Süddeutsche Zeitung - 17.10.2019

(Tina Meador) #1

Donnerstag, 17. Oktober 2019 E INE ANZEIGENSONDERVERÖFFENTLICHUNG DES SÜDDEUTSCHEN VERLAGES 23


ZUKUNFT ENERGIE


Reservemarge ohne weitere Zubauten
deutlich verschlechtern wird“, heißt es in
dem Bericht.
Laut dem „Energiewende-Index“ des
Hauses, der die drei Dimensionen Klima-
und Umweltschutz, Versorgungssicherheit
und Wirtschaftlichkeit beinhaltet, lagen
die CO 2 -Emissionen im vergangenen Jahr
deutlich über dem angepeilten Ziel für
2020: „Laufen die Emissionseinsparungen
im gleichen Tempo weiter wie im vergan-
genen Jahrzehnt, werden die CO 2 -Ziele
für 2020 erst acht Jahre später erreicht
und die Ziele für 2030 sogar erst 2046.“
Die Subventionierung regenerativer
Energien hat dazu geführt, dass Wind,
Sonne und Biogas zu ernsthaften Wettbe-

werbern fossiler Energiequellen wie Koh-
le und Gas geworden sind, wie sowohl das
Freiburger Fraunhofer- Institut für Solare
Energiesysteme als auch die Investment-
bank Lazard vorrechnen. Die Kosten der
Erzeugung regenerativer Energien sinken
rapide. Nach Überzeugung von Henrik
Müller, Professor für wirtschaftspoliti-
schen Journalismus an der Technischen
Universität Dortmund, lässt sich jede zu-
sätzliche Kilowattstunde Strom durch So-
larzellen und Windräder ohne weiteres
Zutun quasi zum Nulltarif erzeugen – an-
ders als bei Kohle-, Gas- oder Atomkraft-
werken, die ständig neuen Brennstoff be-
nötigen. Die bislang noch sehr teure
Stromspeicherung, etwa in Form von Was-

serstoff, der mittels Elektrolyse erzeugt
wird, könnte sich in diesem Szenario rech-
nen.

HINDERNISSE ABBAUEN

Das Bundeswirtschaftsministerium hat zur
Förderung der Windenergie in Deutsch-
land gerade einen Plan vorgelegt. Vorran-
gig sei es, Genehmigungshindernisse abzu-
bauen. Dies solle in Absprache mit den
Bundesländern geschehen. Auch würden
noch in diesem Jahr die neuen Regeln für
den Abstand zwischen Windanlagen und
Wohnsiedlungen festgelegt.
Der Bund proklamiert eine 65-prozen-
tige Deckung des Stromverbrauchs bis

2030 aus erneuerbaren Energien. Dabei
spiele die Windenergie eine wichtige Rol-
le. Gleichzeitig hat die Bundesregierung
auf Druck der heimischen Industrie, die
sich vehement gegen den auch durch die
EEG-Umlage verursachten Strompreisan-
stieg stemmt, beschlossen, die bisherige
Förderung für Windenergie- und Biogas-
anlagen 2020 auslaufen zu lassen. Folge:
Wurden 2017 noch 1792 neue Anlagen
gebaut, waren es 2018 lediglich 743 und
im ersten Halbjahr 2019 sogar nur 35. Da-
mit nicht genug. Demnächst fallen 600 0
bis 8000 Anlagen nach 20 Jahren aus der
EE-Förderung. Damit könnte schon 2021
der Anteil an erneuerbarer Energie im
Stromsektor drastisch sinken.

