Berlin
Berliner Zeitung·Nummer 249·26./27. Oktober 2019 (^11) ·························································································································································································································································································
die RecheneinheitIhresCompu-
ters mit Schnee füllen würde,
würde er auch streiken“, sagte ein
Manager des Tochterunterneh-
mens der bundeseigenen Deut-
schen Bahn (DB).Techniker be-
richteten, dass mangelndeWar-
tung und unzureichendeWinter-
vorbereitung zu dem Chaos
entscheidend beigetragen hatten.
DieFahrzeugederab1996geliefer-
ten Baureihe 481, die mit tausend
Wagen bis heute das Rückgrat des
S-Bahn-Verkehrs bilden, seien für
minus 30Grad konstruiert–und
wärenbisherfastnichtaufgefallen.
S-Bahner brachten es auf den
Punkt: Eine ganz eRegion musste
leiden, weil die DB unterHartmut
Mehdornden Börsengangvorbe-
reitetund weitreichendeRationali-
sierung in Gang gesetzt hatte.
LangebevordieSchönefelderFlug-
hafenbaustelle BER hieß,zogBer-
linden Spottder Republikaufsich.
WiekonnteeszudemDesaster
kommen? EinBerliner Bahnex-
perte ,der es damals miterlebt hat,
kommt zu der folgendenBilanz:
„Ich denke,esw ar die extremeFi-
xierung derBahn auf denGewinn
bis hin zu einer gewissenSkrupel-
losigkeit hinsichtlich derSicher-
heit. Gleichzeitig hat man dieBe-
dürfnissederFahrgästeundMitar-
Peter Neumann
hofft, dass die Berliner
nicht enttäuschtwerden.
beiternichtmehrwahrgenommen
oderwahrnehmenwollen.“
Inzwischen wurde dieBerliner
S-Bahn-FlottefürvielGeldnachge-
rüstet.Insgesamtwurdenmehrals
hundertMillionenEuro ausgege-
ben,damitsichdieKrise,dieauch
inderwarmenJahreszeitzuAusfäl-
lenführte,nichtwiederholt,bilan-
ziertPeterBuchner,derimChaos-
Sommer2009S-Bahn-Chefwurde.
FeuchtigkeitinjedemHauch
DieneueFahrzeug-Generation,von
der die DB für 900Millionen Euro
382Wagenbestellthat,sollvomers-
ten Einsatztag an zuverlässig in al-
len Wetterlagen sein–eine Lehr e,
diePolitikerundBahnleuteausdem
damaligen Chaos gezogen haben.
„Alle reden vomWetter,wir auch!
DarumwollenwireinFahrzeugauf
dieStreckebringen,dasvonAnfang
an funktioniert–auch im Winter“,
bekräftigt Alexander Kaczmarek,
der Konzernbevollmächtigte der
Bahnfür Berlin.
„Viele Komponenten der neuen
S-Bahnentsprechendenen,diewir
in der U-Bahn der norwegischen
HauptstadtOsloverbauthaben“,so
Gerald Winzer vonSiemens.Was
sicham HolmenkollenbeiFrostbe-
währt,sollteauchaufderS3imwin-
terlichenWaldbei Rahnsdorftadel-
losarbeiten–sod ieHoffnung.Um
ganz sicher gehen zu können,
wurde Vorserienfahrzeug Nummer
fünf in den Klima-Wind-Kanal ge-
schickt. Nachdem diverseAusnah-
megenehmigungen eingeholt wor-
denwaren,nahmeineDiesellokdie
Wagenin BerlinandenHakenund
schlepptesienachÖsterreich.Dort
haben die vierwöchigenTests am
Montagbegonnen,hießes.
Vier Wochen dauerten auch die
Vorbereitungen.In dieser Zeit wur-
den die Strippen ge zogen, die seit-
demindenWagenAundBdenBo-
den bedecken.Beiden 50Dosen,
die wie Mini-Ufos anmuten, han-
delt es sich umWasserverdampfer.
Denn die Klimaanlagen derBahn
müssen nicht nur mit der Wärme
zurechtkommen, die durchMen-
schen und andereWarmblüter so-
wiedurchSonneneinstrahlungent-
steht. Wasser müssen sie ebenfalls
bewältigen, denn bei jedemAusat-
menwir dFeuch tigkeitfrei.
