsere Lehrerin,


die Weihnachtshexe


In Italienbringt dem Volksglauben nach die Hexe Befa-
na den Kindern zu Weihnachten die Geschenke. Seit
500 Jahren macht sie das schon, allerdings ist sie nur
nachts zu erkennen, am Tag arbeitet sie bei Michele
Soavi ganz ohne Hexennase als Lehrerin. Doch dann
wird die Weihnachtshexe entführt, ihre Schüler wollen
sie retten. Eine missliche Lage folgt dabei der nächs-
ten, was den Film etwas langatmig macht. Interessant
ist der Einblick in eine Tradition abseits von Christkind
und Weihnachtsmann dennoch. ANA MARIA MICHEL


Das Wunder von Marseille


Basiert auf einer wahren Geschichte: Schachgenie
Fahim (Assad Ahmed) flüchtet von Bangladesch
nach Frankreich, wo er einen Großmeister trifft (Gé-
rard Depardieu), der ihn unter seine Fittiche nimmt.
Pierre-François Martin-Laval blickt desillusioniert
auf das „Land der Menschenrechte“ und solidarisch
auf die Migranten. Depardieu ist auch in Form. Er-
staunlich, da er hier gerade mal ein halbes Sand-
wich vertilgt. PHILIPP STADELMAIER

Zombieland –
Doppelt hält besser
Die letztenMenschen in einer Welt voller Zombies
können auch Spaß haben – diese Idee bauen Ruben
Fleischer und Co. nach dem erstenZombieland-
Film aus dem Jahr 2009 hier weiter sehr lustig aus.
Die zusammengewürfelte Ersatzfamilie um Woody
Harrelson, Jesse Eisenberg und Emma Stone haust
eine Zeit lang im verlassenen Weißen Haus, findet
andere Überlebende in einem Elvis-Museum und ei-
ner Pazifistenkommune. Wichtiger als äußere Ge-
fahren durch immer zähere Zombies sind die Gefüh-
le und Konflikte in der Gruppe, etwa als eine unka-
puttbar fröhliche Instagram-Tussi (herrlich: Zoe
Deutch) zu den anderen stößt. TOBIAS KNIEBE

Erst vor wenigen Tagen hat ein Gericht die
Herausgabe des ungeschwärzten Mueller-
Berichts gestoppt. Dem Parlament liegt al-
so nach wie vor nur der mit vielen schwar-
zen Balken versehene Report über die mut-
maßliche Einmischung Moskaus in den US-
Präsidentschaftswahlkampf 2016 vor. Et-
was ähnliches erlebte der Senatsmitarbei-
ter Daniel J. Jones, der fünf Jahre lang die
Inhaftierungs- und Vernehmungsprakti-
ken der CIA durchleuchtete. Auf siebentau-
send Seiten deckte er die illegalen Hand-
lungen des US-Geheimdienstes auf, der
2001 nach den Anschlägen auf das World
Trade Center reihenweise Verdächtige fol-
terte, unter anderem mit „Waterboarding“.
Weder der CIA noch das Weiße Haus woll-
ten sich dazu äußern, der 2014 veröffent-
lichte CIA-Folterbericht wurde stark ge-
kürzt und massiv geschwärzt.
Der Produzent und Drehbuchautor
Scott Z. Burns (Side Effects, The Laundro-
mat) hat sich dieser Geschichte angenom-
men und bringt sie als Spielfilm zurück ins
Gedächtnis des Publikums, mit Adam Dri-
ver, Annette Bening und Jon Hamm in den
Hauptrollen. Es ist eine komplexer Fall,
der auch genauso erzählt wird. Das ist her-

ausfordernd und spannend zugleich,The
Reporterzählt auch etwas darüber, wie an-
fällig die heutige Gesellschaft für verdreh-
te Wahrheiten und offensichtliche Manipu-
lationen ist. Man glaubt nur noch das, was
man sehen will, der geschwärzte Rest inter-
essiert die wenigsten. josef grübl

The Report, Regie: Scott Z. Burns, Kinos s. Seite 9

 Wo welcher Film läuft, steht im Film-ABC
aufSeite 10. Weitere Kritiken imFeuilleton.


