Frankfurter Allgemeine Zeitung - 25.10.2019

(avery) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen FREITAG, 25. OKTOBER 2019·NR. 248·SEITE 21


pwe. TOKIO, 24. Oktober. Anfang April
klagte der geschasste ehemalige Chef der
Autobauerallianz von Renault, Nissan Mo-
tor und Mitsubishi Motors, Carlos Ghosn,
über Verrat. Seine Festnahme und die An-
klagen gegen ihn seien das Ergebnis einer
Verschwörung, sagte Ghosn in einer aufge-
zeichneten Filmaufnahme vor Journalis-
ten, während er selbst schon wieder im Ge-
fängnis saß. Als Motiv beschrieb er die
Angst einiger Manager von Nissan, dass
der japanische Autobauer in einer noch
stärkeren Bindung oder Fusion mit Re-
nault seine Selbständigkeit verlieren kön-
ne. Namen und Details nannte Ghosn
nicht, und sein Vorwurf blieb so mit wenig
Substanz im Raum stehen.
In einer Einlassung an das Bezirksge-
richt in Tokio haben die Anwälte von
Ghosn die Vorwürfe nun erstmals näher
spezifiziert und greifen die Staatsanwalt-
schaft als Teil der vermuteten Verschwö-
rung frontal an. Die strafrechtliche Verfol-
gung des Automanagers sei nicht verfas-
sungsgemäß, illegal und ungültig, heißt es
in den zwei Eingaben, die die F.A.Z. in ei-
ner englischen Fassung einsehen konnte.
Ghosn und seine Anwälte werfen der


Staatsanwaltschaft vor, sich mit Nissan
und dem japanischen Wirtschafts-, Han-
dels- und Industrieministerium (Meti) ge-
gen ihn verschworen zu haben. Die Staats-
anwaltschaft habe illegale Methoden ver-
wendet, um Vorwürfe gegen Ghosn erhe-
ben zu können. Die Verteidigung verlangt
deshalb, dass das Verfahren noch vor der
für das kommende Frühjahr erwarteten
Eröffnung eingestellt wird.
Ghosn, der vor zwanzig Jahren von Re-
nault zu Nissan kam und das japanische
Unternehmen aus einer schweren Krise
zu neuen Erfolgen führte, war im Novem-
ber 2018 als Vorsitzender des Verwaltungs-
rats von Nissan in Tokio festgenommen
worden. Er ist angeklagt wegen des Vor-
wurfs, dass er etwa die Hälfte seines Ge-
halts in den vorgeschriebenen Finanzbe-
richten Nissans nicht offengelegt habe.
Dem Manager mit französischem, libanesi-
schem und brasilianischem Pass wird zu-
dem Veruntreuung vorgeworfen. Dabei
geht es unter anderem um Zahlungen Nis-
sans an Geschäftspartner in Saudi-Ara-
bien und in Oman, die indirekt zum Teil
Ghosn zugeflossen sein sollen. Ghosn ver-
lor während der Ermittlungen seine Füh-

rungsposition bei Nissan, Renault und Mit-
subishi Motors. Der 65 Jahre alte Manager
saß 130 Tage im Gefängnis. Er lebt in To-
kio auf Kaution unter strengen Auflagen.
Unter anderem darf er seine Frau nicht se-
hen, die als Zeugin in dem Verfahren ge-
hört werden könnte.
Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe,
und die Verteidigung führt in dem Schrift-
satz dazu die schon bekannten Argumente
aus. Neu sind die harschen Vorwürfe ge-
gen die Staatsanwaltschaft. Die Verteidi-
gung wirft ihr unter anderem vor, durch
Angestellte Nissans im Ausland ohne
Durchsuchungsbeschluss Beweismaterial
„gestohlen“ zu haben. In der engen Zusam-
menarbeit mit Nissan habe sie private In-
teressen und die Interessen des Industrie-
ministeriums verfolgt und so gegen die ihr
auferlegte Unparteilichkeit verstoßen. Die
Staatsanwaltschaft schleppe die Ermitt-
lung hinaus und verletze das Recht Ghosns
auf ein zügiges Verfahren. Durch gezielte
Indiskretionen an die Presse werde Ghosn
faktisch vorverurteilt. Es bestehe kein
Zweifel, dass der Manager wegen seiner
Rasse, seiner Nationalität und wegen sei-
nes sozialen Status diskriminiert werde.

