Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 20.10.2019

(Barré) #1
FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG

Wissenschaft (^) 20. OKTOBER 2019 NR. 42 SEITE 57
Trilobiten auf Linie
Nicht nur Vögel reisen in Formati-
on. Trilobiten der ArtAmpyx priscus
marschierten bereits vor 480 Millio-
nen Jahren in Reih und Glied, ha-
ben französische Paläontologen nun
inNature Scientific Reportsdarge-
legt. Ihre Untersuchung versteiner-
ter Krabbeltiere im heutigen Marok-
ko zeigt, dass die Anordnung der
Tiere nicht post mortem etwa durch
Meeresströmungen erfolgte, son-
dern dass dort ein Trupp Trilobiten
auf einem gemeinsamen Marsch ver-
schüttet wurde. Dabei dienten ihnen
ihre langen nach hinten weisenden
Stacheln möglicherweise dazu, physi-
schen Kontakt zu ihren mitmarschie-
renden Artgenossen zu halten. Dies
wäre dann der früheste eindeutige
Nachweis kollektiven Unterwegs-
seins im Tierreich.
Speedy Cataglyphis
Beim Wettrennen der Tiere ginge
Bronze an die SilberameiseCatagly-
phis bombycina. Sie kann 885 Millime-
ter in der Sekunde zurücklegen, das
ist das 108-Fache ihrer Körperlänge.
Dadurch gelingt es ihr, in der Saha-
ra zur Mittagszeit auf Nahrungssu-
che zu gehen, wenn sich die Konkur-
renz bei Temperaturen von über
fünfzig Grad Celsius zurückgezogen
hat. Mittels spezieller Proteine sowie
Härchen schützen sich die Ameisen
außerdem vor der Sonnenglut. Nun
haben Biologen der Universitäten in
Ulm und Freiburg untersucht, was
Cataglyphis so schnell macht: Die
Beine bewegen sich mit einer Schritt-
frequenz von mehr als 40 Hertz und
überraschend synchron, wie die For-
scher imJournal of Experimental Bio-
logyberichten. Die Füße berühren
nur für 7 Millisekunden den Sand,
die Ameisen galoppieren regelrecht.
Das blaue Licht
Blaues Licht aus Handy- und Com-
puterbildschirmen steht schon län-
ger im Ruf, Menschen den Schlaf zu
rauben. In Versuchen an Fruchtflie-
gen der ArtDrosophila melanogaster
zerstörte das Leuchten sogar Zellen
in Gehirn und Netzhaut, woraufhin
die Tiere ihre Bewegungen nicht
mehr richtig koordinieren. Waren
sie dem blauen Licht mehr als zwölf
Stunden am Tag ausgesetzt, starben
sie früher als Artgenossen ohne
blaue Beleuchtung, berichten Biolo-
gen von der Oregon State University
inAging and Mechanisms of Disease.
Selbst bei Fliegen, die aufgrund von
Mutationen keine Augen hatten, lit-
ten die Hirnzellen. Für die Altersfor-
schung ist das von großem Interesse,
wenn es freilich nicht direkt auf den
Menschen übertragbar ist.
Dicke Luft
Luftverschmutzung scheint das Risi-
ko für eine Fehlgeburt zu erhöhen.
Zu diesem Ergebnis kommen For-
scher der Beijing Normal University
in Peking. Sie hatten die Daten zu
mehr als 250 000 Schwangerschaften
aus den Jahren 2009 bis 2017 in Pe-
king analysiert, von denen rund
17 500 noch vor der zwölften Woche
endeten. Besonders häufig traten
Fehlgeburten in Wohngebieten auf,
in denen Anwohner mehr Schwefel-
dioxid einatmen mussten, berichten
die Forscher inNature Sustainability.
Welche Zusammenhänge im Kör-
per dann dazu führen, ist noch un-
klar. Im September hatte eine ande-
re Studie gezeigt, dass sich Feinstaub
in der Plazenta ablagert.
