Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.11.2019

(Greg DeLong) #1

SEITE R 4·DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019·NR. 259 Bücher für die Reise FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Wollte man dieses Buch nach seinem Äu-
ßeren beurteilen, wäre nur Gutes zu sa-
gen. Es ist typographisch wunderbar ge-
staltet, die Bilder sind von bestechender
Klarheit, und man ist, dank des etwas kryp-
tischen Hinweises „Aus Gründen der bes-
seren Lesbarkeit wird in diesem Buch bei
Personenbezeichnungen das generische
Maskulinum verwendet. Es gilt gleicher-
maßen für alle Geschlechter“, sowohl auf
der sicheren Seite wie auf der Höhe der
Zeit. Aber die Hülle ist eben nicht alles.
Hundert ungewöhnliche Bilder und Ge-
schichten sind bei dieser Reise durch
Deutschland angekündigt: Aber so verhält-
nismäßig leicht es noch sein mag, für Bil-


der eine ungewöhnliche Perspektive einzu-
nehmen und damit das Versprechen einzu-
lösen, so schwer ist es, bei dem Versuch,
ganz Deutschland zu beschreiben, einen
thematischen Ansatz herauszuarbeiten,
der das Attribut „ungewöhnlich“ verdient.
Manchmal gelingt es dem Autor, etwas
Originelles zu sagen, aber die meisten Ge-
schichten halten sich an das für Reisefüh-
rer Übliche, zudem belastet durch den
Zwang, auf sehr knapp bemessenem
Raum – meist handelt es sich nur um je-
weils eine einzige Buchseite – aussagekräf-
tige Porträts von Städten und Landschaf-
ten zu schaffen. Prompt wird Berlin auf
zwei Aspekte reduziert – die Mauer und
die Museumsinsel –, und im Abschnitt Bay-
reuth erfährt man zwar einiges über die
Markgräfin Wilhelmine, die zweifellos
eine prägende Figur für den Ort gewesen
ist, Richard Wagner aber wird nicht ein-
mal in einem Nebensatz erwähnt. So reiht
dieses Deutschland-Panorama, jede Sta-
tion garniert mit einem Hoteltipp und
zwei Restaurantempfehlungen, touristi-
sche Appetithäppchen aneinander – nicht
weniger, aber auch nicht mehr. tg


„Eine Reise durch Deutschland in 100 ungewöhnli-
chen Bildern und Geschichten“ von Wolfgang Rös-
sig. Gräfe und Unzer Verlag, München 2019. 336
Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 29,90 Euro.


Gärten auf Sylt prangen als Statussymbo-
leund duften nach Geld. Rund um die re-
konstruierten Friesenhäuser ist alles vom
Feinsten: Terrassen aus Tropenholz, ge-
schorene Bergkiefern, üppiger Rhododen-
dron, Whirlpool im tiefergelegten Be-
reich (oh, dieser Wind!), Heidelandschaft
und ein Putting Green nach der Idee des
Hausherrn, „der damit das Spielpotential
seiner Frau beim Golfen verbessern hel-
fen wollte“. Gestaltet sind diese Gärten
von Landschaftsdesignern. Auch die „re-
gelmäßige professionelle Wartung“ liegt
in den Händen von Fachleuten, denn die
Gartenbesitzer – keine Namen bitte! – ge-
hen im Alltag „extrem fordernden“ Tätig-
keiten nach und brauchen als Ausgleich
„quality time“, also ein wenig leichten Ra-
sensport und weite, ungestörte Blicke
über eigene Dünen oder blühende Land-
schaften. Bäume werden, wo sie fehlen,
auch als kostbare erwachsene Exemplare
umgepflanzt, übrigens kein Vorgehen,
„das noch vor wenigen Jahrzehnten un-
denkbar gewesen wäre“. Fürst Pückler hat
es bereits vor zwei Jahrhunderten prakti-
ziert und sich mit seiner Gartenleiden-
schaft ruiniert, was man Grundbesitzern
auf Sylt natürlich nicht wünscht. Leise
Kritik an deren Wirken kommt von der eh-
renamtlichen Landesbeauftragten für
Baudenkmalpflege, Traute Meyer. „Ginge
es nach mir, blieben mehr alte Bauten er-
halten“, schreibt sie, und es solle doch bit-
te nicht „alles Mögliche“ auf Sylt ge-
pflanzt werden. Angenehm überrascht ist
der Autor von einem Gemüse- und Natur-

garten: „Eidechsen, Frösche, Libellen
und Schmetterlinge in Fülle, die anders-
wo längst zur Rarität geworden sind.“ An-
derswo? Gleich um die Ecke in den besen-
reinen Paradiesen voller Rollrasen, Bam-
bus und Kirschlorbeer. letz
„Gärten auf Sylt – Verborgene Paradiese des Nor-
dens“von Ulrich Timm (Text) und Ferdinand Graf
Luckner (Fotos). Prestel Verlag, München 2019. 208
Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 42 Euro.

