Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 20.10.2019

(Barré) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 20. OKTOBER 2019, NR. 42 wohnen 55


Mein Lieblingsstück
habe ich von meinen
Eltern zur Hochzeit ge-
schenkt bekommen. Es
ist eine große Karaffe,
die aussieht wie eine
riesige Teekanne. In
der Türkei auf dem
Land sah man diese verzierten Karaffen
früher oft, sie wurden zum Händewa-
schen benutzt, wo es kein fließendes
Wasser gab. Bei mir ist die Karaffe aller-
dings nur Deko, sie steht bei uns im
Wintergarten.
Ich hänge so an ihr, weil sie mich an
meine Großmutter erinnert. Sie wohnte
in einem kleinen Dorf in Anatolien, und
als Kinder haben wir sie in den Ferien
häufig besucht. Dort sah es natürlich
ganz anders aus als bei uns zu Hause,
und meine Geschwister und mich hat
das total fasziniert. Mir hatte es das Bad
am meisten angetan: Das war ein ganz
normaler Raum, ohne fließendes Was-

ser. In diesem kleinen Raum war es im-
mer dunkel und wahnsinnig heiß und sti-
ckig. Wenn wir baden sollten, hat meine
Oma auf dem Heizofen Wasser er-
wärmt. Das heiße Wasser wurde dann
mit kaltem gemischt, bis es die richtige
Temperatur hatte. Zum Waschen gab es
verschiedene Schüsseln in unterschiedli-
chen Größen aus Metall. Meine Ge-
schwister und ich haben uns immer ei-
nen Spaß daraus gemacht, uns gegensei-
tig mit Wasser zu übergießen, eine richti-
ge Dusche gab es ja nicht. Diese Schüs-
seln habe ich geerbt, sie sind mittlerweile
ganz alt und verbeult. Einige dienen
auch als Deko im Gästezimmer, andere
haben eine neue Verwendung gefunden:
Anstatt Wasser sind jetzt die Legosteine
meiner Kinder darin.
Nazan Eckes ist Fernsehmoderatorin und lebt in Köln.
Protokoll: Judith Lembke
Eine Auswahl der Kolumnenbeiträge ist unter dem Titel
„Mein Lieblingsstück“ bei Busse Seewald erschienen.

DIE


KARAFFE
VON NAZAN ECKES

MEIN LIEBLINGSSTÜCK


E


ine genaue Adresse braucht
Buyiselo, Uber-Fahrer in Jo-
hannesburg, nicht. „Dieser
neue Wolkenkratzer“ reicht
ihm als Angabe. Der sei ohne-
hin von überall zu sehen, meint er, bei gu-
ter Sicht sogar aus dem 55 Kilometer ent-
fernten Pretoria. Ob er ihm gefalle? Kei-
ne Ahnung. Aber hoch sei er auf jeden
Fall. „Eish, ist das ein großes Gebäude!“
In Afrika gibt es einen neuen Spitzen-
reiter unter den Hochhäusern, zum ers-
ten Mal seit mehr als 40 Jahren. „Leonar-
do“ heißt der 234 Meter hohe Turm, er
steht im Vorort Sandton – dem Finanz-
zentrum Südafrikas – und ist elf Meter
höher als der bisherige Rekordhalter, das
aus den siebziger Jahren stammende
Carlton Centre in der Innenstadt.
Im Wettrennen um die höchsten
Hochhäuser der Welt liegen afrikanische
Länder zwar nicht auf den vordersten
Plätzen. Der Burj Khalifa in Dubai, das
höchste Gebäude der Welt, ist dreiein-
halbmal so hoch wie der südafrikanische
Neuzugang, der Commerzbank-Turm in
Frankfurt ist 25 Meter höher. Die Faszina-
tion für Wolkenkratzer besteht aber
auch in Afrika. Er würde gerne wissen,
wie lange die Liftfahrt bis ganz oben dau-
ere, sagt Buyiselo bei der Ankunft. Ob
man den Lift auf dem Weg wechseln
müsse? Und ob der Ausblick von da
oben wirklich so spektakulär sei?
Der Leonardo-Turm liegt in einer für
einen Finanzdistrikt ruhigen und mit
Bäumen gesäumten Straße. Auf der ge-
genüberliegenden Straßenseite bauen
Straßenhändler ihre Stände mit traditio-
nellen afrikanischen Holzfiguren auf.
Ein paar Meter entfernt befinden sich
die Johannesburger Börse und die Nie-
derlassungen der Deutschen Bank und
der HSBC-Bank. Noch ist „75 on Mau-
de“, so lautet die korrekte Adresse, eine
Großbaustelle. Mehrere tausend Arbei-
ter sind rund um die Uhr im Einsatz. Im
November soll der Turm feierlich eröff-
net werden.
Sandton, zehn Kilometer nördlich
von Johannesburgs Innenstadt, wird
auch als die „reichste Quadratmeile“ in
Afrika bezeichnet. Viele, die in Südafri-
kas Wirtschaftsleben Rang und Namen
haben, wohnen dort, insbesondere die
neue schwarze Mittel- und Oberschicht
des Landes. Es gibt schicke Bars, edle
Restaurants und teure Geschäfte. Das
Einkaufszentrum Sandton City, in des-
sen Mitte eine übermannsgroße Bronze-
Statue von Nelson Mandela steht, ist so
bekannt, dass Kinder im Kindergarten
ein Lied über „Shopping in Sandton
City“ trällern.
Noch vor 50 Jahren zogen weiße Jo-
hannesburger in die Gegend, um dem
Stadttrubel zu entkommen. Spötter spra-
chen von einem „Mink and Manure“-
Gürtel (Nerz und Mist), denn die Be-
wohner hatten Geld und Pferde. Erst in
den siebziger und achtziger Jahren wan-
delte sich Sandton zum Finanzzentrum.
Die Pferdekoppeln verschwanden. An ih-
rer Stelle tauchten Hochhäuser mit glän-