1


Das perfekte Geheimnis(-)
Deutsche Stars wie Elyas M’Barek, Karoline
Herfurth, Jella Haase oder Florian David Fitz ge-
währen tiefe Einblicke – in ihre Smartphones.
Regie: Bora Dagtekin / 1. Woche
Besucher: 924 217 – Gesamt: 1 048 589

2


Joker(1)
Zum Totlachen: Joaquin Phoenix brilliert
als Bösewicht aus dem Batman-Universum –
und darf auf eine Oscar-Nominierung hoffen.
Regie: Todd Phillips / 4. Woche
Besucher: 397 808 – Gesamt: 3 211 757

3


Maleficent: Mächte der Finsternis(2)
„Die Liebe geht nicht immer gut aus“: An-
gelina Jolie warnt als dunkle Märchenfee junge
Mädchen vor den Gefahren des Heiratens.
Regie: Joachim Rønning / 3. Woche
Besucher: 174 637 – Gesamt: 793 654

4


Die Addams Family(5)
Nach einer Fernsehserie und zwei Kinofil-
men kehren die Gruselsippe und ihr Eiskaltes
Händchen in diesem Animationsfilm zurück.
Regie: Conrad Vernon, Greg Tiernan / 2. Woche
Besucher: 145 675 – Gesamt: 292 513

5


Terminator: Dark Fate(3)
Sie ist wieder da. Er auch. Leider interes-
siert das kaum jemand: Linda Hamilton und Ar-
nold Schwarzenegger in Teil 6 der Actionsaga.
Regie: Tim Miller / 2. Woche
Besucher: 116 511 – Gesamt: 304 252

6


Ich war noch niemals in New York(4)
„Ich weiß, was ich will“: Verfilmung des er-
folgreichen Udo-Jürgens-Bühnen-Musicals.
Regie: Philipp Stölzl / 3. Woche
Besucher: 75 654 – Gesamt: 389 428

7


Shaun das Schaf – Ufo-Alarm(9)
Seit 25 Jahren hat das beliebte Knetschaf
nur Faxen im Kopf, diesmal sogar im Weltall.
Regie: Will Becher / 6. Woche
Besucher: 67 150 – Gesamt: 749 925

8



  1. Kogustaki Mucize(6)
    In diesem türkischen Drama landet ein
    geistig behinderter Hirte in der Todeszelle.
    Regie: Mehmet Ada Öztekin / 4. Woche
    Besucher: 56 730 – Gesamt: 213 651


9


Bayala – Das mag. Elfenabenteuer(10)
In diesem Animationsfilm nach den Spielfi-
guren von Schleich geht es in ein Elfenland.
Regie: Aina Järvine / 2. Woche
Besucher: 47 937 – Gesamt: 100 134

10


Parasite(7)
Aus der Gosse in die Upper Class: In die-
ser Thrillerkomödie kämpft Arm gegen Reich.
Regie: Bong Joon-ho / 3. Woche
Besucher: 46 478 – Gesamt: 209 079

Das rumänische Filmwunder hält schon etwas
länger an,spätestens seit Cristian Mungius
Cannes-Gewinnerfilm4 Monate, 3 Wochen
und 2 Tageaus dem Jahr 2007 werden Filme
aus der südosteuropäischen Republik welt-
weit auf Festivals eingeladen und prämiert.
Von einem Wunder kann man also kaum mehr
sprechen, eher von einer etablierten Kinonati-
on, die regelmäßig beachtliche Filme produ-
ziert. Wer sich über das aktuelle Filmschaffen
aus Rumänen einen Überblick verschaffen
will, ist bei der 14. Ausgabe des Rumänischen
Filmfestivals im Filmmuseum richtig. Insge-
samt 17 Kurz- und Langfilme werden aufge-
führt, von Spielfilmdebütanten wie Marius Ol-

teanu (Monstri) oder etablierten Regisseurin-
nen wie Anca Damian(Moon Hotel Kabul). Er-
öffnet wird das Festival mit der Fortsetzung
von Stere Guleas FamiliendramaMorometii
aus dem Jahr 1987. InMorometii 2 (Die Familie
Moromete – Am Rand der Zeit)geht diese Fa-
miliengeschichte nach dem Zweiten Welt-
krieg weiter, als die Kommunisten mit der Kol-
lektivierung der Landwirtschaft beginnen.
Hauptdarsteller Horatiu Mălăele wird bei der
Vorstellung als Ehrengast erwartet. GRÜ


  1. Rumänisches Filmfestival, Donnerstag, 7.,
    bis Sonntag, 17. November, Filmmuseum, St.-Ja-
    kobs-Platz 1,t23 39 64 50


