NEUES, ALTES,
BLAUES
APÉRO
Erika Stürmer-Alex und
Christine Müller-Stosch in IM STILLEN LAUT
Polaroids von April Dawn Alison, o.J.
A
usgrenzung, Hass und Heidi Klum:
Was müssen Dragqueens nicht alles
ertragen. Mit ihrer neuen TV-Show
sind die Themen Drag und Travestie endgül-
tig vom Mainstream geschluckt. Bevor
Medienspektakel oder preisgekrönte Serien
wie TransparentTransparentTransparent den Blick auf queere Biogra den Blick auf queere Biogra-
fien lenkten, lagen diese meist im Dunkeln.
Ein Fund in Kalifornien erlaubt nun einen
außergewöhnlichen Blick in eine jener ver-
borgenen Welten: Über Jahrzehnte hinweg
hatte sich der in der Bronx geborene Militär-
veteran Alan Schaefer zu Hause – fern der
Blicke von Freunden und Familie – immer
wieder einer zweiten Identität hingegeben:
April Dawn Alison, ein queeres Alter Ego,
festgehalten in über 9.000 Polaroids und
unzähligen Posen. April im BDSM-Kostüm,
als vollbusige Hausfrau oder als Glamour-
Queen – ein Maskenspiel, das bis in die spä-
ten Sechzigerjahre zurückreicht und nun zu
uns hinüberleuchtet, berührend und voller
Humor zugleich. Heimlich sind die Bilder
entstanden, aber nichts an ihnen ist ver-
druckst oder schüchtern. Mit weit aufgerisse-
nen Augen kokettiert April Dawn da mit
einem Betrachter, den es vielleicht nie hätte
geben sollen. Nur durch einen Zufall haben
die Polaroids überlebt. Als Schaefer 2008
starb und sein Besitz verkauft wurde, fielen
dem Nachlassverwalter 14 Boxen mit Foto-
grafien auf. Schließlich kaufte sie der Maler
Andrew Masullo und spendete sie dem San
Francisco Museum of Modern Art, wo sie
nun erstmals zu sehen sind. MW
DDR-
DUO
Beim Lesen des Stasi-Berichts
geht das große Kichern los. Erika
Stürmer-Alex und Christine
Müller-Stosch sind 81, seit 40 Jah-
ren ein Paar und hocken im Atelier
wie zwei kleine Mädchen. „Er fuhr auf den
Hof der Stürmer-Alex und sah circa 10
Personen an einer Kaffeetafel“, erfährt man
da über die Abenteuer eines Spitzels. „Und
alle waren völlig nackt!“ Stürmer-Alex war ei-
ne der prägnantesten Künstlerinnen inner-
halb der DDR, trotz Westtendenzen und
lesbischer Beziehung. Wie über-
steht man da ein Regime? Wie
überlebt die eigene Kunst? Die
Dokumentation Im Stillen laut,
die Ende Oktober Premiere feiert,
widmet sich zwei Frauen auf der Suche
nach Selbstbestimmung. Wegen der Sache mit
dem freizügigen Kaffeeklatsch protestiert
Müller-Stosch dann doch: Ein paar Gäste hat-
ten ja schon immer was an. „Na, es war
August“, schmunzelt Stürmer-Alex, „möglich
ist es.“ MW
APRIL
DAWN
ALISONALISON
Zwischen
zwei Welten
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