zenden Fassaden und teils verwegener Ar-
chitektur auf.
Das bisher größte Hochhaus auf dem
Kontinent hingegen befindet sich im al-
ten Wirtschafts- und Finanzzentrum des
Landes, in Johannesburgs Central Busi-
ness District (CBD). Dort begann vor
etwa 130 Jahren die Geschichte der
„Stadt des Goldes“. Glücksritter und rei-
che „Rand Lords“ trafen sich dereinst in
britischen Clubs und verteilten die Bo-
denschätze des Landes untereinander.
Das Carlton Centre, fast eine Kopie des
zur gleichen Zeit fertiggestellten One Se-
neca Tower in Buffalo im Staat New
York, wurde Anfang der siebziger Jahre
gebaut. Wie der Leonardo befand es sich
in der Nähe des damaligen Sitzes der
Börse. Es hat 50 Stockwerke, ist 223 Me-
ter hoch und beherbergte eine Zeitlang
ein Luxushotel, in dem Prominente wie
Whitney Houston abstiegen.
Doch diese Zeiten liegen lange zu-
rück. Große Teile der Johannesburger In-
nenstadt sind mittlerweile herunterge-
kommen, frühere Büro- und Wohnge-
bäude stehen leer oder sind illegal be-
setzt. Der Bürgermeister Herman Masha-
ba kämpft gegen Kriminalität, Gewalt
und Unruhen. Auch das Carlton Centre
trotzte dem Niedergang nicht. Es ist
zwar immer noch als Touristenattraktion
auf Stadtplänen vermerkt, doch Besu-
cher zieht es vor allem auf die Aussichts-
plattform auf dem Dach. Der Bau ge-
hört heute dem Staatsbetrieb Transnet,
der ihn vor einigen Jahren verkaufen
wollte, aber keinen Käufer fand.
So ist es wohl nur eine Frage der Zeit
gewesen, bis das Carlton Centre von ei-
nem Turm in Sandton übertrumpft wur-
de. Kritische Stimmen gibt es an dem 3
Milliarden Rand (180 Millionen Euro)
teuren Leonardo-Projekt trotzdem,
denn Südafrikas Wirtschaft lahmt und ei-
gentlich wäre erschwinglicher Wohn-
raum für die breite Bevölkerung nötig.
Eine Passantin auf der Maude Street
spricht von einem Prestigeprojekt. „Als
ob es in Südafrika nichts Wichtigeres
gibt, als ein weiteres Luxushochhaus zu
bauen und einen neuen Hochhausrekord
zu setzen.“ Tatsächlich besteht in Sand-
ton ein Überangebot an Büroräumen,
auch der zunehmende Verkehr ist ein
Problem.
Gijs Foden sieht das anders. Er ist bei
der Legacy Group, dem Leonardo-Pro-
jekt-Entwickler, für Verkäufe und Ver-
mietungen zuständig und führt kurz vor
der Eröffnung begeistert Investoren
durch das Hochhaus. Das von seinem
Onkel geführte Unternehmen hat sich
schon mit anderen Sandton-Wahrzei-
chen einen Namen gemacht wie den Mi-
chelangelo Towers oder dem Da-Vinci-
Hotel. Leonardo sei jetzt der nächste
Streich, sagt Foden. Er solle ein „afrikani-
sches Kunstwerk“ sein und eine Immobi-
lie, wie sie auch in New Yorks Fifth Ave-
nue stehen könnte. Vorgesehen ist eine
Mischnutzung: ein Sechs-Sterne-Hotel,
Apartments, Penthouse-Wohnungen und
7500 Quadratmeter Büroflächen.