Ach so menschlich
Der Mensch unterscheidet sich von
anderen Primaten in vielerlei Hin-
sicht. Zum Beispiel in der Organisa-
tion des Gehirns, wie amerikanische
und Schweizer Forscher inPNASan-
hand von Schädelform und einzigar-
tigen Strukturen beimHomo sapiens
zeigen. Ein anderes Team beschäf-
tigt sich inNaturemit Genaktivitä-
ten, die unter anderem an menschli-
chen cerebralen Organoiden unter-
sucht wurden, denn sie sind bei uns
während der Entwicklung anders re-
guliert als bei Schimpansen. Doch
Unterschiede finden sich auch im
Speichel. Wie Forscher inMolecular
Biology and Evolutionberichten, ist
menschliche Spucke nicht nur wässri-
ger und enthält mehr Amylase zur
Stärkezersetzung, es findet sich dar-
in auch mehr von einem Enzym, das
den Geschmack beeinflusst. Nach
Verlust seines Körperpelzes konnte
der Mensch außerdem auf Latherin
verzichten, ein Protein, das im Spei-
chel von Menschenaffen zu finden
ist – im Pferdeschweiß übrigens
auch – und das als schäumendes Ten-
sid der Fellpflege dienen kann.
WOCHENSCHAU
Kraniche fliegen wie Wildgänse häufig in der sogenannten Keilformation, so nutzen sie den Windschatten des Vordermanns. Die Spannweite ihrer Flügel beträgt fast zweiMeter. Foto dpa
L
ucianos Spuren verlieren sich
mitten im Niger, wo es nichts
als Sandfelder gibt. Seit Wo-
chen funkt sein Sender aus ei-
nem kargen Landstrich der
Sahara. Im Spätsommer hatten Forscher
der Universität Gießen das kleine Gerät
am Hals der Turteltaube befestigt, bevor
Luciano in der Niederlausitz aufbrach.
Im Internet haben sie seine Reise zum
Winterquartier dokumentiert: Er flog
über die Slowakei nach Ungarn, über-
querte das Mittelmeer und erreichte Mit-
te September die Oase Umm al-Ahrar in
Libyen. Danach gerieten die Forscher in
Sorge: Das Signal verschwindet zunächst,
seither funkt es aus dem Niger. Womög-
lich hat der Vogel in einem Sturm oder
durch Jäger sein Ende gefunden.
Erst vor wenigen Tagen haben Nabu
und der Landesbund für Vogelschutz die
Turteltaube zum Vogel des Jahres 2020
ernannt, um auf das Schicksal ihrer Art
aufmerksam zu machen, und das trifft
auf zahlreiche Vertreter ihrer Klasse, der
Aves, zu. In den Vereinigten Staaten und
Kanada gingen die Vogelbestände im
vergangenen halben Jahrhundert um fast
ein Drittel zurück. In Europa wurde die
Zahl typischer Agrarlandarten wie Kie-
bitze und Feldlerche seit den achtziger
Jahren um mehr als die Hälfte dezi-
miert, berichtete das „Pan-European
Common Bird Monitoring Scheme“ An-
fang des Jahres. Landwirtschaft und kli-
matische Veränderungen zerstören die
Lebensräume der Vögel. Zugvögel sind
dadurch besonders bedroht, sie leben in
mehreren, weit voneinander entfernten
Gebieten und sind dort auf stabile Ver-
hältnisse angewiesen.
Wie die Turteltauben verlassen zahlrei-
che heimische Vogelarten gewöhnlich im
Herbst ihre Brutgebiete und steuern ihre
Winterquartiere an. Manche Arten wie
Kraniche und Wildgänse ziehen in
Schwärmen los, andere machen sich al-
lein auf den Weg. Ornithologen unter-
scheiden dabei zwischen Kurz-, Mittel-
und Langstreckenziehern: je nachdem,
ob die Vögel nur nach Spanien umziehen
oder weite Wege bis nach Zentralafrika
auf sich nehmen.
Auf ihren Routen lauern einige Gefah-
ren, die Probleme beginnen jedoch
schon in Deutschland. „Die Intensivie-
rung der Landwirtschaft hat mit Sicher-
heit den größten Einfluss auf die Vögel“,
sagt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-
Institut für Ornithologie in Radolfzell.