In die Verschwörung gegen Ghosn sol-
len nach der Darstellung der Verteidigung
auf der Seite Nissans der geschäftsführen-
de Vizepräsident Hitoshi Kawaguchi, der
Rechnungsprüfer Hidetoshi Imazu und das
heutige externe Mitglied des Verwaltungs-
rats Masakazu Toyoda verwickelt gewesen
sein. Toyoda hat als ehemaliger Staatsse-
kretär im Meti eine besondere Verbindung
zur japanischen Regierungsbürokratie. Be-
lege für die vermutete Verschwörung prä-
sentiert die Verteidigung in den Schriftstü-
cken nicht. Doch wird deutlich, dass der
selbstbewusste Ghosn in seiner Verteidi-
gung auf Angriff setzt, so wie es viele Beob-
achter von Anfang an vermutet hatten.
Schon wenige Wochen nach der Festnah-
me hatte Ghosn seinen japanischen Haupt-
anwalt ausgetauscht, der dem Vernehmen
nach als früherer Staatsanwalt eine den ja-
panischen Gepflogenheiten angepasstere
Verteidigung empfohlen hatte. Die aktuel-
le Verteidigung greift generelle Vorwürfe
auf, die manche japanische Juristen und
westliche Beobachter unter dem Stichwort
„Geiseljustiz“ dem Rechtssystem Japans
vorwerfen. Ghosn inszeniert sein Verfah-
ren so auch als Musterprozess.

joja.DÜSSELDORF, 24. Oktober. Die
Marktmacht von Plattformen steht der-
zeit besonders im Fokus. Zuletzt hatte
das Institut für Wirtschaft sogar eine Zer-
schlagung vonAmazon ins Spiel ge-
bracht. Der Handelsverband HDE, der
unter anderem Tausende Konkurrenten
des Online-Riesen aus Amerika vertritt,
steht dieser Ansicht kritisch gegenüber.
In einem Positionspapier zur Platt-
formökonomie, das der F.A.Z. exklusiv
vorliegt, befasst sich der Verband erst-
mals umfassend mit der Marktmacht der
großen Händler und den Folgen für all
jene Verkäufer, die sich und ihre Geschäf-
te am liebsten auch zu einem Plattform-
modell entwickeln wollen. „Wenn domi-
nante Plattformen ihre Marktmacht miss-
brauchen, muss das Kartellamt auch ein-
schreiten. Aber eine Forderung nach Zer-
schlagung ist Effekthascherei“, sagt Ste-
phan Tromp, der stellvertretende Haupt-
geschäftsführer des HDE. Händler, die
erfolgreich seien, weil sie ein Kundenbe-
dürfnis befriedigten, dürfe man nicht ein-
fach für ihren Erfolg bestrafen.
Ob Plattformen wie Amazon den Wett-
bewerb verzerren, wird derzeit sowohl
von der EU-Kommission als auch von
der amerikanischen Handelsbehörde
FTC untersucht. Das Bundeskartellamt
hatte im Juli ein Missbrauchsverfahren
eingestellt, weil sich Amazon dazu ver-