L


os Angeles ist eine Autostadt und
lässt sich womöglich gar nicht an-
ders begreifen als vom Steuer eines
Wagens aus. Sabine Dorothea Schnell
hat daraus die Konsequenz gezogen,
die Stadt für ihr wunderbares, unge-
wöhnliches Stadtporträt aus dem fah-
renden Auto heraus zu fotografieren.
Umso überraschender wiederum ist
es, wie viele Fußgänger sie aufgenom-
men hat – an Kreuzungen zumeist,
wenn Passanten über die Straße hu-
schen oder Obdachlose die Rotphasen
nutzen, um auf ihr Elend hinzuwei-

sen. Aber dann sind da noch die grel-
len Billboards, die betongrauen Stra-
ßenrampen und immer wieder Pal-
men, die sich bei ihr schwarzweiß in
einen finsteren Himmel recken. Den
Sunset Boulevard hinauf und den Wil-
shire Boulevard hinunter, wird die
Stadt der Engel dadurch immer düste-
rer – und lässt den Betrachter einiger-
maßen desillusioniert zurück. (F.L.)
„Los Angeles – Everything not seen will be
lost“ von Sabine Dorothea Schnell. Orange
Press, Berlin 2019. Ohne Paginierung, 180 Fo-
tos. Broschiert, 36 Euro.

Der Frankfurter Gestalter und Künstler
Kai Linke hat die Eindrücke eines dreimo-
natigen Forschungsprojekts und Besuchs-
programms bei traditionellen Handwer-
kern in Kyoto zu einem Fotoband und
Bildarchiv alter Gewerke gebündelt: So
hält er im Aussterben begriffene Berufe
fest, die bisweilen in ihrem manuell-nach-
haltigen Ansatz und in Prozessen der „Be-
wegung und Gegenbewegung“ durch Ex-

perimente mit modernen Produktpalet-
ten in Dialog mit der Moderne treten. Der
Autor trifft einen Holzfassbauer in den
Bergen von Shiga, Teedosenfabrikanten
und Papierlaternenhersteller, die mit
Bambusfasern, Japanpapier und Blüten-
kleber arbeiten, oder etwa einen Bronze-
Spiegelbauer, den letzten seiner Zunft.
Den mit Liebe zum Detail und Gefühl für
das Material als Stillleben des alten Kyoto
eingefangenen Fotos werden zwei lesens-
werte Essays zur Seite gestellt: Klara
Bindls und Michael Beutlers Beitrag
„Tage mit den Strohdachdeckern“, deren
lautlose Baustelle sie als rurale Rarität im
Hochgeschwindigkeitsjapan porträtieren,
und Merle Radtkes Aufsatz „Not built to
last“ über Formen der Wiederholung, An-
eignung und Kopie in der japanischen
Kultur am Beispiel des alle zwanzig Jahre
rituell erneuerten Ise-Schreines. Die Ver-
gänglichkeit der Gegenwart bei gleichzei-
tiger Präsenz der Traditionen ist auch The-
ma von Kai Linkes Fotoserie „Land &
Leute“, die das kreative und konformisti-
sche Japan, Spielautomaten und Schuluni-
formen-Fachgeschäfte, Zen-Gärten und
Interieurs von Shinkansen-Zügen expres-
siv überblendet. Die Coda des originellen
visuellen Reisetagebuchs bilden überra-
schende „Details & Strukturen“ des japa-
nischen Baudenkens wie Holzverkleidun-
gen, Kachelinstallationen oder Details
von Teehäusern. sg
„In Japan“ von Kai Linke. Trademark Publishing,
Frankfurt 2019. 272 Seiten, zahlreiche Fotos.
Gebunden, 44 Euro.

