Focus - 12.10.2019

(Ron) #1
Sankt Petersburg

Flughafen Pulkowo

10 km

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LEBEN

Fotos: laif, mauritius images/Catriona Bass Russian Images/Alamy

126 FOCUS 42/2019

eder kennt diese Städte, die
man schon immer mal besu-
chen wollte, es aber aus uner-
klärlichen Gründen bisher nicht
geschafft hat. Sankt Petersburg
gehört dazu. Zumindest kennt
jeder jemanden, der schon ein-
mal da war und Wundersames
zu berichten weiß: von der architekto-
nischen und künstlerischen Pracht der
Stadt, die es mit Paris oder Amsterdam
aufnehmen kann. Vom Sowjet-Charme,
der sich in vielen Winkeln und Geschäf-
ten hartnäckig hält.
Während Moskau das ökonomische
und politische Zentrum ist, wo die Men-
schen dem Geld, der Macht oder bei-
dem hinterherjagen, gilt die Metropole
am Newa-Fluss als die Kulturhauptstadt
des Landes. Angenehm frei von russi-
schem Bling-Bling. Denn immerhin ist
dies eine Universitätsstadt; und die vielen
und vor allem gut besuchten Buchläden
zeugen davon, dass man hier den Geist
mindestens ebenso zu schätzen weiß wie
die Oberfläche.
Nun sind Kopfmenschen bekanntlich
auch Sinnesfreuden nicht abgeneigt. Kein
Wunder also, dass Sankt Petersburg wie
jede ernst zu nehmende Großstadt eine
lebendige und reizvolle Gastro-Szene eta-
bliert hat. Die russische Küche wird in
vielen Restaurants von jungen, ambitio-
nierten Chefs modernisiert und verfeinert.
Wo Sanktionen und Embargo westeuro-
päische Delikatessen weitgehend von den

Speisekarten gefegt haben, besinnt man
sich voller Stolz auf die Raffinesse der lan-
deseigenen Produkte. Dazu gesellen sich
spannende israelische, georgische und
japanische Lokale.
Das Nachtleben wiederum erinnert an
das Berlin der neunziger Jahre. In teil-
weise baufälligen Clubs toben sich Men-
schen zu elektronischer Musik aus, die
zwar irgendwie ungesund, aber dennoch
erstaunlich attraktiv aussehen.
Seit Anfang Oktober gibt es nun
wirklich gar keine Ausrede mehr, sich
nicht nach Nordosten aufzumachen.
Ein Visum für acht Tage kann man ab
sofort unkompliziert und gebührenfrei
online beantragen (http://electronic-vi-
sa.kdmid.ru). Zwar darf man das Stadt-
gebiet in diesem Zeitraum nicht verlas-
sen. Aber dafür gibt es ja auch keinen
vernünftigen Grund.


  1. Tag, Vormittag
    Die Versuchung ist groß, sich gleich in
    die zahlreichen Museen der Stadt zu
    stürzen. Aber bleiben Sie stattdessen erst
    mal in der Gegenwart, und besuchen Sie
    die Aussichtsplattform der Isaakskathe-
    drale. Von dort aus hat man einen herr-
    lichen Überblick über den Ist-Zustand
    Sankt Petersburgs.
    Spätestens dann fällt auf, dass die
    Stadt von Kanälen durchzogen ist. Zar
    Peter der Große errichtete die Innenstadt
    einst nach dem Vorbild Amsterdams. Um
    diesen Eindruck auszukosten, wandeln


Sie am Ufer des nahe gelegenen Moika-
Flusses Richtung Norden. Überqueren
Sie ruhig die ein oder andere Brücke, und
inspizieren Sie die Hinterhöfe. Obwohl
viele der Häuser renoviert wurden, ist
der Geist von Dostojewski und Pusch-
kin, die in der Stadt gelebt haben und
deren Romane teilweise hier spielen,
noch immer lebendig. Im Winter, wenn
die Wasserläufe zufrieren, spaziert man
einfach auf den zugefrorenen Kanälen.
Viele Sankt Petersburger finden, dies sei
die schönste Zeit des Jahres.


  1. Tag, Mittag
    Zum Mittagessen können Sie in eines
    der vorzüglichen asiatischen Restaurants
    einkehren. „King Pong“ und „Made in
    China“ befinden sich in der Nähe des
    bekanntesten Museums, der Eremitage.
    Genau genommen handelt es sich bei
    der „Einsiedelei“, so die Übersetzung
    des Namens, um ein ganzes Gebäu-
    de-Ensemble unterschiedlicher Epo-
    chen und Stilrichtungen. Es lohnt sich
    in jedem Fall, vorher zu überlegen, was
    Sie dort anschauen möchten. Bestellen
    Sie die Tickets am besten online, und
    akzeptieren Sie die Tatsache, dass Sie
    es eh nicht schaffen werden, alles zu
    sehen. Denn das Museum zeigt weit
    mehr als 60 000 Exponate in 350 Räu-
    men, darunter Werke von Rembrandt,
    Rubens, Matisse oder Gauguin. Am
    besten, Sie buchen – ebenfalls online –
    vorab eine Führung.


Kollektiv zur Party
Spätabends öffnen sich die
Klappbrücken über der Newa –
während der Weißen Nächte
im Frühsommer feiert die
Stadt fast rund um die Uhr

J J

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