Zurück in die Zeit, als das vereinte Deutsch-
land noch in der Pubertät steckte: Nach
dem Mauerfall und vor der Währungsuni-
on, im „kurzen Sommer der Anarchie“, hat
Florian Aigner sein Spielfilmdebüt angesie-
delt.Im Niemandslandist eine Coming-of-
Age-Geschichte im doppelten Sinn: Beide
Landesteile müssen erst zusammenfin-
den, und auch die Verliebten Katja (Emilie
Neumeister) und Thorben (Ludwig Simon)
bekommen Widerstände zu spüren. Das ist
der Ansatz des im alten 4:3-Format gedreh-
ten Films: Das politische Hintergrundrau-
schen 1990, vielleicht die Keimzelle der Ost-
West-Konflikte, soll hier mit Ur-Privatem
vermengt werden, der ersten Liebe.
Wie in Norbert Lechners vor einem Mo-
nat gestartetem LiebesdramaZwischen
uns die Mauerstehen auch hier zwei Teen-
ager im Fokus, deren Gefühle füreinander
auf eine harte Probe gestellt werden. Bei
Lechner war die Mauer die Barriere. Bei Aig-
ner ist diese bereits gefallen, und das Nie-
mandsland im Grenzstreifen wird zum

Treffpunkt von Katja und Thorben. Ihre
Probleme sind nicht minder massiv. Denn
der Ost-Junge und seine Familie leben in
dem Haus, in dem Katjas Vater aufgewach-
sen ist. Nach der Flucht des Großvaters in
den Westen wurde die Familie enteignet.
Das führt zur schönen Szene, wie der Va-
ter (Andreas Döhler) mit seiner Tochter im
Wohnmobil mit der Aufschrift „vertrieben
und enteignet“ vor dem Haus campiert. Da
ahnt Katja nicht, dass hier der Junge lebt,
der bald zu ihr sagen wird: „voll die Ver-
schwendung, dass du so hübsch bist.“ Abge-
sehen von den realen Fernsehbildern, die
noch sehr präsent sind, entwickelt der Film
seine Stärken in der charakterstarken Figu-
renzeichnung, der Selbstironie und im
Look. Ein hübscher Low-Budget-Historien-
film über ein schwieriges Stück deutscher
Geschichte. bernhard blöchl

Im Niemandsland, Regie: Florian Aigner, der Film
läuft u.a. in Regensburg; der München-Start wurde
kurzfristig verschoben

Mario Adorf bewegt sich nicht wie ein
Mann, der im nächsten Jahr neunzig Jahre
alt wird. Sein Gang wirkt elastisch, die Be-
wegungen lebendig, die Haltung aufrecht.
Mario Adorf ist ein charmanter Grandsei-
gneur mit vollem weißen Haar und dichten
schwarzen Brauen, und zugleich ein ver-
schmitzter Junge, der mitreißend von sei-
nen Lebensabenteuern erzählt. Dominik
Wessely begleitet ihn mit der Kamera an
die Orte seines Lebens, in die Heimat in der
Eiffel, an die Münchner Otto-Falckenberg-
Schule, von wo es ihn bald in die Kammer-
spiele zog. Hier bekam er schon recht früh

den entscheidenden Rat vom großen Fritz
Kortner: nicht auftreten, sondern einfach
reinkommen! Weiter geht es nach Rom, wo
der Deutsche mit italienischen Wurzeln sei-
ne internationale Karriere begann und
dreißig Jahre lang lebte, nach Saint-Tro-
pez, wo er im Schatten von Brigitte Bardot
seine zweite Frau Monique fand und nach
Casablanca zum Dreh eines Fernsehfilms
über Karl Marx.
Aus der unbändigen Lust am Spiel und
einer Hingabe ans Menschliche noch im
übelsten Monster formt sich eine illustre
Filmografie, die noch immer im Werden

ist. Mal polternd und leise, mal grimmig
und jovial, mal verschmitzt und melancho-
lisch: Mario Adorf hat viele Gesichter, er
spielte sie alle mit einer wuchtigen Körper-
lichkeit, die im deutschen Kino etwas Be-
sonderes ist. Und wenn er von seinem be-
wegten Leben erzählt, dann tänzelt ein Lä-
cheln über seine Züge, funkelt der Schalk
in seinen Augen. anke sterneborg

Es hätte schlimmer kommen können – Mario
Adorf, Regie: Dominik Wessely, Kinos siehe Seite 9,
amDi., 12. Nov., ist Mario Adorf um 18 Uhr zu Gast
im Theatiner Kino, Theatinerstr. 32,t22 31 83

