Die Welt Kompakt - 18.10.2019

(Barré) #1
Land brauchten, und die India-
ner waren egoistisch, indem sie
es für sich behalten wollten.“
So geht das weiter. Wayne
mockiert sich über die ersten
Filme über Schwule („Midnight
Cowboy“) und Hippies („Easy
Rider“), die er
„pervers“ findet.
Er nennt das My
Lai-Massaker das
„sogenannte
Massaker“, plä-
diert für einen
totalen Krieg in Vietnam und
rechtfertigt die Kommunisten-
jagd in Hollywood, an der er be-
teiligt war.
Das gesamte Interview ist
atemberaubend, aus der Perspek-
tive einer vollkommen gewandel-
ten öffentlichen Meinung. In ei-
ner Stellungnahme halten die
Wayne-Nachkommen ihrem Pa-
triarchen die Stange: Es sei un-
fair, jemand auf Grund von Äuße-
rungen zu beurteilen, die er vor
fast 50 Jahren in einer ganz ande-
ren Zeit getätigt habe.
Aber war die Zeit so ganz an-
ders? Die Bürgerrechtler waren
bereits marschiert, die wesentli-
chen Urteile zu der Bildung von
Schwarzen gesprochen. Der Sto-
newall-Aufstand hatte stattge-
funden, und Homosexuelle be-

fanden sich auf dem Weg zur
Gleichbehandlung. Der Vietnam-
Einsatz war verhasst, und die Re-
gierung Nixon suchte nach ei-
nem Weg heraus aus dem Mo-
rast. Dee Browns Buch „Begrabt
mein Herz an der Biegung des
Flusses“, das den Krieg gegen die
Indianer als Genozid beschrieb,
war erschienen. Was Wayne ins
Tonband diktierte, war längst
nicht mehr der Tenor der ameri-
kanischen Gesellschaft, nicht
einmal mehr der „schweigenden
Mehrheit“. Es war schon damals
das Geschwafel eines Reaktio-
närs, der um sich herum eine
neue Zeit heraufdämmern sah.
Die Frage ist, welche Konse-
quenzen daraus heute zu ziehen
sind. Es ist die gleiche Frage wie
bei George Washington, Theodor
Fontane oder Peter Handke. Und
bei so vielen anderen, nach de-
nen Straßen und Schulen und
Museen benannt sind, und für
die wir alle sexistische, rassisti-
sche, homophobe, antisemitische
und klimaleugnerische Äußerun-
gen finden können. Wir werden,
wenn sich die hässlichen Vorur-
teile nicht inhärent durch ihre
Werke ziehen, nicht aufhören, ih-
re Bücher zu lesen, Filme anzu-
sehen oder Platten zu hören; der
Entschluss der BBC, nach „Leav-

ing Neverland“ keine Titel von
Michael Jackson mehr zu spielen,
war ein vorauseilender Gehor-
sam gegenüber einer aufge-
schreckten öffentlichen Mei-
nung; genau die richtige Mentali-
tät, um das Konzept von Maos
Kulturrevolution endlich in den
Westen zu importieren.
Das erspart es uns nicht, uns
zu dem Thema zu verhalten.
Vielleicht hilft dabei der „John
Wayne Airport“ bei Newport Be-
ach in Kalifornien. Wenige Mo-
nate nach Waynes Tod im Som-
mer 1979 wurde der Orange
County Airport in John-Wayne-
Flughafen umbenannt; Wayne
habe lange in der Gegend ge-
wohnt und sei eine amerikani-
sche Ikone, argumentierte der
dortige Landrat Thomas Riley,
Brigadiergeneral und Ex-Marine
und Fan von Waynes Vietnam-
Propagandafilm „Die grünen
Teufel“.
Nun war Wayne zu Lebzeiten
nicht für philanthropische Akte
bekannt und aus dem Weltkrieg
hielt er sich – obwohl mit Anfang
30 im besten Soldatenalter – fein
heraus, im Gegensatz zu Stars
wie Henry Fonda oder Regisseu-
ren wie John Ford. Es gibt eine
Theorie, aufgestellt von seiner
letzten Frau, die Waynes extre-

men Patriotismus als Ausdruck
von Schuldgefühlen interpre-
tiert: „Er wurde für den Rest sei-
nes Lebens zum Superpatrioten,
um dafür zu büßen, damals nicht
gedient zu haben.“
Es gibt – abgesehen von seiner
ungeminderten Popularität –
wenig Gründe, Wayne öffentli-
che Ehrungen im Namen der
ganzen Gesellschaft zukommen
zu lassen, vor allem nicht im Na-
men einer Gesellschaft, bei de-
ren Maßstäben er sich im Grabe
umdrehen würde. Das sollte das
Unterscheidungskriterium sein:
keine Akkoladen, die für die Ge-
meinschaft sprechen (wie steht
es mit dem Ronald Reagan Air-
port in Washington und dem
Dschingis Khan-Flughafen in
der Mongolei?), aber Respekt
vor einer individuellen Lebens-
leistung.
Man muss Eric Platt wider-
sprechen. Die Wayne-Ausstel-
lung in der Filmschule kann blei-
ben, vielleicht ergänzt durch In-
formationen über Waynes An-
sichten. Die ersten Reaktionen
der Universität lassen aber
nichts Gutes ahnen. Man fühlt
sich an die Berliner Hochschule
erinnert, die das Avenidas-Ge-
dicht von ihrer Fassade entfer-
nen ließ.

WWWaynes Statueaynes Statue
vor dem nach
ihm benannten
Flughafen bei
Los Angeles

PICTURE ALLIANCE / ZUMAPRESS.COM

/LEONARD ORTIZ

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