Severin Schwan
Der mit dem Erfolgsrezept
F
ußballer nennen das einen Hattrick:
Am Mittwoch erhöhte der Basler
Pharmakonzern Roche zum dritten
Mal in Folge seine Prognose für das laufende
Jahr. Während sich andere Branchen mit Re-
zessionsängsten plagen, strotzen die
Schweizer vor Zuversicht. Der Erfolg geht
auch auf das Konto des Mannes an der Spit-
ze: Severin Schwan.
Seit 2008 führt er das Unternehmen, fast
seine gesamte berufliche Karriere hat er
dort verbracht – und beweist damit, dass ei-
ne Eigenbluttherapie durchaus erfolgreich
sein kann. Dem Manager mit dem österrei-
chischen und deutschen Pass gelingt ein sel-
tener Balanceakt: Sowohl die Börse als auch
die Mitarbeiter schätzen ihn.
In den ersten neun Monaten des Jahres
konnte der Konzern den Umsatz auf
46,1 Milliarden Franken (42 Milliarden Euro)
erhöhen, das war ein Plus von neun Pro-
zent. Der Gewinn soll in der gleichen Grö-
ßenordnung wachsen. Dass Roche die eige-
nen Erwartungen übertrifft, hat auch mit
der vorsichtigen Art des Chefs zu tun: Wer
tiefstapelt, kann positiv überraschen. Zwar
haben auch andere Pharmakonzerne ihre
Prognosen erhöht, doch bei Roche läuft es
derzeit besonders gut. Analysten zeigen sich
von den Nachrichten aus Basel angetan –
und stellen Schwan ein positives Zeugnis
aus. „Roche und Severin Schwan haben
Quartal für Quartal gezeigt, dass die Firma
trotz der Bedrohung durch Nachahmerme-
dikamente wachsen kann“, sagt ZKB-Analyst
Michael Nawrath.
Die Erfolgsmeldungen sind umso er-
staunlicher, als Experten den Schweizern
eigentlich eine düstere Zukunft prognosti-
ziert hatten. Auf eine ganze Reihe von wich-
tigen Medikamenten, im Branchenjargon
Blockbuster genannt, laufen die Patente ab:
Die drei betroffenen Krebsmittel Avastin,
Herceptin und Rituxan trugen zusammen
rund 20 Milliarden Euro zum Umsatz bei,
rund die Hälfte des gesamten Pharmage-
schäfts. Doch die Verluste konnte Roche mit
neuen Medikamenten bislang mehr als aus-
gleichen. „Wir wachsen mit zehn Prozent,
und das wurde vollständig von der Nachfra-
ge nach unseren neuen Produkten getrie-
ben“, sagte Schwan am Mittwoch. Neue Me-
dikamente wie Ocrevus gegen Multiple Skle-
rose oder Hemlibra, mit dem sich die
Bluterkrankheit behandeln lässt, sind ge-
fragt. Jetzt muss der Roche-Chef beweisen,
dass seine Neuentwicklungen die Umsatz-
verluste bei den Blockbustern auch in Zu-
kunft ausgleichen können.
Dabei ist Schwan kein Pharmakologe, son-
dern Ökonom und promovierter Jurist. Was
ihn nicht daran hindert, stundenlang über
neue Therapieansätze zu reden. Kenner at-
testieren ihm ein enormes Interesse, sich
tief in Themen einzuarbeiten. Das betrifft
nicht nur die Pharmawelt, sondern auch die
Architektur – am altehrwürdigen Roche-Sitz
wird derzeit nämlich kräftig gebaut, und der
architekturbegeisterte Manager redet mit.
Zur Arbeit kommt der 51-jährige Vater von
drei Kindern gerne mit dem E-Bike.
Auch hinter den Kulissen des Konzernsit-
zes nimmt die Zukunft mit flacheren Hierar-
chien, digitalisierten Prozessen und schnel-
leren Entscheidungswegen Gestalt an. Das
war nicht immer so. Die Firma habe sich
lange auf dem Erfolg mit großen Krebsmedi-
kamenten ausgeruht, sagt Analyst Nawrath.