pflichtet hat, Verkäufer auf ihrem Han-
delsplatz, dem sogenannten „Marketpla-
ce“, besserzustellen.
„Es ergibt Sinn, dass etwa bei Amazon
der Handel und der Marktplatz getrennt
werden, damit andere Händler keinen
Nachteil haben“, sagt Tromp. Die Pflicht
für marktmächtige Unternehmen, Daten
mit Konkurrenten zu teilen, so wie sie
die Wettbewerbskommission 4.0 gefor-
dert hat, lehnt der HDE aber grundsätz-
lich ab. Eine Öffnung der Datenbestän-
de würde konkurrierenden kleinen Un-
ternehmen „Zugriff auf autonom gene-
rierte und geldwerte Datenbestände er-
möglichen und damit den Wettbewerb
verzerren“, schreibt der Verband.
Tromp führt als Beispiel die gesammel-
ten Kartendaten von Google an. Dieses
System sei mit großem Aufwand und ei-
genen Mitteln erarbeitet worden. „Das
sollen sie nun teilen? Das halte ich für
vermessen“, sagt Tromp. Eine Chemie-
Industrie würde schließlich auch protes-
tieren, wenn sie plötzlich ihre Formeln
offenlegen müsse. Gleichwohl müsse
man differenzieren: Händler hätten
durchaus ein Recht darauf, auch von
Plattformen Details zu ihren Kunden zu
erfahren, wenn sie mit ihnen Geschäfte
machen. Somit könne verhindert wer-
den, dass ein Datenschatz nur bei einer
mächtigen Plattform liege.( Kommentar
Seite 24.)

wvp.WASHINGTON,24. Oktober. Der
AutomobilkonzernTeslahat Anleger und
Analysten mit einem Gewinn und einem
gesteigerten Cashflow überrascht. Die
Zahlen fürs dritte Quartal geben Hinweise
darauf, dass das Unternehmen zwei der
großen Probleme angeht, die die Perspekti-
ve für Tesla bisher getrübt haben: Der
Quartalsgewinn in Höhe 143 Millionen
Dollar ist nicht höheren Umsätzen zu ver-
danken, sondern offenbar erfolgreicher
Kostensenkung. Das hatten die Analysten
nicht erwartet, sie hatten deshalb einen
Quartalsverlust prognostiziert. Die verbes-
serte Liquiditätslage mildert zudem die
Tesla-notorische Sorge, dem Unterneh-
men könnten bald die Mittel ausgehen.
Der Umsatz lag fürs Quartal bei 6,3 Milli-
arden Dollar. Abgesetzt wurden 97 000
Fahrzeuge und damit sogar etwas weniger
als erwartet. Auch das einverleibte Solar-
Geschäft zeigt Zeichen der Besserung.
Mit den positiven Geschäftszahlen setzt
sich Tesla vom AutokonzernFordab, der
den Anlegern am Mittwoch eine böse
Überraschung bereitete: Der Konzern hat
trotz höherem Quartalsergebnis die Ge-
winnerwartung für das ganze Jahr um 500
Millionen Dollar nach unten revidiert. Gra-


vierende Produktions- und Qualitätspro-
bleme lasten auf Ford. Das Unternehmen
befindet sich in der Restrukturierung des
globalen Geschäfts, das schwer unter Ver-
lusten in Europa und China leidet. In Ame-
rika drückt zudem wachsende Konkurrenz
für die Freizeit-Geländewagen und für Las-
tentransporter auf die Gewinnspannen.
Am Horizont drohen zudem Tarifverhand-
lungen mit der Autogewerkschaft UAW,
die die Produktion von General Motors
seit September mit Streiks lahmgelegt hat.
Am Freitag endet die Abstimmung über ei-
nen Kompromiss, den GM und die Ge-
werkschaft ausgehandelt haben. Er sieht
unter anderem hohe Einmalzahlungen für
GM-Mitarbeiter vor, die bereits Begehrlich-
keiten der Ford-Belegschaft geweckt ha-
ben. Der gewerkschaftliche Organisations-
grad ist bei Ford größer als bei GM.
Solche Probleme fechten Tesla bisher
nicht an: Die Gewerkschaft hat bisher kei-
nen Fuß in die Tür der Fabriken in Nevada
und Kalifornien bekommen. Unterschied-
liche Schicksale haben Tesla und Ford
auch in China. Ford hat dort im dritten
Quartal nicht nur 12 Prozent weniger Au-
tos verkauft als im Vergleichszeitraum des
Vorjahres, sondern auch einen Umsatz-