Im Vorbeifahren


Reiseverlauf

1. Tag, Di: Welcome to Canada! Nachmittags Linienflug
mit Air Canada von Frankfurt nonstop nach Toronto. Ihr
Marco Polo Scout begrüßt Sie am Flughafen.
2. Tag, Mi: Niagara – donnerndes Wasser. Nach dem
Frühstück geht es zum ersten Highlight dieser Reise: Die
weltberühmten Niagarafälle, an denen unfassbare Was-
sermassen auf einer Breite von 670 Meter rund 54 Meter
in die Tiefe donnern, erwarten uns. Achtung, Spritzwas-
ser: Wer den Fällen ganz nah kommen möchte, entschei-
detsichfüreineFahrtaufderNiagaraHornblower(gegen
Mehrpreis, Ausflugspaket). F
3. Tag, Do: Boomtown Toronto. Vormittags City-Tour
durch Toronto. Wortwörtlicher Höhepunkt der Tour:
der Besuch des 553 Meter hohen CN Towers, weithin
sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Im Anschluss Fahrt
nach Kingston. F
4. Tag, Fr: 1000 Inseln. Nach dem Frühstück Fahrt nach
Rockport und einstündige Bootsfahrt durch die beein-
druckende Landschaft der „Thousand Islands“. Weiter-
fahrt nach Ottawa, Kanadas Hauptstadt, am Zusammen-
fluss von Ottawa, Rideau und Gatineau River. F


(gegen Mehrpreis, Ausflugspaket). Anschließend Wei-
terfahrt zum Wendake-Reservat. Auf einem Rundgang
erklärt unser Scout Wissenswertes über das Leben der
First Nations, bevor die Europäer ihr Land besiedelten. F

8. Tag, Di: Klebriges und Flüssiges. Erster Stopp des
Tages in Trois-Rivières. In der Zuckerhütte Chez Dany
erfahren wir, wie der berühmte kanadische Ahornsirup
hergestellt wird, und dürfen natürlich auch kosten. Dann
geht es weiter nach Grenville-sur-la-Rouge, wo wir für
die nächsten zwei Nächte in unserer Unterkunft direkt
am Ufer des Lac Carling einchecken. Nachmittags legen
wir die Schwimmwesten an und besteigen große hölzer-
ne Rabaska-Kanus. F/A
9. Tag, Mi: Entdeckertag. GenießenSieeinenTagamSee
fürsich,undlassenSie,jenachLustundLaune,beieinem
guten Buch die Seele baumeln, unternehmen Sie eine
Wanderung durch die umliegenden Wälder, oder leihen
SieeinKanuanderWassersportstationdesHotels(gegen
Mehrpreis, zahlbar vor Ort). F/A
10. Tag, Do: Alte und Neue Welt in Montréal. Auf nach
Montréal, einer Stadt der Kontraste: Das Studentenvier-
tel mit französischem Flair ist nicht weniger attraktiv als
die moderne Innenstadt mit ihren Glasfassaden. Die Ka-
thedrale von Notre-Dame erwartet uns mit einem präch-
tigen Innendekor und aufwändigen Freskenarbeiten. F
11. Tag, Fr: Au revoir, Canada! Es bleibt noch etwas Zeit,
die letzten Souvenirs zu besorgen, dann heißt es Ab-
schied nehmen. Nachmittags Transfer zum Flughafen
von Montréal und Rückflug mit Air Canada nonstop nach
Deutschland.
12. Tag, Sa: Ankunft in Deutschland. Morgens Landung
in Frankfurt.
F=Frühstück, A=Abendessen


Reisetermine
21.04.–02.05.2020 05.05.–16.05.2020
1 9.05.–30.05.2020 09.06.– 20.06.2020
23.06.– 04.07.2020 07.07.–18.07.2020
21.07.–01.08.2020 04.08.–15.08.2020
18.08.–29.08.2020 08.09.– 19.09.2020
22.09.–03.10.2020 06.10.–17.10.2020

Reisepreis pro Person
ab 24 95,–€ Doppelzimmer
ab 3040,–€ Einzelzimmer

KANADA

USA

Toront Kingston

Ottawa Montréal

Trois-Rivières

Québec

Niagara-
fälle

Lac
Carling

ATLANTISCHE
OZEAN

5. Tag, Sa: Hauptstadt Ottawa. DerTagbeginntmiteiner
Stadtrundfahrt durch Ottawa. Wir sehen unter anderem
das imposante Parlament, den stillen Rideau-Kanal und
dasstolzeChăteauLaurier.AuchkulturellhatOttawaviel
zubieten:ImMuseumofHistorystehenwirstaunendvor
der größten Totempfahl-Sammlung der Welt. F
6. Tag, So: Québec – très français. Heute überqueren wir
die Sprachgrenze: Es geht in den französischsprachigen