Neu im Kino Neu im KinoFortsetzung


West küsst Ost


Drama„Im Niemandsland“: Eine junge Liebe im Sommer 1990


Illegal und angeschwärzt


DramaIn „The Report“ geht es um die Folterpraktiken des CIA


Der Mann mit den vielen Gesichtern


Dokumentarfilm„Es hätte schlimmer kommen können“: Mario Adorf erzählt aus seinem Leben


W


er dieser Tage ins Kino geht und
im Foyer auf eine Dame in einem
rotbraunen Mantel trifft, die Kar-
ten für die ausverkaufte Vorstellung ver-
schenkt, sollte dieses Geschenk unbedingt
annehmen. Denn die Dame könnte die Ti-
telheldin aus Jan-Ole Gersters neuem Film
Larasein. Zugegebenermaßen erscheint
dieses Szenario eher unwahrscheinlich, ist
doch Lara Jenkins eine Filmfigur, vom
Drehbuchautor Blaž Kutin erfunden und
von Corinna Harfouch verkörpert. Wer den
Film aber gesehen hat, egal ob mit gekauf-
ter oder geschenkter Karte, dem wird Lara
auch außerhalb von Kinosälen begegnen:

Auf der Straße. Im Café. Im Kaufhaus auf
der Rolltreppe. In der Amtsstube. Oder im
Foyer eines Kulturtempels. Sie wird einen
mit spöttischem Lächeln ansehen und Sät-
ze sagen, die wahr sind, die man aber trotz-
dem nicht hören möchte.
Denn Lara ist nicht nur eine Frau, son-
dern viele: Die Schülerin, die Angst hat vor
dem Urteil ihres Lehrers. Die Tochter, die
genauso schroff ist wie die eigene Mutter.
Die Gattin, die die Mittelmäßigkeit ihres
künftigen Ex-Mannes anödet. Und die
Mutter, die das Beste für ihren Sohn will,
ihn aber mit Ehrgeiz und Gnadenlosigkeit
erdrückt. Corinna Harfouch spielt das re-

duziert und trotzdem sehr prägnant; man
schaut ihr fasziniert zu und nimmt Nuan-
cen wahr, die einem vertraut sind von ande-
ren ängstlichen Schülerinnen, schroffen
Töchtern, gelangweilten Gattinnen oder
ehrgeizigen Müttern.
Laraist Jan-Ole Gersters zweiter Spiel-
film, 2012 wurde er mit seinem Debütfilm
Oh Boybekannt. Tom Schilling spielte dar-
in einen jungen Mann, der einen Tag lang
rast- und ziellos durch Berlin streift. Lara
ist ähnlich und doch ganz anders: Es geht
um eine sechzigjährige Frau, die einen Tag
lang rast- und ziellos durch Berlin streift.
Auf die Jugend folgt also das Alter, auf Som-

mer Herbst, auf Leichtigkeit Getrieben-
heit. Die Dialoge sind pointiert, Laras Be-
gegnungen mit ihren Mitmenschen herr-
lich absurd. Und Tom Schilling ist auch wie-
der dabei, als Laras von Selbstzweifeln ge-
plagter Künstlersohn. Ihm ruft sie vergeb-
lich hinterher: Er spielt ein Konzert, es ist
der wichtigste Tag in seinem Leben. Und in
ihrem. Deswegen hebt sie ihr ganzes Geld
von der Bank ab, deswegen beschenkt sie
wildfremde Menschen mit Konzertkarten.
Auch sie sollten diese Geschenke unbe-
dingt annehmen. josef grübl

Lara, Regie: Jan-Ole Gerster, Kinos siehe Seite 9

8 V2 SZEXTRA Kino Wochevon 7. bis 13. November 2019, Nr. 257 DEFGH


FILMKUNSTTIPP


Heiter


in den


Herbst


Tragikomödie


Jan-Ole Gerster lässt in


„Lara“ Corinna Harfouch


rastlos durch Berlin streifen


Mario Adorfs Maxime lautet:
„Nichtauftreten, sondern
einfach reinkommen!“
FOTO: NFP

Die 60-jährige Lara Jenkins (Corinna Harfouch) sagt Sätze, die wahr sind, die aber trotzdem keiner hören will. FOTO: STUDIOCANAL

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Grenzenlose Liebe: Katja (Emilie Neumeister) und Thorben (Ludwig Simon). FOTO: IMFILM

Auf Spurensuche: Wurden diese Männer
vom CIA gefoltert? FOTO: DCM
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