Die Zeit - 24.10.2019

(lu) #1

Von Tillmann Prüfer


Im kommenden Winter werden wir viele sehr lange Schals sehen.


Jedenfalls wenn wir davon ausgehen, was in den verschiedenen De­
signer­ Kol lek tio nen gerade offeriert wird. Da sehen wir bei Loewe


etwa einen orange­ grün gestreiften Schal, der beim Gehen fast über
den Boden schleift. Der Pariser Designer Alexandre Mattiussi zieht


dem Mann einen schlammbraunen Schal an. Bei Gucci dürfen
Männer Wollschals mit sich herumtragen, die wie Stoffmonster wir­


ken. Und auch bei Dior Men und Dries Van Noten gibt es Schals,
die so lang sind, dass man aufpassen muss, nicht draufzutreten.


Es ist zu befürchten, dass diese Mode, so sie sich durchsetzt, die
Sache für den Mann unnötig verkomplizieren wird. Hat er doch


schon mit dem Schal in normaler Länge zu kämpfen. Denn wie er
ihn auch bindet, der Schal will nicht recht passen. Er sieht fast nie


so richtig, richtig gut aus. Legt der Mann den Schal in den Kragen
und lässt die Enden unter dem Revers verschwinden, sieht er aus


wie ein Rentner, der einen auf Dandy macht. Legt er den Schal in
einer Schlaufe um den Hals, macht er den Eindruck, als habe er


ihn sich von Mama vor der Schule binden lassen. Also bleibt nur,
den Schal lose um den Hals zu legen. Aber auch das ist nicht ein­


fach. Legt man ihn zu locker, sieht es leicht verwahrlost aus, so als
wäre man nicht ganz angezogen aus dem Haus gegangen. Legt man


ihn zu eng, macht man den Eindruck, als habe man eine schwere
Erkältung. Und dann ist da noch die Sache mit den Enden des


Schals. Verbirgt man sie beide in den Windungen des Schals, sieht
man aus wie ein Wollknäuel. Hängen beide nach vorn, erinnert das


an eine um eine Gabel gewickelte Bandnudel. Und hängt ein Ende
nach vorn, das andere aber über dem Rücken, sieht es unfreiwillig


komisch aus. Die einzige Art, einen Schal einigermaßen würdig zu
tragen, ist, ein Ende locker nach vorn baumeln zu lassen und das


andere wie zufällig in den Windungen des Schals zu verbergen.
So kompliziert ist es also, einen normalen Schal zu tragen. Leider


sind sich Männer dessen gemeinhin nicht bewusst. Die meisten
finden nämlich, dass ihnen ein Schal hervorragend steht und et­


was Besonderes verleiht. Etwas Künstlerisches, etwas Wildes, etwas
Unkonventionelles. Darum schlingen sich all jene, die nun keine


Krawatten mehr tragen wollen, mit Begeisterung Schals um den
Hals. Sie lieben es, diese Schals in irgendeiner Weise anzulegen, und


sind stolz auf ihre Außenwirkung. Viele finden sogar, dass sie umso
besser aussehen, je mehr Schal sie am Hals haben. Diesen Winter


werden diese Männer auf die längsten Schals treffen, die sie je ge­
sehen haben, ganz verrückt danach sein und sich schön fühlen wie


nie. Alle anderen seien getröstet. Es wird auch wieder Frühling.


Falsch gewickelt


Stil

Als Kind habe ich manchmal bei einem Freund übernachtet, der
an seiner Zimmerdecke diese gelben Sterne kleben hatte, die im
Dunkeln leuchten. Weil ich so neidisch war, hat mein Vater eines
Tages lauter Löcher in einen schwarzen Schuhkarton gebohrt, ein
Licht dahintergestellt und mir so meinen eigenen Sternenhimmel
gebastelt. Das fand ich genial.
Da mein Sohn auch gern mit etwas Licht einschläft, habe ich den
Sternenprojektor Home star Flux von Sega Toys zum Testen bestellt.
Klein, schwarz und rund, sieht er aus wie ein kleiner Planet, aus des­
sen Kopf ein Lichtstrahl rausschießt. Er funktioniert wie ein Dia­
projektor, nur dass man eine Glasscheibe mit einem Sternenmuster
einlegt. Ganz schlicht, ohne Musik oder Hologramme, wirft er mit
seiner 5­Watt­LED­Lampe einen Sternenhimmel an die Wand und
deckt dabei eine ziemlich große Fläche ab. Per USB­Anschluss ver­
bindet man ihn mit dem Strom; wenn man will, kann man eine be­
stimmte Leuchtdauer von 15, 20 oder 60 Minuten einstellen.
Ich muss gestehen, dass ich mir den Projektor nach einem Tag von
meinem Sohn ausgeliehen, ihn zu mir ins Zimmer gestellt und eine
Glasscheibe mit Sternschnuppen­Muster eingelegt habe. Als ich so
im Dunkeln dalag und in den Himmel an der Wand schaute, habe
ich mich fast wie im Urlaub gefühlt. Obwohl der Motor leise surrte,
bin ich sofort eingeschlafen.
Schade, dass der Sternenprojektor so teuer ist: Gemessen an der
einfachen Technik, ist der Preis mit rund 190 Euro wirklich hoch,
zumal nur zwei schwarz­weiße Glasscheiben mitgeliefert sind. Die
anderen Universen muss man dazukaufen. Ich habe eines davon aus­
probiert: Diesmal war der Sternenhimmel bunt – zu bunt. Ich fand
den Anblick der Schwarz­Weiß­Version dann doch schöner.

Mirko Borsche wirft


einen Sternenhimmel an die Wand


Unter Strom

Technische Daten
Maße: 16 x 16 x 15 cm; Projektionsgröße: Kreis mit 290 cm
Durchmesser; Preis: 189 Euro

Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Foto

Sega Toys

Foto Peter Langer


63

Free download pdf