Handelsblatt - 25.10.2019

(Ron) #1

Deutsche Unternehmen in China


Riskante Geschäfte in Xinjiang


Die US-Regierung sanktioniert


chinesische Firmen wegen


Menschenrechtsverletzungen


in der Provinz. Für deutsche


Firmen steigt das Risiko.


Sha Hua Peking


M


an kennt sich. 2014 erhielt
Siemens den Auftrag der
China Electronics Techno-
logy Group (CETC), Signalanlagen für
eine U-Bahn-Strecke zu liefern. Vier
Jahre später verkündeten beide eine
Partnerschaft für „intelligente Ferti-
gungslösungen, Elektronik- und Halb-
leitergeräte, industrielle Internet-
plattformen und Informationssicher-
heit“. Für welchen Zweck die Pro-
dukte verwendet werden, will der
Münchener Konzern nicht sagen.
Dabei lohnt sich ein genauerer
Blick auf CETC, ein 2002 gegründetes
Staatsunternehmen, das als Herstel-
ler von Militäranwendungen begann.
Laut einer Recherche von Human
Rights Watch hat das Unternehmen
eine Datenplattform für die Polizei in
Xinjiang entwickelt, mit der „nicht
vertrauenswürdige Personen“ identi-
fiziert werden können.
Zudem besitzt CETC 42 Prozent
am chinesischen Unternehmen Hik-
vision, einem führenden Anbieter
von Überwachungstechnik. Hikvision
landete Anfang des Monates mit sie-
ben anderen chinesischen Firmen
auf der schwarzen Liste des US-Han-
delsministeriums: US-Firmen dürfen
nur noch mit einer Regierungsgeneh-
migung Geschäfte mit ihnen tätigen.
Die Begründung: die Rolle bei der
Unterdrückung und Überwachung
der muslimischen Minderheiten in
der nordwestchinesischen autono-
men Region Xinjiang. Dort sollen sich
nach Schätzungen von Menschen-
rechtsorganisationen rund eine Milli-
on vor allem uigurische Muslime in
Inhaftierungslagern befinden. Peking
hingegen behauptet, in den „Umer-
ziehungslagern“ islamischen Extre-
mismus zu bekämpfen.
Mit den Sanktionen haben die USA
zum ersten Mal in der Amtszeit des
US-Präsidenten Donald Trump die
Menschenrechtsfrage zu einem The-
ma in den Beziehungen zu China ge-
macht. Damit steigt das Risiko für
deutsche Firmen, die vor Ort aktiv
sind. Sie könnten für ihr eigenes En-
gagement in Xinjiang bestraft werden
oder müssten als Partner sanktionier-
ter Unternehmen reagieren.
Viele namhafte deutsche Unter-
nehmen sind in Xinjiang präsent. Auf
Job-Portalen finden sich Anzeigen
von Böhringer Ingelheim und Frese-
nius für Arzneimittelvertreter in der
Provinzhauptstadt Ürümqi. BASF be-
treibt zusammen mit dem chinesi-
schen Chemieunternehmen Markor
ein Gemeinschaftsunternehmen mit
zwei Werken in Korla, der zweitgröß-
ten Stadt der Region. Bosch verkaufte
allein 2018 rund 48 000 Heizanlagen
für Wohnsiedlungen in Xinjiang.
Denn Xinjiang, die Provinz, in der
seit Jahrzehnten ethnische Spannun-
gen herrschen, war einst der Ort, wo
Unternehmen investierten, die sich
mit Peking gut stellen wollten. Die
chinesische Regierung wollte das
westliche Hinterland entwickeln.
Volkswagen eröffnete 2013 ein Werk
in Ürümqi. Es gibt heute keine Zulie-
ferer dort; die Komponenten werden
aus Ostchina nach Ürümqi ver-


schickt. Mit einer Kapazität von
50 000 Santanas jährlich liegt das
Werk weit unter den Leistungen an-
derer VW-Anlagen. „Volkswagen ist
sich der Lage in der Region be-
wusst“, schreibt der Konzern in einer
Stellungnahme. „Auch deshalb ist
das Unternehmen bemüht, einen
Beitrag zur Entwicklung der Region
und zum Zusammenleben der dorti-
gen Volksgruppen zu leisten.“ Bran-
chenkenner sprechen von einem Ge-
fallen für die chinesische Regierung,
für den die Wolfsburger eine Geneh-
migung für den Bau einer Anlage im
boomenden Foshan erhielten.
Xinjiang ist ein wichtiger Abschnitt
in der Landroute der „neuen Seiden-
straße“, dem Prestigeprojekt von
Staats- und Parteichef Xi Jinping. Von
den milliardenhohen Investitionen

will auch Siemens profitieren. Fra-
gen, wie viel Siemens über die Rolle
von CETC im Überwachungssystem
von Xinjiang weiß, lässt der Konzern
unbeantwortet. Human Rights Watch
berichtet, auf der „integrierten Platt-
form für gemeinsame Operationen“
könne die Polizei Personen-, Verhal-
tens- und Bewegungsdaten sammeln
sowie Menschen markieren, die als
„verdächtig“ gelten. Auf die Frage
des Handelsblatts, ob auch Siemens-
Technik dabei Anwendung findet,
schreibt das Unternehmen, dass
„Standardprodukte und Lösungen
von Siemens Einsatz in Fertigungsan-
lagen unseres Kunden“ fänden.
Erste chinesische Firmen sehen im
Engagement in Xinjiang ein Reputati-
onsrisiko. Im April verkaufte das Ge-
sichtserkennungs-Start-up SenseTime

seine Anteile am auf Überwachungs-
technologie in Xinjiang spezialisier-
ten Unternehmen Tangli Technology.
Insider munkelten, man habe US-In-
vestoren vor dem geplanten Börsen-
gang nicht abschrecken wollen.
Auch in Deutschland steigt die Auf-
merksamkeit für das Thema Xinjiang.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete
Margarete Bause hält ein Vorgehen
auf EU-Ebene für „angebracht“ und
fordert, die Bundesregierung solle
sich für individuelle Sanktionen ge-
gen verantwortliche Personen einset-
zen. Diese Entwicklungen schrecken
die deutschen Unternehmen vorerst
nicht ab. VW etwa setzt auf sein „En-
gagement in der wirtschaftlich wach-
senden Region“. Gerade erst habe
man ein Fahrzeugtestgelände in der
Provinz eröffnet.

Wirtschaft & Politik


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WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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