Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1
Fotos: action press, imago images

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RWE, im Fokus ausländischer
Interessenten. Zum einen sind
die beiden deutschen Strom-
giganten durch politische Vor-
gaben wie Atom- und Kohleausstieg stark
geschwächt. Zum anderen suchen große
Ölfirmen wie Shell oder BP neue Invest-
ments in grüne Energien, weil die Zeit der
treibstoffgetriebenen Fahrzeuge abläuft
und die Ölmultis den absehbaren Wegfall
ihres alten Kerngeschäfts kompensieren
müssen.
Den Strategiewechsel kündigte
Shell-Vorstand Maarten Wetselaar im
April in einem einzigen Satz an. „Wir wol-
len der größte Stromversorger der Welt
werden“, sagte der Niederländer – eine
offene Kampfansage an E.on und RWE.
Im Rahmen seines Strategiewechsels hat
Shell bereits über 30 Öko- und Elektri-
zitätsunternehmen weltweit eingekauft;
zuletzt in Deutschland den bayerischen
Batteriehersteller Sonnen aus Wildpolds-
ried.
Die Expansionsgelüste der Ölkonzer-
ne und der internationalen Investment-
fonds sieht E.on-Chef Johannes Teyssen
denn auch ohne Illusionen. Gegen eine
feindliche Übernahme helfe nicht einmal


die Zerschlagung und inter-
ne Aufteilung der früheren
RWE-Tochter Innogy. „Wer
glaubt, er könne sich so schüt-
zen, irrt“, sagte Teyssen in einem „Han-
delsblatt“-Interview. „Sie können sich
nur durch überzeugende Leistung gegen
das Ende Ihrer Geschichte aufstellen.“
Doch Leistung allein reicht oft nicht.
Ausländische Investoren stei-
gen auch deshalb vermehrt in
mittelständische Unterneh-
men ein, weil immer weniger
deutsche Firmenchefs einen
geeigneten Nachfolger fin-
den. Die Dimension des Pro-
blems ist gewaltig. „In den
kommenden fünf Jahren
steht rund 150 000 Unterneh-
men mit etwa 2,5 Millionen
Beschäftigten ein Genera-
tionswechsel bevor“, sagt
BDI-Präsident Dieter Kempf.
„Grundsätzlich versuchen
Mittelständler nach wie vor,
ihr Unternehmen gut gewapp-
net an die nächste Genera-
tion der eigenen Familie oder
wenigstens unternehmens-

intern zu übergeben.“ Aber erzwingen
lasse sich das nicht, weiß Kempf. „Ein
Verkauf des Unternehmens ist oft das
letzte Mittel.“

Zerschlagung oder Partnerschaft?
Oder man versucht es mit dem Ein-
stieg eines Investors wie etwa beim Axel
Springer Verlag, dem größten Zeitungs-
haus Europas. Mit der Übernahme eines
Anteils von mindestens 42,5 Prozent
durch den US-Finanzinvestor KKR erhofft
sich Springer-Chef Mathias Döpfner eine
„strategische Partnerschaft“. Die Arbeit-
nehmervertreter hingegen befürchten
eine Zerschlagung des Medienkonzerns.
Noch hält Friede Springer, die Witwe des
Verlagsgründers, 42,6 Prozent der Anteile
und damit ein bedeutendes Mitsprache-
recht. Doch dass mit KKR sehr schnell
ein rauer Wind in dem traditionsreichen
Zeitungshaus weht, wurde schon an den
Abbauplänen deutlich, die kurz nach
dem Einstieg des Fonds bekannt wurden
und Hunderte Redakteure und Verlags-
mitarbeiter betreffen.
BDI-Chef Kempf plädiert dennoch
dafür, „ausländische Investitionen will-
kommen zu heißen. Die deutsche Wirt-
schaft“, meint er, „profitiert enorm von
der Offenheit der Auslandsmärkte für
deutsche Investitionen.“
Allerdings können auch die häufigen
Umstrukturierungen in deutschen Fir-
men dazu beitragen, ausländische Fonds
anzulocken. Mit großer Skepsis betrachten
beispielsweise die Mitarbeiter von Sie-
mens die geplante Selbstauflösung des
Münchner Technikriesen. Nach den Plä-
nen von Siemens-Chef Joe Kaeser sollen
die ertragsschwachen Berei-
che des Konzerns mit rund
25 000 Mitarbeitern und fünf
Milliarden Euro Umsatz in
einer eigenen Sparte namens
„Portfolio Companies“ gebün-
delt werden. Diese „Kranken-
station von Siemens“, so die
„Börsen-Zeitung“, soll dann
nach und nach verkauft wer-
den. Profitable Segmente wie
die Bereiche Gesundheit, Bahn
und Energie würden ebenfalls
Stück für Stück an neue Eigen-
tümer gehen. Zwar wurde den
alarmierten Gewerkschaften
als letzter Halt ein starker
„Ankeraktionär Siemens“
versprochen. Doch wenn man
Experten wie Andreas Willi

Neuer Partner für Sprin-
ger-Chef Mathias Döpfner
(links) und Verlegerin Friede
Springer ist der US-Fonds
KKR mit seinem Europa-Chef
Johannes Huth


AXEL SPRINGER VERLAG

Fazit: Der US-Fonds KKR steigt mit 20 Prozent ein und
verschafft Springer damit Kapital für neue Geschäfts-
modelle. Allerdings werden viele Jobs gestrichen.

Mitarbeiter:

16 350

Umsatz:

3,18 Milliarden €

Gewinn:

737,9 Millionen €

Gründung:

1946

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