Sicherheit


geht vor


VON JÜRGEN HOFFMANN


Deutschland ist ein rohstoffarmes Land.
Rund 70 Prozent des Energieverbrauchs
werden durch Importe diverser Energie-
träger gedeckt. Das sind vor allem Mine-
ralöl, Gas, Steinkohle und Uran. Die Ge-
winnung von Energierohstoffen wie Erd-
gas und Kohle in Deutschland ist in den
vergangenen 30 Jahren um etwa 40 Pro-
zent auf rund 4000 Petajoule gesunken.
Das entspricht in etwa einem Drittel des
gesamten Primärenergiebedarfs.
Fast ausschließlich im Inland gewon-
nene Energieträger sind die Braunkohle
und der biogene Anteil des Abfalls. Dazu
passt, dass RWE, Deutschlands größter
Braunkohleverstromer, Ökostromanbieter
und bis 2040 klimaneutral werden will.
Apropos Ökostrom: Auch die erneuerbare
Energie aus Wind, Sonne und Biomasse
wird hierzulande erzeugt.
Um die Abhängigkeit von Energieim-
porten zu verringern, müssen laut Exper-
ten die erneuerbaren Energien ausgebaut
sowie Lieferländer und Tr ansportstruktu-
ren diversifiziert werden. Außerdem hat
sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt,
den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr
2050 um 50 Prozent gegenüber 2008 zu


senken. Zum Vergleich: 2018 betrug der
Rückgang zehn Prozent gegenüber 2008.
Auch die EU will bis 2030 den Verbrauch
deutlich drücken und die Energieeffizienz
um 32,5 Prozent steigern. Außerdem soll
der Anteil der erneuerbaren Energien bis
2030 auf knapp ein Drittel steigen.
Die von der Regierung angestrebte
Energiewende darf die sichere Versorgung
des Landes mit Strom nicht gefährden.
Deshalb überwacht das Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
kontinuierlich die Stromversorgung. So
sollen etwaige Probleme frühzeitig er-
kannt und bei Bedarf gegengesteuert wer-
den. In regelmäßigen Abständen legt das
BMWi den Monitoring-Bericht zur Ver-
sorgungssicherheit im Bereich Elektrizität
vor.

EXPERTEN WARNEN VOR ENGPÄSSEN

Auch die Unternehmensberatung McKin-
sey analysiert seit Jahren den Markt. In
ihrer jüngsten Untersuchung warnen die
Experten vor Versorgungsengpässen.
„Durch den laufenden Atomausstieg bis
Ende 2022 sowie den geplanten Kohleaus-
stieg wird weitere gesicherte Kapazität
sukzessive außer Betrieb gesetzt, was die

Deutschland muss den Energieverbrauch senken und die Versorgung


durch alternative, im eigenen Land erzeugte Energien sichern. Ein


weiteres Ziel ist d ie Minimierung der Importabhängigkeit.


Windenergie
nimmt bei der
Stromversorgung
eine wichtige Rolle
ein. Foto: Julian
Stratenschulte/dpa

» HIER GIBT ES GELD



  1. Das Bundesamt für Wirtschaft und Aus-
    fuhrkontrolle (Bafa) gewährt Zuschüsse
    bis zu 9000 Euro für eine neue Heizung,
    wenn man den alten Kessel aufgibt. Und
    bis zu 5000 Euro für eine Neuanschaffung.
    Förderfähig sind Wärmepumpen, Pellet-
    öfen, Hackschnitzelheizkessel, Solarther-
    mie-Anlagen, Mini-KWK-Anlagen sowie
    Hocheffizienzpumpen, die ältere Umwälz-
    oder Zirkulationspumpen ersetzen.

  2. Beim KfW-Programm 430 „Energie -
    effizient sanieren“ gibt es Zuschüsse. Die
    übrigen Förderprogramme greifen dann,
    wenn die Anschaffung einer neuen Hei-
    zung allein oder im Rahmen einer energe-
    tischen Sanierung mit einem Kredit finan-
    ziert wird. In diesem Fall ermöglicht die
    Kreditanstalt für Wiederaufbau e inen
    z insgünstigen Kredit plus Tilgungs-
    zuschuss. Anja Steinbuch


Luft nach oben.“ Damit meint er den
v om Klimakabinett vorgeschlagenen CO 2 -
Preis. Vorgesehen ist ein jährlich steigen-
der Betrag, der bei zehn Euro pro Tonne
CO 2 im Jahr 2021 startet und bis auf
3 5 Euro je Tonne im Jahr 2025 zunimmt.
Die Einnahmen daraus sollen über eine
Senkung der Stromkosten in Form einer
Reduzierung der EEG-Umlage ab 202 1
um 0,25 Cent pro kWh (0,5 Cent in 2022
und 0,625 Cent in 2023) an die Bürger zu-
rückfließen.
Für Schiefelbein ist das eine gute Maß-
nahme, damit „den Verbrauchern die In-
vestition in neue Wärmelösungen erleich-