Innen lässt sich trotz des laufenden
Baubetriebs erahnen, wie der Leonardo
einmal aussehen wird. Der Boden im
Eingangsbereich ist mit Marmorfliesen
aus Namibia belegt, monumentale Kunst-
werke afrikanischer Künstler bedecken
halb verhüllt die Wände, und über dem
25 Meter langen Schwimmbecken im 7.
Stock hängt der Rahmen für einen riesi-
gen Bildschirm. Gäste der „Octo-Bar“
sollen später mit Sportübertragungen
und Filmen unterhalten werden, wäh-
rend sich ihre Sprösslinge in einer Krip-
pe vergnügen können.
Ein Immobilienprojekt dieser Größe
ist freilich kein risikofreies Unterfangen.
Vor sieben Jahren begannen die Planun-
gen, fünf Jahre lang wurde gebaut. In die-
ser Zeit gingen in Südafrika mehrere
Male Rezessionssorgen um, das Land
wurde von Korruptionsskandalen gebeu-
telt, und die Währung schwankte stark.
Man habe daher nicht von Anfang an das
höchste Hochhaus in Afrika bauen wol-
len, sagt Foden. Zwar wurde das Funda-
ment für 57 Stockwerke gelegt, doch zu-
nächst habe man mit 33 Stockwerken be-
gonnen. Als sich die Nachfrage als ro-
bust erwies, wurde sukzessive aufge-
stockt, bis die Entscheidung fiel, den
Afrika-Rekord zu brechen. Nun befin-
den sich in den obersten Etagen acht
Penthouse-Wohnungen und darüber die
Leonardo-Suite mit mehr als 3300 Qua-
dratmetern, von denen 1300 Quadratme-
ter für Dachgarten, Terrasse und ein eige-
nes Schwimmbad vorgesehen sind.
Die Rechnung ging offenkundig auf:
90 Prozent der Wohnungen und Büroflä-
chen sind verkauft, der Quadratmeter-
preis liegt bei – für südafrikanische Ver-
hältnisse beträchtlichen – 75 000 bis
90 000 Rand (4600 bis 5500 Euro). Süd-
afrika sei weiterhin das Sprungbrett in
den restlichen Kontinent, sagt Foden.
Viele Geschäftsleute suchten sich eine
Wohnung in Sandton, von wo sie mit
dem Schnellzug Gautrain in kürzester
Zeit zum Johannesburger Flughafen
oder in die Hauptstadt Pretoria gelangen
können. Etliche Käufer stammten aus
dem Ausland, überwiegend aber seien es
Südafrikaner.
Der neue Turm ist ein Symbol dafür,
dass sich in Südafrika die Wohngepflo-
genheiten wandeln. Noch vor gut zehn
Jahren zogen Besserverdiener und auslän-
dische Entsandte in Villen mit weiten Ra-
senflächen, Schwimmbädern und Tennis-

plätzen. Vor allem die jüngere Generati-
on aber scheut heute die Mühen, die sol-
che Anwesen mit sich bringen. Nicht
nur in Sandton, sondern auch in Kap-
stadt gelten Apartments oder Mikro-
Apartments als der große Renner, Mak-
ler werben mit der Aussicht auf einen
„Lock-up and go“-Lebensstil.
Zusätzlich spielt der Sicherheitsaspekt
eine Rolle. Mit der zunehmenden Krimi-
nalität wurden die Mauern und die Elek-
trozäune um die alten Villen herum hö-
her und höher. Frühere Bewohner zogen
in bewachte Siedlungen auf dem Land

oder in sogenannte Cluster von Stadthäu-
sern mit Schranke und Wachmann an
der Einfahrt. In einem Hochhaus wieder-
um sei man noch mehr geschützt, ist Fo-
den überzeugt. Mit jeder Etage steige
die Sicherheit, und natürlich der Preis.
Die künftigen Besitzer der Leonardo-
Suite dürften sich somit am sichersten
fühlen. Zum Abschluss der Tour lässt der
Verkaufsmanager den Lift in die oberste
Etage schnurren. Die Suite ist für 250
Millionen Rand (15 Millionen Euro) auf
dem Markt, eine schwindelerregende
Summe für ein Land, in dem der Groß-

teil der Bevölkerung in ärmsten Verhält-
nissen lebt und nur jeder Zehnte ein zu
versteuerndes Einkommen erzielt. Dafür
haben die Bewohner aber auch freie
Sicht auf das quirlige Leben in Sandton,
die alten Goldminenhalden in der Ferne
und – am Horizont – auf die im Dunst
liegende Skyline Johannesburgs mit dem
berühmten Fernsehturm und natürlich
dem Carlton Centre. Die Fahrt von ganz
unten in den 55. Stock dauert übrigens 56
Sekunden. Es ist nicht nötig, den Lift zu
wechseln, und die Aussicht ist tatsächlich
grandios.

Der neue Leonardo-Turm im


südafrikanischen Johannesburg zeigt den


Wandel der „Stadt des Goldes“. Aber


auch das Verlangen seiner Bewohner nach


Sicherheit.Von Claudia Bröll


Afrikas


größtes


Hochhaus


Penthouse statt Villa: Auch in Südafrika ändern sich die Wohnwünsche der Reichen. Foto Bloomberg

Foto privat

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