Handelsblatt - 25.10.2019

(Ron) #1

Firmenjubiläum


Weiblich und


wissbegierig


Der Porzellanhandel Langeloh existiert


bereits seit 100 Jahren – eine


Geschichte über Frauen, die handeln.


Sabine Spindler München


D


eutschland hat nicht viele Galerien und
Kunsthandlungen, die auf eine hundertjäh-
rige Geschichte zurückblicken können. Und
schon gar keine, deren Geschicke über drei Genera-
tionen hinweg von Frauen gelenkt wird wie die des
Kunsthandels Langeloh Porcelain. Bei Friedel
Kirsch, der heutigen Inhaberin und Enkelin der Fir-
mengründerin Elfriede Langeloh, ruft das Auswärti-
ge Amt aber nicht mehr wie 1959 an, um für den
amerikanischen Präsidenten einen Satz Meissner Ka-
kao-Tässchen als Gastgeschenk zu erwerben.
Der Blick auf Porzellan hat sich geändert. „Der
Markt ist heute viel anspruchsvoller geworden, Mu-
seen und Sammler wollen vor allem bedeutende
Stücke“, sagt die profunde Marktkennerin im Ge-
spräch mit dem Handelsblatt. Keine 24 Stunden
stand das stattliche Paar Meissner Mandelkrähen
nach Modellen von Johann Joachim Kaendler vor
zwei Jahren an ihrem Stand auf der Messe „High-
lights“. Es ist das einzige noch existierende Paar von
drei um 1730 produzierten. Der Preis war sechsstel-
lig. Und auch die Häuschen und Stallungen aus dem
sogenannten „Holländischen Dorf “, das der sächsi-
sche Minister Graf Brühl 1743 als Porzellan-Dekorati-


on für den Dessert-Gang anfertigen ließ, gingen einst
in Windeseile in Sammlerhand.
Seit 1979 befasst sich Friedel Kirsch mit dem „wei-
ßen Gold“. Sie weiß: Für seltene Stücke wie die Meis-
sen-Schale 1729/30 aus dem ersten Hofservice August
des Starken mit dem Dekor des gelben Löwen oder
für die verführerische „Isabella“ von 1759/60 aus der
Commedia-dell’Arte-Serie nach Modellen Franz An-
ton Bustellis aus der Nymphenburger Porzellanmanu-
faktur gibt es auf dem internationalen Porzellan-Markt
keine Absatzprobleme. Die attraktive Kleinskulptur
ging gerade im unteren sechsstelligen Bereich in eine
neue Sammlung. In ihrem Haus in Weinheim, wo sie
seit 1981 ihre Galerie betreibt, korrespondiert sie mit
Sammlern und Museen in den USA, in Japan, neuer-
dings in Lateinamerika, aber auch in ganz Europa.
Gut vernetzt war auch schon die Firmengründe-
rin. Anders hätte Elfriede Langeloh kaum den Auf-
stieg geschafft von der Hausdame eines Arztes und

Porzellansammlers zur „Porzellankönigin“, wie ein
Zeitgenosse sie nannte.
Ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkriegs eröffnete
die alleinstehende 37-Jährige in Köln ihr erstes Ge-
schäft. Andere Kunsthändler agierten immer noch als
Generalisten mit Orientteppichen und gotischen Ma-
donnen, sie konzentrierte sich ausschließlich auf Por-
zellan und Fayencen des 18. Jahrhunderts. Und wäh-
rend die Politik über den verlorenen Krieg lamentier-
te, tauschte sie sich mit bedeutenden internationalen
Händlern aus und knüpfte Kontakte nach Amerika.
Elfriede Langeloh war in Kunsthändlerkreisen ei-
ne Ausnahmeerscheinung: weiblich, wissbegierig,
unverheiratet und erfolgreich. Bald eine Instanz in
Echtheitsfragen. Im Zweiten Weltkrieg konnte sie
viele Kunstwerke nach Wiesentheid in Franken ins
Schloss der Grafen zu Schönborn auslagern.
Handel war ihr Lebenselixier. Kaum war das Bom-
bardement 1945 vorbei, erwarb sie mit einem Berli-
ner Kollegen das Jagdservice des Kurfürsten Cle-
mens August. Viele dieser herrlichen Fayence-Schau-
gerichte sind heute in Schloss Clemenswerth zu
sehen. Mit 66 Jahren richtete sie 1948 zum zweiten
Mal in Köln ein Geschäft ein. Hier ging bald die deut-
sche Großindustrie ein und aus: Grundig, Thyssen,
Oetker. Viele Sammler blieben treu, als Langelohs
Tochter Paulette Neumann Anfang der 1960er-Jahre
das Geschäft übernahm. Sie konnte unter anderem
dem Schokoladenkönig Peter Ludwig ein Service in
einem Koffer verkaufen, das der frei arbeitende
Hausmaler Bartholomäus Seuter bemalt hatte.
Kunsthandel und Forschung gaben sich hier im-
mer die Hand. Der 800 Seiten starke Jubiläumsband
ist ein wissenschaftliches Buch über die bedeutend-
sten Stücke aus dem Hause Langeloh. Den „Ritter-
schlag“ hat die Tefaf ihm erteilt. Im Frühjahr wird
Friedel Kirsch erstmals in Maastricht teilnehmen.
Nur die Tradition, dass Frauen die Geschäfte führen,
wird unterbrochen. Juniorchef ist heute der 40-jähri-
ge Schwiegersohn Christian Kirsch.

Meissner Mandel-
krähen: Das letzte
noch existierende
Paar von 1730.

Kunstmarkt
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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Langeloh Porcelain



  




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