Harald Martenstein
Über Sozialismus als Brettspiel, ein politisches Kinderbuch
und die religiösen Züge der Klimaschützer
Harald Martenstein
ist Redakteur des »Tagesspiegels«
Ich mag Kitsch und politische Skurrilitäten. Unter anderem besitze
ich eine mit Weihwasser gefüllte gläserne Madonna aus Lourdes
und das Brettspiel Monopoly Socialism aus den USA. Die Spieler
erwerben keinen Besitz, nur »Konzessionen«, sie gründen vegane
Restaurants oder so eine Art Waldorfschule. Allerdings scheitern
viele an astronomischen Steuernachzahlungen. Statt ins Gefängnis
kommt man ins »Rehab« zum Drogenentzug.
In Deutschland ist seit Kurzem das Kinderbuch Käpt*in Rakete auf
dem Markt, es steht, heute, da ich dies schreibe, auf Platz 58 der Best-
sellerliste. Herausgeber ist eine Gruppe namens »Hooligans gegen
Satzbau«. Empfohlen wird das Buch für Kinder »ab 24 Monaten«.
Ich zitiere eine Re zen sion: »Ihr Teddybär droht in der Regenrinne
zu ertrinken. Alarmstufe Rot im Kinderzimmer von Käpt*in Rakete.
Das Mädchen kämpft sich mit einem Bollerwagen als Boot durch
den peitschenden Regen.« Auf Amazon schreibt ein Rezensent über
das Kinderbuch: »In einem idealen Staat würde es jedem Paar zur Ver-
mählung überreicht.« Den Versuch, ein politisches Buch zum Stan-
dard-Hochzeitsgeschenk zu machen, hatten wir in Deutschland doch
schon! Da war der Held allerdings ein unschöner Mann mit Bärtchen.
Für Freunde des Kitsches gibt auch die Klimabewegung etwas her.
In der laizistischen Kunst ging es ja seit Langem um nichts mehr, da
fehlten die Inbrunst, das Heroische, nur noch Negativismus. Wenn
ich mir Fotos von Luisa Neubauer, Greta Thunberg oder Kapitänin
Rackete anschaue, dann sehe ich, in welche Richtung das geht. Kunst
wird wieder gegenständlich, auf keusche Weise schön und leuchtet
von innen wie Maria bei Raffael und Botticelli.
Ich bin sowieso dafür, die radikalen Klimaschützer offiziell als Re-
ligionsgemeinschaft anzuerkennen. Das meine ich gar nicht ab-
wertend. Viele Religionen haben ehrenwerte Ziele, Frieden, Liebe,
Paradies, all das. Aber jedem ist klar, dass es mehrere Religionen
gibt. Der eine isst kein Schweinefleisch, der andere wartet zudem
auf den Messias, das übt in Geduld, die Dritte geht ins Kloster. Die
müssen halt alle mit ein an der klarkommen. Wenn »Klimatismus« als
Re li gion anerkannt wird, sorgt dies folglich mit einem Schlag für
eine Befriedung der öffentlichen Debatte. Wenn einer sagt: »Du,
ich glaube nicht an den baldigen Weltuntergang«, dann wäre dies
kein Skandal. Er hat halt eine andere Re li gion. Gut wäre, dass die
Klimatisten als Religionsgemeinschaft ihre Messen an zugewiesenen
Orten abhalten müssten. Die Katholiken dürfen an Weihnachten ja
auch nicht in Berlin die Kreuzung Großer Stern blockieren, obwohl
das religiös Sinn machen würde, wegen des Sterns von Bethlehem.
Es würde den Zentralrat der Klimatisten geben, ein Konkordat und
eine Klimasteuer, die vom Zentralrat festgelegt wird, aber man darf
austreten und ist dann steuerbefreit. Ich hätte natürlich auch nichts
gegen einen neuen Feiertag.
Fasten und Verzicht kennen andere Religionen ebenfalls. Die an-
deren Glaubensrichtungen haben allerdings an bestimmten Aus-
nahmetagen eine orgiastische Note, man denke an die sittenbefreite
Fastnacht oder daran, wie die Muslime es am Ende des Ramadan
richtig krachen lassen. Das fehlt noch, ein Klimafasching, wo die
alle an einem Tag des Jahres Auto fahren, Bratwurst essen und CO₂
verursachende Kinder produzieren. Das muss im Hochsommer
stattfinden, dann machen die Christen mit ihrem unsinnlichen
Februartermin keinen Stich mehr. Danach ab zur Klimabeichte,
mit Kompensationszahlungen! Aber ich mische mich in andere Re-
ligionen ungern ein.
Zu hören unter http://www.zeit.de/audio
Illustration Martin Fengel
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