rückgang von 27 Prozent erlitten. Aller-
dings wurden die Verluste verringert.
Teslas Pläne für China dagegen haben
zum nachbörslichen Kursfeuerwerk beige-
tragen: Das Unternehmen hat es nach eige-
nen Angaben geschafft, seine neue Fabrik
Gigafactory 3 in Schanghai binnen 168 Ta-
gen nach Erteilung der Baugenehmigung
fertigzustellen. Tesla zeigte in seiner Prä-
sentation Bilder von ersten Produktions-
probeläufen für das Modell 3, das dort im
ersten Quartal 2020 oder sogar noch frü-
her vom Band gehen könnte. Nach Anga-
ben von Tesla war die Errichtung der Giga-
fabrik in China um 65 Prozent billiger als
in den Vereinigten Staaten. China ist nicht
nur der größte Automarkt der Welt, son-
dern auch der größte Markt für Elektroau-
tos. Peking gewährt für den Kauf eine Be-
freiung von der Umsatzsteuer in Höhe von
10 Prozent. Zudem ist Tesla als Marke
sehr begehrt, wie Vorbestellungen und
Marktforschung belegen. Die gute Startpo-
sition könnte Tesla vor allem gegen deut-
sche Wettbewerber helfen, die mit neuen
Elektromodellen und deutlich mehr Fi-
nanzkraft in den nächsten Monaten Tesla-
Modelle attackieren wollen. Positiv zur
Kenntnis nahmen die Anleger auch, dass

das neue Freizeit-Geländewagen-Modell
Y schon im Sommer vom Band kommen
könnte. Hoffnungen weckt zudem das Ge-
schäft in Amerika. Dort hat das letzte
Quartal begonnen, in dem Käufer von Tes-
la-Elektroautos noch eine Steuergut-
schrift bekommen. Das könnte die Käufe
noch einmal stimulieren. Tesla will im letz-
ten Quartal 2019 mehr als 100 000 Autos
bauen, im ganzen Jahr dann 360 000.
Mit Spannung wird weiter auf Teslas
Standortwahl für eine Fabrik in Europa ge-
wartet. Sie stehe kurz bevor, teilte das Un-
ternehmen mit. Deutschland darf sich
nach letzten Äußerungen aus dem Kon-
zern Chancen ausrechnen, allerdings nur,
wenn das Tesla-Management nicht for-
dert, dass die Inbetriebnahme so schnell
geht wie in China.
Die Tesla-Aktie eröffnete den Handel
am Donnerstag mit einem Wert von 298
Dollar, nachdem sie am Mittwoch am
Ende den Handelstag mit 255 Dollar ge-
schlossen hatte. Der Unternehmenswert
liegt bei 53 Milliarden Dollar. Ford ist da-
gegen knapp 35 Milliarden Dollar wert.
Die Diskrepanz ist bemerkenswert: Ford
baut rund 6,4 Millionen Autos im Jahr, Tes-
la weniger als eine halbe Million.