VON ANJA STEINBUCH

Eine neue Heizung ist teuer, aber sie spart
auch Energie und schont die Umwelt. Des-
halb fördert die Bundesregierung den
Austausch alter Heizungen gegen neue
mit finanziellen Zuschüssen. Und es könn-
te bald noch mehr Geld für Wechselwillige
fließen, wenn das Klimapaket wirksam
wird.
Bisher gestaltet sich der Wechsel von
alten, CO 2 -produzierenden Kesseln gegen
neue, umweltfreundliche Anlagen trotz
Förderprogrammen nur zögerlich. Laut
Statistischem Bundesamt heizt knapp ein
Viertel aller Haushalte derzeit noch mit
Öl. Es werden zwar nur wenige Ölkessel
neu installiert, trotzdem ist der Anteil die-
ser klimaschädlichen, CO 2 -produzieren-
den Anlagen nur um etwas mehr als zwei
Prozent gesunken.

WECHSEL VERLÄUFT SCHLEPPEND

Das soll anders werden. Mit ihrem Klima-
paket will die Bundesregierung einen
„grünen“ Umbau von Häusern belohnen.
Wer seine alte Ölheizung gegen ein um-
weltschonendes Modell tauscht, soll bald
mit einer Prämie von bis zu 40 Prozent
der Kosten belohnt werden. „Ein Schritt
in die richtige Richtung“ ist das für Kai
Schiefelbein, stellvertretender Vorstands-
vorsitzender beim Bundesverband Wär-
mepumpe. Er fügt hinzu: „Da ist noch viel

tert wird“. Allerdings hätte er sich eine
schnellere Preisentwicklung für CO 2 -
Emissionen gewünscht, um schon bald
„faire Marktbedingungen zum Beispiel für
Wärmepumpen zu erreichen“. Die sind
weiterhin deutlich teurer als Öl- und Gas-
heizungen.
Für Wechselwillige gibt es bereits zwei
staatliche Förderprogramme: Das Markt-
anreizprogramm des Bundesamts für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa)
sowie die Förderungen der Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW). Beide sorgen da-
für, dass sich die Anschaffungskosten für
eine neue Heizung um einige Tausend
Euro verringern.

ANSCHAFFUNGSKOSTEN REDUZIEREN

Für Schiefelbein ist das Bafa-Programm
ein großer Erfolg, insbesondere die unbü-
rokratische Handhabung der Anträge sei
sehr verbraucherfreundlich. Die Zahlen
geben ihm recht: 2 018 wurden allein für
Wärmepumpen mehr als 18 000 Förder -
anträge durch das Bafa genehmigt. Für
Biomasseheizungen waren es ebenfalls
fast 18 000 und für Solarthermieanlagen
gab es 12 000-mal grünes Licht. Umge-
rechnet waren das mehr als 172 Millionen
Euro Zuschüsse. Bei der KfW gibt es zu-
dem zinsgünstige Darlehen und Tilgungs-
zuschüsse.
In jedem Fall empfiehlt Kai Schiefel-
bein vorab eine gründliche Vorbereitung
entweder durch die Beratungsstellen der
Verbraucherzentralen oder einen zertifi-
zierten Energieberater: „Jedes Haus ist
anders, und deshalb sollte ein Heizungs-
tausch im Vorfeld genau geplant werden“,
betont der Fachmann.

Neue Heizungen braucht das Land


Dem Klimapaket sei Dank:
S aubere Wärme wird bald noch
erschwinglicher.