Seit 2008 sind Landwirte nicht mehr
dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Flä-
chen stillzulegen. Zuvor zwang ein Ge-
setz sie, einen Teil ihres Landes zuguns-
ten des Naturschutzes nicht zu bewirt-
schaften. Nun fehlt es an Brachland, auf
dem beispielsweise der Kiebitz brütet;
auch Hecken und Wiesen werden selten,
in monotonen Landschaften fehlen je-
doch die Rückzugsräume.
Ein weiteres Problem sind Insektizide.
Die Gruppe der Neonicotinoide etwa de-
zimiert Insekten auf den Äckern, damit in-
direkt auch jene Vogelarten, die sich von
Käfern, Bienen und anderem Getier er-
nähren. Diese Substanzen werden ge-
nutzt, um Saatgut zu beizen, so verteilen
sich die Wirkstoffe in den heranwachsen-
den Pflanzen und schützen diese vor
Fressfeinden. Da Neonicotinoide aller-
dings die Nervensysteme von Bienen,
Hummeln und anderen Bestäubern an-
greifen können, ist der Einsatz von be-
stimmten Wirkstoffen wie Imidacloprid,
Clothianidin und Thiamethoxam im Frei-
land in der Europäischen Union seit 2018
verboten. In Gewächshäusern kommen
die Mittel jedoch weiterhin zum Einsatz
und können mit dem Abwasser wieder in
die Umwelt gelangen.
Lange hieß es, Neonicotinoide würden
sich nicht auf Wirbeltiere auswirken. Die
kanadische Biologin Margaret Eng hat
nun mit zwei Kolleginnen von der Uni-
versity of Saskatchewan das Gegenteil be-
wiesen: Kommen Vögel mit den Giften
in Kontakt, werden sie krank, das berich-
teten die Forscherinnen Mitte September
inScience. Für ihre Studie fingen sie 36
Dachsammern in der kanadischen Pro-
vinz Ontario ein, als die Vögel gerade auf
ihrem Weg ins Sommergebiet rasteten.
An ein Drittel der Ammern verfütterten
die Forscherinnen eine geringe Dosis Imi-
dacloprid. Ein anderes Dutzend bekam
eine höhere Dosis verabreicht; die zwölf
Ammern in der Kontrollgruppe tranken
stattdessen ein wenig Sonnenblumenöl.
Die Vögel, denen das Insektizid verab-
reicht wurde, fraßen in den folgenden
Stunden nichts mehr und verloren bin-
nen weniger Tage deutlich an Körperfett.
Solch eine unfreiwillige Magerkur ist für
Zugvögel während ihrer Reise lebensbe-
drohlich, denn sie zehren während des
weiten Flugs von ihren Fettreserven, und
die Ammern waren offenbar geschwächt:
Sie brachen nach ihrer Freilassung erst ei-
nige Tage nach den Vögeln der Kontroll-
gruppe auf. Je höher die Dosis des Insekti-
zids, desto später flogen sie los. Im Frei-
land genügen laut Einschätzung der For-
scherinnen bereits drei gebeizte Weizen-
körner, um den Zeitplan der Ammern
durcheinanderzubringen.
„Alarmierend ist, dass es eben nicht
nur indirekte Effekte wie den Insekten-
schwund gibt, sondern dass diese Insekti-
zide bereits in kleinen Mengen sehr ge-
zielt auch die Vögel selbst – und eben
nicht nur die Insekten – schädigen“, sagt
Wolfgang Fiedler. Bislang sei das noch
nicht klar belegt gewesen. Eine verlänger-
te Rast in schwacher körperlicher Verfas-
sung macht die Nachzügler zu einer leich-
ten Beute für Raubtiere, außerdem erwar-
ten sie im Brutgebiet Probleme. Treffen
die Vögel später als ihre Artgenossen ein,
müssen sie schlechtere Nistplätze bezie-
hen und bekommen weniger Nachwuchs.
Für Zugvögel ist das richtige Timing
in jeder Hinsicht überlebenswichtig.