WOLFSBURG,24. Oktober. Für Ralf
Brandstätter, den Manager für das operati-
ve Geschäft der Marke VW, ist der neue
Golf „der progressivste aller Zeiten“. Er
wird vernetzt sein wie keiner seiner Vor-
gänger – sogar die heimische Alexa kann
integriert werden. Vor allem aber ist der
Golf 8 umweltfreundlicher als seine Vor-
gänger. „Der neue Golf ermöglicht den
Einstieg in eine breite Auswahl klima-
schonender Antriebstechnologien“, sagte
Volkswagen-Chef Herbert Diess am Don-
nerstagabend bei der Weltpremiere des
Golf 8 in der Autostadt in Wolfsburg. Bis
zu 20 Prozent weniger CO 2 stößt der Golf
8 im Vergleich zu seinem Vorgänger aus.
„Ein wichtiger Zwischenschritt, um un-
seren Anteil von 1 Prozent am weltweiten
CO 2 -Ausstoß bis 2050 auf null zu sen-
ken“, sagte Diess. Nach dem legendären
Käfer ist der VW Golf seit 1974 die Ikone
des Unternehmens, das für den Volumen-
markt unverzichtbare „Brot-und-Butter-
Modell“. Mehr als 35 Millionen Golf hat
VW seit der ersten Generation produ-
ziert, davon 26 Millionen im Stammwerk
in Wolfsburg.
Mit dem neuen Golf 8 bündelt Volkswa-
gen die gesamte Golf-Produktion wieder
im Hauptwerk. Nur in China wird das Er-
folgsmodell des Konzerns außerdem wei-
ter gebaut, der Golf 8 etwas später als in
Wolfsburg. „Allein in Wolfsburg arbeiten
8400 Mitarbeiter ausschließlich am
Golf“, sagte kürzlich der Produktionsvor-
stand der Marke VW, Andreas Tostmann.
Die Produktion des neuen Golf begann
im Sommer, sie wird derzeit langsam
hochgefahren. 450 000 Autos können im
Jahr in Wolfsburg produziert werden.
Insgesamt 1,8 Milliarden Euro hat VW
in die Entwicklung des neuen Modells in-
vestiert. Die Investitionen der Produktion
für den neuen Golf belaufen sich nach An-
gaben Tostmanns „auf einen mittleren
dreistelligen Millionen-Euro-Betrag“. Mit
der achten Generation will VW nicht nur
Maßstäbe beim vernetzten Auto, sondern
auch in der Produktion setzen. Der Golf
hat dabei eine zentrale Funktion in der Ef-
fizienzstrategie von VW-Chef Herbert
Diess. Das Vorgängermodell, der Golf 7,
der im September 2012 in der Neuen Na-


tionalgalerie in Berlin Weltpremiere hat-
te, führte im Konzern den sogenannten
Modularen Querbaukasten (MQB) als
Plattform auch für andere Volumenmodel-
le des Konzerns ein. Mit dem Baukasten-
system schafft es Volkswagen, die Kosten
zu senken, und baut gleichzeitig einheitli-
che technische Standards auf. Der Golf 8
knüpft daran an. VW hatte einen deutlich
niedrigeren Investitionsbedarf für den
Golf 8, weil er zur zweiten Generation
von MQB-Produkten zählt. „Im Karosse-
riebau konnten wir 80 Prozent unserer be-
stehenden Anlagen aufgrund unserer
MQB-Strategie für den Golf 8 nutzen“,
sagte Tostmann.
Aber schlanke Produktion ist nur die
eine Seite der Medaille. Der Golf 8 ist für
VW auch deswegen so wichtig, weil er als
Cashcow der zu Ende gehenden Verbren-
nerwelt die Risiken der Wende zur Elek-
tromobilität abfangen soll. Beim Golf 8
soll es neben Benziner-, Diesel-, und Erd-
gasmotoren keinen reinen Elektroantrieb
mehr geben, sondern nur Hybridantrie-
be, bei denen ein Elektromotor die Ver-
brenner unterstützt und so rund 10 Pro-
zent Ersparnis beim Verbrauch und nied-