Sprit aus grünem Strom


VON HANS-CHRISTOPH NEIDLEIN


Der Verkehr gilt als das Sorgenkind im
Klimaschutz. Tr ägt er doch zu gut einem
Drittel der Tr eibhausgasemissionen in
Deutschland bei. Um mindestens 40 Pro-
zent möchte die Bundesregierung den
CO 2 -Ausstoß des Verkehrssektors bis zum
Jahr 2030 senken (gegenüber 1990). Und
bis zum Jahr 2050 sollen Autos, Lastwa-
gen, Züge, Schiffe und Flugzeuge weitge-
hend klimaneutral unterwegs sein. Doch
deren Emissionen steigen aktuell weiter.
Neben batterieelektrischen Antrieben gel-
ten auch synthetische Kraftstoffe, die aus
erneuerbarem Strom gewonnen werden,
zunehmend als Hoffnungsträger. Als gro-
ßer Vorteil gilt, dass auch Verbrennungs-
motoren von Fahrzeugen damit betrieben
werden können und die bestehende Infra-
struktur wie Tankstellen und Raffinerien
genutzt werden kann. Zudem könnten
künftig auch Flugzeuge oder Schiffe mit
synthetischen grünen Kraftstoffen betankt
werden, so die Vision.
Grundlage für deren Herstellung ist er-
neuerbarer Strom. Damit wird Wasser per


Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff
gespalten – das ergibt als ersten Grund-
stoff Wasserstoff. Dieser wird dann mit
Kohlendioxid verbunden, das aus der Um-
gebungsluft extrahiert wird oder als Ab-
fallprodukt aus anderen chemischen Pro-
zessen stammt. Mögliche Endprodukte
sind strombasierte Kraftstoffe wie synthe-
tisches Benzin, synthetischer Diesel oder
synthetisches Gas – auch E-Fuels oder
Power-to-X genannt.

HOHE HERSTELLUNGSKOSTEN

Allerdings werden E-Fuels bisher nur in
kleineren Pilotanlagen erzeugt und die
Herstellungskosten liegen mit circa 4,50
Euro pro Liter deutlich über denen kon-
ventioneller Kraftstoffe. Außerdem ist der
Wirkungsgrad derzeit noch gering. Auf-
grund der vielen Prozessschritte vom
Strom zum flüssigen Kraftstoff bleiben von
der eingesetzten Energie laut einem Be-
richt der Nationalen Plattform für Mobili-
tät n ur knapp 15 Prozent übrig. Dagegen
kommen batteriebetriebene E-Fahrzeuge
auf einen Wirkungsgrad von knapp 7 0
Prozent. Entsprechend sind für die Erzeu-
gung synthetischer Kraftstoffe enorme
Mengen erneuerbaren Stroms nötig.
Doch Forscher, Start-ups und zuneh-
mend auch große Mineralölunternehmen
arbeiten derzeit intensiv an synthetischen
Kraftstoffen, sei es an g rößeren Elektroly-

seuren mit höherer Leistung o der Verbes-
serungen des Wirkungsgrades. Einer der
Vorreiter ist das Dresdener Start-up-
Unternehmen Sunfire, an dem mittlerwei-
le auch der französische Ölmulti Total be-
teiligt ist.
„Damit die Energiewende gelingt, wer-
den in den kommenden Jahren Kraft- und
Brennstoffe gebraucht, die auf Strom ba-
sieren“, sagt auch Bundesumweltministe-
rin Svenja Schulze. In Cottbus soll nun ein
Zentrum für strombasierte Brennstoffe
mit einer Demonstrationsanlage aufgebaut
werden. Erprobt wird die Herstellung von
synthetischen klimaneutralen Kraftstoffen
derzeit auch am Karlsruher Institut für
Technologie in Kooperation mit dem
Karlsruher Start-up Ineratec. „Im Ver-
gleich zu konventionellem Benzin, Diesel
oder Kerosin haben unsere Kraftstoffe so-
gar bessere Verbrennungseigenschaften“,
sagt Ineratec-Geschäftsführer Tim Bölt-
ken.
„Nun ist auch die Politik gefragt, regu-
latorische Hürden für E-Fuels abzubauen
und Technologieoffenheit zuzulassen“,
fordert Nils Aldag, Mitgründer von Sun -
fire. Sei es durch eine Senkung der Ener-
giesteuer für alternative Kraftstoffe, der
Befreiung der Erzeugung synthetischer
Kraftstoffe aus regenerativem Strom von
der EEG-Umlage oder der Anrechenbar-
keit von E-Fuels auf die Fahrzeugflotten-
Emissionen der Autohersteller.

Der Verkehrssektor muss einen größeren Beitrag zur Senkung der Treibgasemissionen leisten. Neben


b atterieelektrischen Antrieben gelten auch synthetische Kraftstoffe, die aus erneuerbarem Strom


g ewonnen werden, zunehmend als Hoffnungsträger.


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