Das habe sich geändert: „Bei Roche weht
heute ein völlig anderer Wind.“ Der Analyst
glaubt, dass Roche die veränderte Firmen-
kultur maßgeblich dem Amerikaner Bill An-
derson zu verdanken hat, der im Dezember
die Leitung der Pharmasparte übernahm.
Aber auch Schwan will seinen Leuten mehr
Freiräume lassen: „Innovation ist nicht pro-
grammierbar“, sagte er im Handelsblatt-In-
terview. „Man kann nur die Voraussetzun-
gen für Innovationen verbessern.“
Bei den Mitarbeitern kommt das gut an.
In einer Umfrage der Arbeitgeber-Bewer-
tungsplattform Glassdoor unter deutschen
Arbeitnehmern wurde Schwan im Sommer
zum besten Chef gekürt: Die Zustimmungs-
rate lag bei 99 Prozent. In Deutschland be-
schäftigt Roche insgesamt 16 500 Menschen.
Angesichts des Aktienkurses, der auf ei-
nem Fünfjahreshoch notiert, dürften auch
die Roche-Erben mit Schwan zufrieden sein.
Das Unternehmen befindet sich noch im-
mer mehrheitlich in der Kontrolle der Grün-
derfamilie. Das schafft Spielraum für den
Chef, der sich seinen Erfolg entsprechend
vergüten lässt. Mit einem Salär von 11,8 Mil-
lionen Franken zählt Schwan zu den Spit-
zenverdienern unter den europäischen Kon-
zernchefs – ein Gehalt fast wie beim Spitzen-
fußball. M. Brächer, S. Hofmann
Severin Schwan:
Kaum ein
europäischer
Manager
verdient mehr.
Roland Schmid für Handelsblatt
Innovation
ist nicht
program -
mierbar.
Man kann nur
die Voraus-
setzungen
verbessern.
Severin Schwan
Roche-Chef
BusinessLoungeLounge
Nahbar:Die beiden demokratischen US-Präsi-
dentschaftsanwärter Joe Biden und Elizabeth
Warren umarmen sich nach einer Fernsehdebat-
te in Westerville (Ohio). Die linke Senatorin und
der ehemalige Vizepräsident sind Favoriten der
Partei im Wettbewerb um die Kandidatur.
Trinkbar: Tran Qui
Thanh, Chef des viet-
namesischen Kon-
zerns Tan Hiep Phat
Beverage (THP),
steht auf der Dach-
terrasse seines Fir-
mensitzes in Binh
Duong. Der größte
Getränkehersteller
des Landes sucht ei-
nen strategischen
Partner, um eine zu-
ckerarme Alternati-
ve zum Energydrink
Red Bull zu entwi-
ckeln. Die Investitio-
nen dafür beziffert
Tanh auf drei Milli-
arden US-Dollar.
T T n z B s t m D G d n P c v R c n T a
Lesbar:Literaturnobelpreisträgerin Olga To-
karczukk und der Direktor der Frankfurter Buch-
messe, Juergen Boos, stellen sich bei der Eröff-
nung der weltweit größten Literaturschau den
Fotografen. 7450 Verlage sind präsent.
Lesbar:LiteraturnobelpreisträgerinOlga To
Ansprechbar:Außenminister Heiko Maas und
Staatsministerin Michelle Müntefering unterhal-
ten sich am Rande einer Kabinettssitzung in Ber-
lin. Der Einmarsch der Türken in Nordsyrien über-
schattet derzeit ihr Alltagsgeschäft.
Ansprechbar:AußenministerHeiko Maasund
REUTERS, Photothek/Getty Images, Bloomberg, Polaris/laif
Der Roche-Chef hebt zum dritten
Mal in Folge die Prognose an. Nicht
nur deshalb schätzen Aktionäre
und Belegschaft den Manager.
Namen des Tages
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200
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