rigere CO 2 -Werte bringen soll. Der Golf
8 soll so den Start des ID.3, des ersten rei-
nen Elektroautos von VW, flankieren.
Den ID.3 wollen Diess und der operative
Vorstand der Marke, Ralf Brandstätter,
nach dem Käfer und dem Golf zur neuen
Ikone von VW für das Elektrozeitalter ma-
chen. Produktionsstart für den I.D. soll in
zwei Wochen im sächsischen Zwickau
sein. „Die Produkteinführung der kom-
menden Golf-Generation ist neben der
ID.-Familie die strategisch bedeutsams-
te“, hatte Brandstätter kürzlich gesagt.
Wenn die ID-Serie im November im umge-
bauten Werk Zwickau in die Produktion
geht, steht für VW viel auf dem Spiel. Das
Unternehmen investiert Milliarden in die
Elektromobilität. Es ist eine Wette auf die
Zukunft, denn eine hinreichend hohe
Nachfrage ist dabei noch nicht ausge-
macht, auch wenn VW angesichts erster
Vorbestellungen und der Reaktionen der
Händler seine Produktionsplanungen be-
reits erhöht hat.
Viel wird davon abhängen, ob die Bun-
desregierung E-Mobilität stärker subven-
tionieren wird und ob es gelingt, den Kun-
den die immer noch weitverbreitete Lade-

angst zu nehmen. Der Golf soll neben
den erfolgreichen und renditestarken
SUVs als wichtigstes Massenmodell da-
her eine verlässliche Stütze für das klassi-
sche Hauptgeschäft von VW bleiben.
„Aus unserer Sicht ergänzen sich diese
Produkte“, sagte Brandstätter zum Neben-
einander von ID.3 und Golf 8. Wo der
Golf 8 für die alte Welt der Verbrenner
und der ID.3 für neue Elektrowelt steht,
sollen beide bei der Digitalisierung, beim
vernetzten Auto nebeneinander die Zu-
kunft der Branche einläuten. Diess
sprach davon, im Volumensegment bei
der Vernetzung des Autos neue Maßstäbe
setzen zu wollen. „Der neue Golf treibt
mit seinen intelligenten Assistenzsyste-
men das teilautonome Fahren deutlich
voran“, sagte Diess. „Er hat den Bedien-
komfort eines Tablets auf Rädern.“. Auch
mit Alexa im smarten Zuhause sollen die
Kunden mit dem neuen Golf kommunizie-
ren können. Einfach waren diese ersten
Schritte auf dem Weg zum softwaregetrie-
benen Automobilunternehmen allerdings
nicht. Der Erstumfang an Online-Funktio-
nalitäten ließ sich nicht so leicht aufbau-
en, wie es die Planer erwartet hatten.

joja.DÜSSELDORF,24. Oktober. Der
ElektronikhändlerCeconomy, zu dem
die Kaufhausketten Media-Markt und
Saturn gehören, hat seine Anleger mit
einem optimistischeren Ausblick über-
rascht. Das Unternehmen erwartet ein
operatives Ergebnis auf Vorjahresni-
veau, während es zuvor mit einem leich-
ten Rückgang gerechnet hatte. Der Um-
schwung liegt maßgeblich an einer bes-
seren Geschäftsentwicklung in Spa-
nien, Italien und Deutschland im vier-
ten Quartal. Die zuletzt stark gebeutel-
te Aktie legte darauf am Donnerstag
zeitweilig mehr als 5 Prozent zu und lag
im Tagesverlauf noch gut 2,5 Prozent
im Plus. Auch Analysten lobten, dass
sich das Geschäft stabilisiert habe.Ce-
conomybefindet sich in einem Strate-
giewandel. Im Online-Handel hat Ceco-
nomy den vorläufigen Zahlen zufolge
um 13 Prozent zugelegt. Insgesamt ist
der Anteil des Geschäfts im Netz mit
13,7 Prozent des Gesamtumsatzes aber
noch recht gering. Hinzu kommt, dass
im ausgewiesenen Umsatz von 2,9 Milli-
arden Euro fast die Hälfte aller Bestel-
lungen im Markt abgeholt werden. Ins-
gesamt beträgt der Umsatz im Ge-
schäftsjahr 2018/2019 rund 21,5 Milliar-
den Euro.