Nur dann finden sie an ihren jeweiligen
Aufenthaltsorten genug Nahrung für
sich und ihre Jungen, und nur dann sind
sie rechtzeitig wieder fit für die Weiter-
reise. Wärmere Sommer und kürzere
Winter bringen die eingespielten Abläu-
fe zahlreicher Arten aber durcheinander.
Die Mönchsgrasmücke zum Beispiel
bricht später in ihre Wintergebiete auf
und kehrt im Frühjahr eher zurück. Eini-
ge Vertreter fliegen auch nicht mehr in
die angestammten südlichen Winterquar-
tiere in Spanien oder Portugal, sondern
ziehen nach Großbritannien um, wo die
Winter inzwischen mild genug sind.
Manche Mönchsgrasmücken verlassen
ihre Brutgebiete überhaupt nicht mehr.
Auch Kraniche finden sich immer frü-
her in ihren Brutgebieten ein. „Die deut-
schen Kraniche haben ursprünglich um
die 2000 Kilometer Flugdistanz zurück-
gelegt“, sagt Günter Nowald, der das
Nabu-Kranichzentrum in Groß Mohr-
dorf an der Ostseeküste leitet, nahe Stral-
sund. „Jetzt ziehen sie nur noch um die
700 Kilometer weit gen Süden. Entspre-
chend früher sind sie wieder hier.“ Kürze-
re Wege fordern einen geringeren Ener-
gieverbrauch, und es drohen weniger Ge-
fahren während des Zugs. Doch was den
Kranichen unterwegs Vorteile bringt,
sorgt für Schwierigkeiten im Brutgebiet:
„Wenn sie früher mit der Brut starten,
schlüpfen die Jungen auch eher und brau-
chen dann Insekten“, sagt Nowald. Doch
so früh im Jahr leben noch nicht genug
Krabbeltiere, um die Vögel zu ernähren.
Lange Jahre sei der Kranich ein Sym-
bolvogel für den erfolgreichen Natur-
schutz gewesen, sagt Nowald. Doch die
Vögel kriegen seit Jahren weniger Nach-
wuchs, was die Zahlen aus Mecklenburg-
Vorpommern veranschaulichen: Im Juni
zog Nowald mit einigen Kollegen zu den
Kranichen, um die wenige Wochen alten
Jungvögel nach einem Farbcode zu berin-
gen, der europaweit gilt. Die Ornitholo-
gen fanden jedoch leere Nester vor, acht
von zehn Brutpaaren blieben ohne Nach-
wuchs, weil die lange anhaltende Trocken-
heit für äußerst schlechte Bedingungen
gesorgt hatte. „Das hatten wir vorher
noch nie“, sagt Nowald. Dieses Jahr sei es
dramatisch gewesen. Normalerweise brü-
ten Kraniche in Feuchtgebieten. Sie le-
gen ihre Eier auf Wurzelteller oder in
Nester aus Wasserpflanzen, um sie vor
Füchsen und anderen Nesträubern zu
schützen. Als die Kraniche nun in diesem
Frühjahr aus ihren Wintergebieten zu-
rückkamen, waren viele Brutplätze gänz-
lich ausgetrocknet, so waren die Jungvö-
gel Angreifern schutzlos ausgeliefert.
Und nicht nur die Brutgebiete der Kra-
niche verwandeln sich: Auf den Rastplät-
zen entlang ihrer Zugrouten und in den
Überwinterungsgebieten finden sie heute
andere Bedingungen vor als noch vor we-
nigen Jahren. „In Frankreich und Spa-
nien gab es lange überwiegend positive
Effekte“, sagt Nowald. In den lichten
Steineichenwäldern der Extremadura in
Westspanien, dem Hauptüberwinterungs-
gebiet der Kraniche, sei die Landwirt-
schaft nur extensiv betrieben worden.