Auffällig in all dem scheinbaren
Durcheinandersindauchdieterra-
kottafarbenenHeizmatten, die auf
denSitzen derT est-S-Bahnplatziert
worden sind.Sielasse nsich auf 40
Grad erhi tzen, um sitzendeFahr-
gäste darzustellen. „JederMensch
hat eine Wärmeabgabe von
Watt“, erklärtRTA-Chef Haller.Die
länglichenGeräte,die vonder De-
ckebaumelnundanMikrofon eer-
innern, gehören zu den 350Senso-
ren, mit denen die Klimaanlage
überprüft wird–wobei diePlaner
liebervonKlimatisierungsprechen,
denndieneuenS-Bahnensollenbei
Hitzekeine rollenden Eisschränke
werden.
Biszue iner Außentemperatur
von15G radsoll es in den Zügen
19Gradwarmsein, sagt Siemens-
Manager ElmarZeiler. „Wennes
draußen 35Grad heiß ist, streben
wirindenZügen29Gradan .“Wäh-
rend die Klimatisierung in anderen
Nahverkehrsbahnen gut und gerne
30 Proz entdes Stroms sc hlucken
kann, sindin derBerliner Baureihe
483/484 lediglichzehn bis 15Pro-
zent dafür eingeplant.Mehr gebe
dieEnergieversorgungauchkünftig
nichther,sagtGerald Winzer.
Zwei Jahredauer ndie Testsder
neue nS-Bahn-Generation,dieviele
weitere Etappen umfasst. Vorkur-
zemendetendieProfilmessfahrten,
berichtet Projektl eiter Hoffman n.
„JedeS -Bahn-Streckewurdeabge-
fahren“ –umf estzustellen,ob die
neuenZügeanecken.
Daswar nicht der Fall,von ein
paar Ausnahme ninWerkstätten
undAbstellanlagenabgesehen.Wie
berichtetharmonieren die neuen
Stromabnehmernichtmitdendor-
tigen altenStromschienen.Hieß es
zuletztbeiderS-Bahn,dassdieEnt-
wicklungeinesneuenStromabneh-
mersdie„derzeitgrößtetechnische
Herausforderung“ sei, sollen nun
offenbarneueStromschienenmon-
tiertwerden.
DasProjekt neue S-Bahn ist ins
Rollen gekommen.Derschon zi-
tierte Bahnexper te lobt, dass die
Baurei he 483/484 intensiv erprobt
wird:„Z uBeginn hat man wohl di-
verse ernsteProblemstellen gefun-
den, wie denStromabnehmer und
dieDrehgestelle.“Allerdingshätten
die Züge viel eher bestelltwerden
müssen: „Dass der heutigeFahr-
zeugmangel auch politisch ver-
schuldetwurde,istbekannt.“
ErsteFahrtamNeujahrstag
Eigentlich war alles klar:Als Reak-
tion auf die S-Bahn-Krise kündigte
die Senatsverwaltung fürStadtent-
wicklung2010an,dasssieeinenTeil
des S-Bahn-Betriebs ausschreiben
will. Aber nicht nur die Linke,son-
dernauch großeTeile der SPD
fürchteten, dassWettbe werb zur
„Privatisierung“ derS-Bahn führen
wird. Siewollten,dassdiestaatliche
DB Eigentümer bleibt–obwohl sie
sich in Berlin wie ein knauseriger
Privatmannbenommenundmitih-
remSparwahn die S-Bahn-Krise
erst verursacht hatte.Esg ab zwar
amEndedochnocheinVergabever-
fahren(dasdieDBgewann).Wegen
der Debatte kommen die ersten
neuen Züge statt 2017 aber nun
Jahrespäter.Weildie jetzigeFlotte
länger durchhalten und erneuert
werdenmuss ,haben dieS teuerzah-
ler einen dreistelligenMillionenbe-
tragzuschultern.
Jetzthatauch MartinHoffmann
genug vonder Kälte imWiener
Klima-Wind-Kanal. DerStadler-
ProjektleiterschlägtdieschwereTür
zu und nimmt die graue Mützeab.
Bisher habe sich die neue S-Bahn
bei denTests gut geschlagen, sagt
derIngenieur .„Bislan ggabeskeine
Probleme.“ Im kommendenJanuar
sollderPrüfb ericht fürdenAufent-
haltbeiRTAvorlie gen.
„Der Terminplansteht“, sagt
SteffenObst. DieBerlinerkönnten
sich dasDatum schon ma lind en
Kalender schreiben: „Am 1.Januar
2021 gegen vierUhrmorgens be-
ginntamSüdkreuzdieersteFahrt.“
Anzeige außen an der Klimakammer.Bis minus 45 Grad Celsius sindmöglich. Eis bedeckt Türtaster der neuen S-Bahn. Bislang funktioniertdie Technik–aber die Prüfungen dauernauch noch dreiWochen.
GIBDEINEMFREUND
DENLANGLAUFPASS.
Jetzt vonBerlin zum Wintersportnach Östersund.