START-UP
Das sind die Fintech-Schwergewichte in Europa
Pieter van der Does
CEO des Zahlungsdienst-
leisters Adyen
Ein Unternehmen, das
niemand kennt und den-
noch Milliarden wert ist:
Die niederländische Firma
Adyen wickelt Zahlungen
für Kunden wie Netflix,
Uber und Spotify ab. Mitte
2018 legte Adyen ein ful-
minantes Börsendebüt in
Amsterdam hin. Aktuell
wird der Zahlungsdienst-
leister mit knapp 20 Mil-
liarden Euro bewertet.
Kristo Käärmann
Mitgründer der Plattform
Transferwise
Auslandsüberweisungen
effizienter, schneller und
günstiger machen – das
war bereits ihr Ziel, als der
Estländer Käärmann und
sein Freund Taavet Hinri-
kus ihr Fintech Transfer-
wise vor acht Jahren
gründeten. Inzwischen
gehört das Unternehmen
mit einer Bewertung von
3,5 Milliarden Dollar zu
den größten der Branche.
Samir Desai
leitet das Londoner Unter-
nehmen Funding Circle
Diese Plattform bringt
Anleger und Unterneh-
mer zusammen: Funding
Circle leiht kleinen und
mittleren Unternehmen
Geld, das von privaten und
institutionellen Anlegern
stammt. Die Plattform ist
seit Oktober 2018 an der
Londoner Börse notiert
und hat bereits mehr als
72 000 Unternehmen
unterstützt.
Ismail Ahmed
CEO des Geldtransfer-
diensts WorldRemit
Ein Online-Geldtransfer
für Freunde und Familie
im Ausland – den brauch-
te der Gründer selbst, als
er während seines Stu-
diums in London Geld
an Familienmitglieder in
Afrika senden wollte, und
schuf ihn im Jahr 2010
deshalb kurzerhand
selbst. Inzwischen soll das
Unternehmen rund 900
Millionen Dollar wert sein.
Valentin Stalf
Gründer der deutschen
Online-Bank N26
Die Berliner Online-Bank
bietet Kontoführung per
Smartphone und will
damit in weniger als zehn
Jahren die erfolgreichste
Bank in Deutschland wer-
den. Dieser Wertzuwachs
scheint durchaus möglich
zu sein: N26 wurde zuletzt
mit 3,1 Milliarden Euro
bewertet und hat über
3,5 Millionen Kunden in
26 Ländern.
gen den globalen Geldverkehr regeln.
Eine Vision, die auch erschrecken kann.
Seit Mai 2018 sind bei der schwedi-
schen Datenschutzbehörde etwa 130 Be-
schwerden aus ganz Europa über Klar-
na eingegangen. Wichtigster Punkt der
Anzeigen, so teilt die Behörde mit, sei
die Frage, welche Daten die Firma erhebe
und wie lange sie diese speichere.
Das Amt prüft den Fall. Siemiatkowski
gibt sich gelassen. „Klarna hat schon so
manche Herausforderung überwunden“,
sagt er. Was ihn antreibe, sei die Reise.
Die Idee kam beim Pommesfrittieren
Eine Reise, die für Siemiatkowski nicht
immer einfach war. Der Sohn polnischer
Einwanderer ist ein Mann der Extreme.
Extrem ehrgeizig. Extrem diszipliniert.
Extrem anfällig? „Ich neige dazu, mich
Dingen vollkommen hinzugeben.“ So
müsse sich der dreifache Vater selbst
immer wieder zwingen, nach Hause zu
gehen und mal abzuschalten.
Süchtig nach Arbeit ist Siemiatkows ki
noch immer, süchtig nach Alkohol hin-
gegen nicht mehr. Seit sieben Jahren
hat Siemiatkowski keinen Schluck mehr
getrunken. „Wenn ich damals so wei-
tergemacht hätte, wäre ich nicht mehr
so leistungsstark gewesen“, resümiert
er und fährt sich durch die dunkelblon-
den Haare. Siemiatkowski trägt keine
Luxusuhr. Wenn er verlegen ist, dreht er
an seinem schlichten Ehering. Die Bot-
schaft, die er vorleben will: Authentizi-
tät und Transparenz. Sowohl privat als
auch beruflich. Das schwedische Wort für
Transparenz: Klarna.
Siemiatkowskis Vater war Taxifahrer,
seine Mutter ging in Frührente. „Ich erin-
nere mich noch genau daran, wie es war,
als ich mir nicht mal einen Schokoriegel
leisten konnte“, sagt der Mann, der heute
das nach eigenen Angaben sechstwert-
vollste Fintech der Welt leitet.
Die Idee zu Klarna kam Siemiatkowski,
während er als Aushilfe bei Burger King
Pommes frittierte. Gemeinsam mit zwei
Studienkollegen, die er an der Stockholm
School of Economics kennenlernte, grün-
dete er als 23-Jähriger Klarna, damals
noch unter dem Namen Kreditor. Keiner
der drei Gründer hatte nennenswerte
Erfahrungen im Finanzbereich. Genau
das war wohl ihr Vorteil: Sie dachten
anders als traditionelle Banker, hatten
innovative Ideen und eine große Portion
Mut und Naivität. Die drei erleichterten
Online-Zahlungen zu einer Zeit, in der
Shopping im Netz noch als riskant und
frustrierend galt.
Bereits nach sechs Monaten war das
Unternehmen profitabel. Eine beachtli-
che Leistung im Vergleich zu Start-ups
wie Uber, die zum Teil jahrelang im roten
Bereich agierten.
Doch auch Klarna hatte zu kämpfen.
„Ich könnte ein ganzes Buch darüber
schreiben, was am Anfang alles schief-
ging“, erinnert sich Siemiatkowski. Sys-
teme stürzten ab, Mitarbeiter versag-
ten, Kunden klagten, dass Mahnungen
zu früh oder ohne Vorwarnung kamen.
In den Online-Foren häuften sich die
Beschwerden. Klarna überarbeitete und
vereinfachte den Bezahlprozess.
Auf die Frage nach seinen weiteren
Zielen antwortet Siemiatkowski ohne
Ausweichen und ohne jede Scheu. Sei-
ne Firma Klarna gehöre irgendwann auf
eine Stufe mit den größten Unternehmen
der Welt. Auf eine Stufe mit Giganten wie
Google und Amazon. „Ich habe nichts
gegen die traditionellen Banken, aber mir
ist klar, dass das, was ich tue, das Ende
ihrer Existenz bedeuten kann.“ n
FOCUS 42/2019 73