Die Kraniche fanden dort während der
Wintermonate Ruhe und reichlich Nah-
rung. In manchen Gebieten Spaniens
werde mit Hilfe von EU-Subventionen
auch Reis angebaut, sagt Nowald: „Dafür
werden große Parzellen unter Wasser ge-
setzt.“ Kraniche nutzen diese als Schlafge-
wässer. Inzwischen seien viele Steinei-
chenwälder gerodet worden, um Platz für
Monokulturen wie zum Beispiel Oliven-
haine zu machen. Darin finden die Krani-
che nicht mehr genug Nahrung. Hinzu
kommt, dass Wasser stärker aus der Na-
tur abgeleitet werde, den Kranichen fehl-
ten deshalb wichtige Raststätten. „Krani-
che brauchen die Feuchtgebiete nicht nur
für die Brut“, sagt Nowald, „auch wäh-
rend der Rast und der Überwinterung
brauchen sie Flachwasserbereiche, in de-
nen sie im Wasserbett stehend übernach-
ten können.“
Die Überwinterungsgebiete der Zug-
vögel rücken inzwischen mehr in den Fo-
kus der Forschung. „Wir müssen stärker
darauf schauen, was im Winter in ande-
ren Gebieten der Erde passiert“, erklärt
Damaris Zurell von der Humboldt-Uni-
versität Berlin. „Sonst können wir nicht
verstehen, warum bestimmte Populatio-
nen abnehmen.“ Die Biogeographin hat
mit Kollegen in Computermodellen si-
muliert, welche Risiken für Zugvögel
durch Änderungen im Klima und der
Landschaft entstehen. Dafür untersuch-
ten die Wissenschaftler mehr als sieben-
hundert Arten von Langstreckenziehern,
die in Nordamerika, Europa und Asien
brüten, und sie berücksichtigen, wie sich
deren Sommer- und Wintergebiete ver-
ändern. InNature Climate Changestell-
ten die Forscher im November 2018 fest,
dass Zugvögel stärker gefährdet zu sein
scheinen, als bislang angenommen. Drei
Viertel der untersuchten Arten könnten
in den nächsten Jahrzehnten einen erheb-
lichen Teil ihrer Überwinterungs- und
Brutgebiete verlieren. Außerdem könn-
ten steigende Temperaturen dafür sor-
gen, dass sich die Habitate verschieben.
Für manche Arten bedeutet das nicht,
wie bisher beobachtet, dass sie eine kür-
zere Flugdistanz zurücklegen, sondern
dass sich ihre Strecke verlängert – und
das kostet Kraft. Und zwar wenn sich die
Brutgebiete weiter nach Norden verschie-
ben, weil die Sommer wärmer werden,
die Winterquartiere aber gleich bleiben.
„Das Modell war aber nur eine poten-
tielle Folgenabschätzung“, erklärt Zurell.
Einige Populationen könnten sich anders
verhalten und sich anpassen: Gerade bei
langlebigen Arten lernen die jüngeren
Tiere von den Alten. „Wie sehr doch
letztlich das Sozialverhalten eine Rolle
spielt, ist eine der spannenden Erkennt-
nisse im Moment“, sagt Wolfgang Fied-
ler. Langfristig würden nur die Vögel
mit der besten Taktik überleben. „Aber
was eine gute Strategie ist, ändert sich
im Moment natürlich sehr schnell“, sagt
Fiedler: „In einem milden Winter ist es
besser, gar nicht wegzuziehen. Gibt es
dann wieder einen harten Winter, wäre
das jedoch eine tödliche Strategie.“
Vor allem die Langstreckenzieher sind
durch den Wandel mehr gefordert: Sie
sind weniger flexibel als Vögel, die in Eu-
ropa überwintern. „Langstreckenzieher
müssen immer erst genügend Reserven
aufbauen, um den langen Flug überhaupt
leisten zu können“, sagt Damaris Zurell.
Zudem seien einige von ihnen an ihr ge-
netisches Programm gebunden und könn-
ten sich nur langsam anpassen. Auf diese
Weise geraten die Zugvögel gleich dop-
pelt in Schwierigkeiten: Sie haben lange
Strecken zu überwinden und stoßen auf
besonders viele Veränderungen, aber ge-
rade ihnen wird die Anpassung womög-
lich nicht rechtzeitig gelingen.
Auf ihren langen Routen sind Zugvögel auf stabile Bedingungen angewiesen. Können sie sich anpassen,
wenn Klimawandel und Landwirtschaft ihre Lebensräume zerstören?
Von Rebecca Hahn
Nach des Südens Wärme

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