Handelsblatt - 23.10.2019

(Jacob Rumans) #1

rück, um ein Bewegungsmuster der


Stadt zu erstellen. Auf dieser Basis er-


rechnet er eine Prognose für die wei-


tere Verkehrsentwicklung. „Wir prog-


nostizieren alle 30 Sekunden das ak-


tuelle Verkehrsaufkommen“, sagt


Hofmann. „Alle zwei Minuten schickt


der Quantencomputer aus Kanada


dann individuelle Fahrrouten für die


Fahrer der neun Busse.“


Um ein höheres Verkehrsaufkom-


men auf einer Prognose basierend zu


umfahren, verlasse der Bus laut Hof-


mann an gewissen Stellen eine


Route, die gewöhnliche Navigations-


dienste vorschlagen würden. Oder


anders ausgedrückt: VW glaubt, dass


mithilfe des Quantum Routings ein


möglicher Stau umfahren werden


kann, bevor er entsteht.


Fahrdienste profitieren


Neukart sieht vor allem Vorteile für


Fahrdienste wie Uber. So könnten


potenzielle Fahrgäste und Orte, an


denen sich eine Nachfrage abzeich-


net, bereits vorher ermittelt und an-


gefahren werden. Außerdem ließen


sich die Fahrzeuge entsprechend der


Nachfrage zuteilen, was Leerfahrten


verhindern könnte.


Für Autobauer wird der Markt für


Fahrdienste in Zukunft von immen-


ser Bedeutung sein. Eine Studie von


Strategy&, der Strategieberatung der


Beratungsgesellschaft PwC, legt na-


he, dass das Marktvolumen in


Europa, China und den USA bis 2030


auf 1,2 Billionen Dollar anwachsen


könnte. Frank Wilhelm-Mauch sieht


darin eine Chance für die Autobauer.


„Für die Autohersteller werden sol-


che Anwendungen immer wichtiger,


da sie nicht mehr nur Autos herstel-


len, sondern zu IT-Mobilitätsdienst-


leistern werden müssen. Quantenba-


sierte Navigation könnte eine solche


Dienstleistung werden.“


Denkbar wäre, dass VW die Fahr-


zeuge seines eigenen Fahrdienstes


Moia, der Anfang 2019 in Hamburg


gestartet ist, künftig per Quantum


Routing navigieren lassen könnte. Da-


durch bekäme das Unternehmen im


knallharten Wettbewerb der Fahr-


dienste, der bislang vor allem über


den Preis ausgetragen wird, ein Al-


leinstellungsmerkmal. VW führt ei-


nem Sprecher zufolge bereits Gesprä-


che mit weiteren Städten, um das


Quantum Routing dort in größerem


Umfang umzusetzen. „Mit der heute


verfügbaren Technologie trauen wir


uns auch zu, alle Busse in Lissabon


mit Quantum Routing zu steuern“,


sagt VW-IT-Chef Hofmann. „Und


wenn sich die Hardware weiter in


diesem Tempo entwickelt, dann wol-


len wir für die Zukunft ins Auge fas-


sen, allen Verkehrsteilnehmern in ei-


ner Großstadt quantenoptimierte


Routen anbieten zu können.“


Eine mutige Prognose angesichts


der bislang erfolglosen Entwicklung


in der Navigationsgeschichte. VW


wird in Lissabon zeigen müssen, ob


es das Versprechen einer stress- und


nahezu staufreien Mobilität diesmal


einhalten kann – oder ob es ein jahr-


zehntelang unerfülltes Versprechen


bleibt.



Kommentar Seite 28



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digitalerevolution


DIGITALE
REVOLUTION

Quantencomputer


Zweieinhalb Tage statt 10 000 Jahre


Ist Google bei der Forschung


an Quantencomputern ein


großer Durchbruch


gelungen? Konkurrent IBM


widerspricht.


Roman Tyborski Düsseldorf


E


s war eine Sensation: In ei-
nem versehentlich veröffent-
lichten Papier erklärte Google
kürzlich, bei der Entwicklung von
Quantencomputern einen Durch-
bruch erreicht zu haben. Das Gerät
des IT-Konzerns, so hieß es, könne ei-
ne komplexe mathematische Berech-
nung deutlich schneller lösen als ei-
ner der besten Superrechner der
heutigen Zeit. Experten sprechen in
einem solchen Fall von einer soge-

nannten „Quantenüberlegenheit“. In
der Wissenschaftsszene wurde die
Meldung überwiegend mit Begeiste-
rung aufgenommen.
Doch IBM stellt diesen Bericht nun
infrage. In einem wissenschaftlichen
Beitrag und einem zusätzlichen Blog-
post erklärt das Unternehmen, dass
der Abstand nicht so groß sei, wie
Google behaupte. Der Superrechner


  • pikanterweise einer von IBM – be-
    nötige nicht 10 000 Jahre für die Be-
    rechnung, die der Quantencomputer
    innerhalb von 200 Sekunden löse,
    sondern lediglich zweieinhalb Tage,
    mit verfeinerten Einstellungen viel-
    leicht sogar noch etwas weniger.
    Der Vorwurf von IBM: Konkurrent
    Google habe das Rennen um die Ent-
    wicklung eines Quantencomputers
    manipuliert, indem er nicht die volle


Leistung des Supercomputers ausge-
schöpft habe. Die Schwelle der Quan-
tenüberlegenheit, in der Wissen-
schaft ein wichtiges Ziel, sei damit
nicht erreicht. Google lehnte einen
Kommentar ab.
Was wie ein akademischer Streit
wirkt, hat einen wirtschaftlichen Hin-
tergrund. IT-Konzerne wie Google,
IBM und Microsoft investieren massiv
in die Entwicklung von Quantencom-
putern. Die Technologie ist bislang
nur sehr eingeschränkt kommerziell
nutzbar. Forscher gehen jedoch da-
von aus, dass sie in bestimmten An-
wendungsbereichen große Vorteile
im Vergleich zur herkömmlichen IT-
Architektur bieten könnte – zum Bei-
spiel bei der Prognose des Straßen-
verkehrs oder der Entwicklung von
neuen Materialien.

200


SEKUNDEN


benötigt Googles
Quantencomputer
angeblich für eine
bestimmte Rechen-
operation. Der Super-
rechner von IBM muss
dafür zweieinhalb
Tage arbeiten.

Quelle: Unternehmen


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Digitale Revolution
MITTWOCH, 23. OKTOBER 2019, NR. 204


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