Ghosn wirft Staatsanwaltschaft illegale Ermittlungen vor


Verteidigung des ehemaligen Chefs von Renault, Nissan und Mitsubishi fordert Einstellung der Anklage


F.A.Z.FRANKFURT, 24. Oktober. Der
FahrradherstellerKettler Alu-Radsetzt
auf Produkte „Made in Germany“. Das
Unternehmen gilt als Pionier der Leicht-
bauweise und stellt seine Räder im Saar-
land her. Verwirrung war aufgekommen,
als vor wenigen Tagen die Nachricht von
der Insolvenz der Kettler-Gruppe (beste-
hend aus zwei GmbHs) bekanntwurde,
was die Schließung der deutschen Werke
und die sofortige Freistellung von 400 Mit-
arbeitern zur Folge hatte. Der Insolvenz-
verwalter wurde in Agenturberichten mit
der Aussage zitiert, dass es Kettler wie bis-
her künftig nicht mehr geben werde. Dies
bezog sich jedoch lediglich auf die betrof-
fenen Gesellschaften, die unter anderem
die berühmten Kettcar-Fahrzeuge für Kin-
der produzieren. Davon nicht betroffen
ist ausdrücklich die Kettler Alu-Rad
GmbH, die schon im Jahr 2015 von der
Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft
(ZEG) übernommen worden ist und seit-
dem nur noch über den Namen mit den al-
ten Schwestergesellschaften verbunden
ist. Heinz Kettler hatte das ursprüngliche
Unternehmen 1949 im sauerländischen
Parsit gegründet und zu späterer Blüte ge-
führt. In den 2000er Jahren nahmen die
wirtschaftlichen Probleme zu und führ-
ten 2015 erstmals in die Insolvenz.

sup.DITZINGEN, 24. Oktober.Die
Krise hat sich fürTrumpfschon vor ei-
nem Jahr angedeutet, jetzt ist sie da. Der
Auftragseingang geht seit einem Jahr zu-
rück. Obwohl das Geschäftsjahr
2018/2019 noch gut startete, stand am
Ende, am 30. Juni, ein Minus von 3,1 Pro-
zent unter der Summe der Aufträge, und
die Dynamik hat seither zugenommen –
mit einem Minus von 10 Prozent im ers-
ten Quartal des neuen Geschäftsjahres.
Entsprechend pessimistisch zeigte sich
Nicola Leibinger-Kammüller, die Vorsit-
zende der Trumpf-Geschäftsführung, für
die nächste Zeit. Umsatz und Ergebnis
werden zurückgehen, „und wir glauben,
dass dies bis 2021 so bleiben könnte und
erst dann mit einer Erholung zu rechnen
ist“, sagte sie bei der Jahrespressekonfe-
renz am Stammsitz von Trumpf in Ditzin-
gen bei Stuttgart. Im Gegensatz zur ver-
gangenen Wirtschaftskrise vor gut zehn
Jahren, die durch einen scharfen Rück-
gang und einen anschließenden
schwungvollen Aufschwung gekenn-
zeichnet war, erwarte sie jetzt einen mo-
deraten Abschwung, der aber länger an-
dauert, „was keinesfalls besser ist“, wie
Leibinger-Kammüller nachschob.
Ursache der jetzigen Krise sei neben
der Verunsicherung vor allem kleinerer
Kunden durch die schwelenden Handels-
streitigkeiten auch die Transformation
der Autoindustrie. Zwar ist nur ein Fünf-
tel des Trumpf-Umsatzes unmittelbar
von der Autobranche abhängig, mittel-
bar aber ist die Wirkung viel größer,
weil wiederum viele Trumpf-Kunden
Blechteile bearbeiten, die schlussend-
lich auch im Auto verbaut werden, erläu-
terte die Trumpf-Chefin den Zusammen-
hang. Für die Zukunft sehe man im Wan-
del der Autobranche aber durchaus eine
Chance, betonte ihr Bruder Peter Leibin-
ger: „Alle Elektroauto-Batterien wer-
den mit Hilfe von Lasern hergestellt, die
meisten mit unseren.“
Verantwortlich für den aktuellen Ab-
wärtstrend ist bei Trumpf zudem das
China-Geschäft, wo zunehmend lokale
Anbieter preiswerter Laser und Werk-
zeugmaschinen präsent sind. Unterm
Strich steht für Trumpf ein Minus von 9
Prozent auf 415 Millionen Euro Umsatz,
und seit dem Sommer geht es mit den
Aufträgen noch stärker abwärts.China,