Weitere Informationen,
Beratung und Buchung auf
leserreisen.faz.net

Kanada

Höhepunkte im Osten

Erleben Sie auf dieser Reise alle Facetten
Kanadas auf kleinem Raum: Wir bum-
meln durch die kopfsteingepflasterte
Altstadt von Québec, staunen über die
Wassermassen der Niagarafälle und
paddeln über stille Seen – alles garniert
mit den Geschichten der First Nations.
Auf den Terminen im Herbst wartet ein
besonderes Naturereignis auf Sie: die
Farbenpracht des berühmten Indian
Summer.

Teil Kanadas – nach Québec. An der historischen Stät-
te Plains of Abraham wurde französische und britische
Geschichte geschrieben – unser Scout erweckt die alten
ZeitenzumLeben.AnschließendFahrtzuunseremHotel
vor den Toren der Stadt. F

7. Tag, Mo: Entdeckertag. Ein ganzer Tag für Sie in der
charmanten Stadt Québec. Oder Sie begleiten Ihren
Scout auf einen Ausflug zum Montmorency-Wasserfall


Hotline: (069) 75 91-37 83 · E-Mail: [email protected] · Beratung und Buchung: Montag bis Freitag von 8.00 bis 19.00 Uhr und Samstag von 9.00 bis 14.00 Uhr
Reiseveranstalter: Marco Polo Reisen GmbH, Riesstraße 25, 80992 München

Toronto©Fotolia_Elenathewise Niagara Fälle ©Shutterstock/CPQ

Montreal ©Fotolia/AndreasEdelmann

Besenreine


Paradiese


Tage mit


den Strohdachdeckern
Verrückt oder süchtig? Oder nur begeis-
tert? Was treibt Menschen dazu, sich me-
terhohen Wellen auszuliefern, Tausende
Flugkilometer auf sich zu nehmen, um
durchgewalkt zu werden von der Kraft
des Wassers? Dieser Frage geht Stefan
Heinrich nach in seinem Buch übers Sur-
fen. Ähnliche Fragen könnte man Klette-
rern stellen, um zu ergründen, was die
Faszination eines Lebens mit einer Natur-
sportart ausmacht. An Plattitüden fehlt es
meistens nicht, auch Heinrich kann das
nicht immer umschiffen. Heinrich hatte

während eines Auslandsjahres in Kalifor-
nien das Surfen entdeckt. Hundertelf Epi-
soden rund um den Wassersport hat er
nun zusammengetragen, einige plät-
schern dahin wie eine laue Dünung, man-
ches aber ist lesenswert. So kann er etwa
die Faszination, durch einen Tunnel aus
Wasser zu fahren, anschaulich nahebrin-
gen. Am interessantesten ist, was er von
Wellen berichtet – vor allem den perfek-
ten und wie man sie findet. Etwa die Su-
che nach Chicama in Peru. Es gebe da ein
Fischerdorf, in dem sein Bruder lebe, be-
hauptet ein Taxifahrer – und so stehen die
Surfer irgendwann in einer riesigen, trost-
losen, kargen Bucht, in die perfekte, wie
mit dem Lineal gezogene Wellen einlau-
fen. Heinrich erzählt von Wellen, die die
Kraft von Güterzügen haben, von Angst,
aber auch von Demut. Es geht also keines-
wegs allein um Spaß. Surfen habe ihn ge-
lehrt, schreibt er, auch in bedrohlichen Si-
tuationen des Alltags ruhig zu bleiben.
Schnappatmung hilft weder dort noch auf
dem Brett. bär
„111 Gründe, surfen zu gehen. Eine Liebeserklä-
rung an die Surfkultur, den Ozean und die Reise
auf der Suche nach der perfekten Welle“ von Ste-
fan Heinrich. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag,
Berlin 2019. 288 Seiten, einige Fotos. Broschiert,
14,99 Euro.

Von Mauern


und Museen


Das ist die


perfekte Welle


Kein Trost für Obdachlose: Aussehen kann töten Abbildung aus dem besprochenen Band

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