„ Die Türkei hat uns alle
in eine sehr schreckliche Lage
gebracht.“
Mark Esper, US-Verteidigungsminister, ist
überzeugt, dass die Türkei „in die falsche
Richtung“ steuert und sich Russland annähert.
Sie solle wieder zu dem „verantwortungs -
bewussten Verbündeten“ werden.
„Viele Länder haben mit den
Konsequenzen des
arabischen Frühlings zu
kämpfen, in dessen Folge die
Situation in ganz Nordafrika
destabilisiert wurde.“
Wladimir Putin, Russlands Präsident
Stimmen weltweit
Über die weitreichenden Auswirkungen des
Brexits macht sich die italienische Zeitung
„Corriere della Sera“ Gedanken:
E
s ist noch nicht abzusehen, wie der quä-
lende Ablauf des Brexits enden wird: Es
scheint so, dass Premier Boris Johnson
den Austritt Großbritanniens zum 31. Oktober
nicht erreicht (...). Man kann aber auf jeden Fall
erkennen oder sich zumindest vorstellen, dass
der Brexit nicht nur bedeutsame wirtschaftliche
Auswirkungen haben wird. Er könnte auch Ände-
rungen in den geopolitischen Gleichgewichten
ankündigen. Er könnte eine Revolution auslösen,
den Verfall der transatlantischen Beziehungen
beschleunigen und einen noch nicht erlebten
Bruch zwischen einem Block der angelsächsi-
schen Demokratien und Kontinentaleuropa aus-
lösen. Das Referendum, bei dem sich die Brexit-
Partei durchsetzte, war 2016, kurz vor der von
Donald Trump gewonnenen amerikanischen Prä-
sidentschaftswahl. Es war noch die Präsident-
schaft Obamas. Aber das Ausfransen der transat-
lantischen Beziehungen war schon einige Zeit im
Gange. Wenn auch mit einem anderen Stil als
sein Nachfolger, begann schon Obama, den inter-
nationalen Einsatz der USA neu auszurichten.
Auch die britische Zeitung „The Times“
kommentiert am Donnerstag den Fund von
39 Leichen in einem Container nahe London:
B
islang ist wenig über ihre Herkunft be-
kannt geworden, aber es scheint klar zu
sein, dass sie verzweifelte Menschen wa-
ren, die sich ein besseres Leben in Großbritan-
nien erhofften.
Ihre Identität herauszubekommen und die Ban-
den zur Rechenschaft zu ziehen, die von ihrem
Leid profitierten, erfordert komplexe Detektiv -
arbeit.
Solange Großbritannien noch in der EU ist, kön-
nen wir dafür eine große gemeinsame Daten -
basis und Mechanismen zur Beschleunigung der
Kooperation zwischen Polizeikräften nutzen.
Was auch immer im Brexit-Prozess als Nächstes
geschieht, die Politiker müssen dafür sorgen,
dpa, AFP, APdass diese Zusammenarbeit fortgesetzt wird.
Die belgische Zeitung „De Standaard“
kommentiert am Donnerstag den Fund von
39 Leichen in einem Container nahe London:
W
ie verzweifelt muss jemand sein, um
sich in der Hoffnung, auf diese Weise
nach England zu gelangen, in einen
abgedichteten Container einschließen zu lassen?
Wie bestialisch muss jemand sein, um 39 Men-
schen in einem luftdichten Kühlwagen einzu-
schließen, in dem die Temperaturen auf bis zu 25
Grad unter null sinken können? (...) Die Migrati-
on wirft eine der größten, wenn nicht die größte
moralische Frage unserer Zeit auf. Wie weit soll
die Gesellschaft die Tore öffnen für Menschen
auf der Flucht vor Krieg, Armut und Klimawan-
del? Wohlwissend, dass man nicht alles Leid der
Welt tragen kann. Wie unerbittlich schließt man
die Grenzen des Kontinents, wenn man weiß,
dass dadurch Menschen sterben?
A
ls weltweit zweitgrößter Weizenexporteur nach
der Ukraine ist Russland in Afrika ein gern gese-
hener Partner. Kremlchef Wladimir Putin
streicht die stark steigenden Lieferungen von Lebens-
mitteln und anderen zivilen Gütern auf dem ersten Gip-
feltreffen mit mehr als 40 afrikanischen Staats- und Re-
gierungschefs in dieser Woche mächtig heraus. Doch
Russland ist kein Wohltäter. Das Land ist vor allem der
größte Waffenexporteur nach Afrika. 19 Militärabkom-
men mit afrikanischen Staaten hat Moskau allein in den
vergangenen vier Jahren geschlossen.
Es sind aber nicht nur die offiziellen Lieferungen von
Kampfjets, Panzern und Kalaschnikows, die den Kreml
zum gefragten Partner gerade von Diktatoren und Des-
poten in Afrika machen. Vor allem sind es die privaten
russischen Söldnerheere, die mit Kampfeinsätzen, Mili-
tärberatern sowie mit politischer Einmischung und der
Manipulation lokaler Wahlen zweifelhaften Herrschern
ihr Amt gesichert oder erst beschert haben. Bezahlt ha-
ben die afrikanischen Regierungen mit lukrativen
Schürf- und Förderrechten für Öl, Gold und Platin, Dia-
manten und andere Rohstoffe sowie mit Staatsaufträgen
an russische Konzerne etwa für den Bau von Atomkraft-
werken.
Die zweifelhaften Politberater aus Moskau nutzen ih-
re Expertise aus der Heimat bei Wahlfälschungen und
Einschüchterungen von Wählern, bei Fake-News-Kam-
pagnen und Medienmanipulationen. Russland bereitet
ihnen dort ein Spiel- und Experimentierfeld par excel-
lence. Hinter der Wagner-Söldnertruppe, die aktuell
auch im Norden Syriens für Diktator Baschar al-Assad
die letzten aufständischen Gebiete zurückerobert, steht
Jewgeni Prigoschin, ein langjähriger Vertrauter des rus-
sischen Präsidenten, der von US-Sonderermittler Ro-
bert Mueller angeklagt ist wegen der Einmischung in
die US-Wahlen 2016 zugunsten Donald Trumps.
Es ist eine kuriose Gemengelage, in der sich Russland
auf die Weltbühne zurückgekämpft hat. Mit dem Zerfall
der Sowjetunion 1991 wandten sich afrikanische Ver-
bündete reihenweise von Moskau ab. 2013 wurde die
letzte russische Militärbasis in Syrien fast geschlossen
und damit Russlands Abschied als einstmals wichtige
Macht im Nahen Osten eingeleitet.
Mit dem Kampf in Syrien an der Seite des Machtha-
bers Assad und mit Moskaus zweifelhaftem Wirken in
Afrika sendet Putin das Zeichen aus, fest an der Seite
seiner Partner zu stehen – in Zeiten, in denen sich US-
Präsident Donald Trump wankelmütig und unbere-
chenbar in der Außenpolitik präsentiert wie zuletzt in
Syrien. Dem Kreml hat dieses Engagement mit zweifel-
haften Methoden die Rückkehr zu enormer geopoliti-
scher Bedeutung ermöglicht.
Afrika
Moskaus Diktaturexport
Mit zweifelhaften Methoden
sichert sich der Kreml in Syrien
und weiten Teilen Afrikas
seine Rückkehr auf die Weltbühne,
sieht Mathias Brüggmann.
Der Autor ist International Correspondent.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Wirtschaft & Politik
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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