für viele Industrieunternehmen der
wichtigste Absatzmarkt überhaupt, ran-
giert für Trumpf damit nur auf Rang
vier nach Deutschland (mit stabil 721
Millionen Euro Umsatz), den Vereinig-
ten Staaten (plus 23 Prozent auf 547 Mil-
lionen Euro Umsatz) und den Niederlan-
den (460 Millionen Euro). Insgesamt
steigerte Trumpf den Umsatz immerhin
noch um gut 6 Prozent auf 3,8 Milliar-
den Euro, während der Auftragsein-
gang um mehr als 3 Prozent auf 3,68 Mil-
liarden Euro zurückging.
Als Reaktion auf die Krise hat Trumpf
einen Einstellungsstopp verhängt. An-
sonsten greifen vielfältige Flexibilisie-
rungsinstrumente, die Trumpf mit der Be-
legschaft vereinbart hat. Noch sind die
Arbeitszeitkonten voll, heißt es, Kurzar-
beit ist deswegen noch kein Thema.
Trumpf hat die Belegschaft im vergange-
nen Geschäftsjahr noch um 8 Prozent auf
14 490 Mitarbeiter aufgestockt, davon wa-
ren 6800 in Deutschland beschäftigt. Den
Mitarbeiteraufbau nannte Nicola Leibin-
ger-Kammüller neben hohen Investitio-
nen in neue Gebäude als eine Ursache
für den erheblichen Gewinnrückgang,
den Trumpf verbuchte. Das Ergebnis vor
Zinsen und Steuern (Ebit) sackte um 34
Prozent auf 349 Millionen Euro ab. Die
Umsatzrendite ging somit von 15 Prozent
auf 9,2 Prozent zurück.
Ungeachtet der angespannten Situati-
on habe Trumpf beschlossen, Millionen
in den Klimaschutz zu investieren, be-
richtete Leibinger-Kammüller. In den
nächsten zwei Jahren stecke man 6,4
Millionen Euro in die Verbesserung der
Energieeffizienz und die eigene klima-
freundliche Erzeugung von Strom. Kurz-
fristig wolle man durch den Kauf von
Ausgleichszertifikaten für eine bilan-
ziell CO 2 -neutrale Produktion schon
bis Ende 2020 sorgen.
Den größeren Hebel in Sachen Klima-
schutz sieht Trumpf allerdings bei den ei-
genen Produkten. Als Beispiel für die
schon erzielte Effizienz-Verbesserung
verwies Leibinger-Kammüller auf eine
Laserschneidmaschine, die in ihrer mo-
dernen Variante nur 70 000 Kilowatt-
stunden Strom pro Jahr brauche, wäh-
rend die entsprechende Maschine vor
zehn Jahren noch 250 000 Kilowattstun-
den Strom verbraucht habe.

Die VW-Ikone Golf wird digital


Hoffnungsträger:der neue Golf 8 Foto Volkswagen


Ceconomy zeigt sich


besser als erwartet


Handelsverband gegen


Zerschlagung von Amazon


Plattformen sollen aber genau untersucht werden


Kettler setzt auf Räder


aus Deutschland


Trumpf erwartet Erholung 2021


Laser-Spezialist spürt neue Konkurrenz in China


Tesla überrascht mit Kostensenkung


Aktionäre begeistert / Konkurrent Ford enttäuscht dagegen die Anleger mit gesenkter Gewinnerwartung


Weltpremiere des VW Golf 8


in Wolfsburg: Neben das


45 Jahre alte Flaggschiff der


Verbrennerwelt von VW


tritt nach 45 Jahren Golf als


geplante neue Ikone


schon bald der ID.3.


Von Carsten Germis

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