Die Welt Kompakt am Sonntag - 20.10.2019

(Rick Simeone) #1

46 KULTUR WELT AM SONNTAG NR.42 20.OKTOBER2019


Ob bei den Screaming Trees, bei
Queens Of The Stone Age, mit Isobel
Campbell, Greg Dulli oder Duke Gar-
wood – stets konnte man sicher sein,
dass der markig-knurrige Bariton von
Mark Lanegan jedem beliebigen Song
eine abgründige Tiefe verleihen kann.
Doch diese unglaubliche Stimme, die
man seit Grunge-Zeiten im Ohr hat,
klingt auf „Somebody’s Knocking“ mü-
de und verbraucht. Bei der bösen Psy-
chobilly-Nummer „Disbelief Supsensi-
on“, mit der das Album beginnt, und bei
der Lanegan von Scham und Ikarus-

Fantasien erzählt, merkt man das noch
nicht unbedingt. Nur das Synthieblub-
bern irritiert ein wenig. Dieser Syn-
thesizer legt aber letztlich die Spur für
den Rest des Albums, das in die späten
70er-Jahre reist, zwischen Joy Division
und den Psychedelic Furs ankommt,
sich an elektronisch infiziertem Post-
Punk abarbeitet, während Lanegan
versucht, auch stimmlich Ian Curtis
nachzueifern. Besonders in „Dark Disco
Jag“ und „Playing Nero“ sind die An-
leihen bei Joy Division unüberhörbar –
und „Penthouse High“ imitiert sogar

deren Verwandlung zu New Order.
GUNTHER REINHARDT

PLATTENKRITIK

Mark Lanegan


Band


Der „Rolling Stone“, Deutschlands
wichtigstes Musikmagazin, erstellt
die Plattenkritik exklusiv für WELT
AM SONNTAG Kompakt

Mark Lanegan
Band:
„Somebody's
KKKnocking“nocking“
(Heavenly/PIAS)

a sind sie wieder: Linda
Hamilton und Arnold
Schwarzenegger, 28 Jahre
nach ihrem letzten ge-
meinsamen Abenteuer.
Man sieht es ihnen an. Hamilton, mitt-
lerweile 63, hat graue Haare und in ih-
rem Gesicht das Leben einige Spuren
hinterlassen, Schwarzenegger, 72, ist
ein wenig hüftsteif, und wo einmal so
viele Muskeln waren, als hätte es ein
Bildhauer nicht übers Herz gebracht, zu
viel Marmor aus dem Block zu meißeln,
ist jetzt der Ansatz eines gemütlichen
Bäuchleins zu sehen.

VON PETER PRASCHL

Doch alterssanft sind sie kein biss-
chen geworden. Das Erste, was sie sagt,
als sie seiner nach all den Jahren ansich-
tig wird: Dir ist schon klar, dass ich dich
umbringen werde – er entgegnet darauf,
das könne er verstehen. Und auch bei
ihm braucht es nur ein paar Minuten,
bis er wie ehedem mit sehr großen Ge-
wehren alles wegballert, was vor deren
Mündung steht. Es ist wie mit allen gro-
ßen Helden. Sie müssen immerzu wei-
termachen, ihre Tricks vorführen, Mick
Jagger den Balztanz, Peter Handke den
Wutanfall, Madonna die ewige Neuer-
findung. Bei dem Terminatormodell
T-800 ist es das Durchhalten im Abnut-
zungskampf gegen die künstliche Intel-
ligenz. Für Menschen, die selbst schon
Mum Jeansund Dad Bodstragen, ist es
eine der schönsten Nachrichten dieses

Herbstes. Arnold Schwarzenegger und
Linda Hamilton sind nach fast drei Jahr-
zehnten wieder vereint, und das ist
nicht das einzige Wiedersehen in „Ter-
minator: Dark Fate“. Auch James Came-
ron hat als Produzent und Co-Dreh-
buchautor mitgewirkt. Die Geschichte
geht jetzt dort weiter, wo 1991 „Termina-
tor 2: Tag der Abrechnung“ aufgehört
hat, die Folgen dazwischen, T3 bis T5,
werden behandelt, als wären sie ein
Missverständnis gewesen.

ZWEI STUNDEN GEMETZELEs ist
wieder so düster wie ehedem. Ein su-
pertödlicher Terminator, der Rev-9, ist
aus der Zukunft gekommen, um endlich
Schluss zu machen mit jenem Men-
schen, die die Macht der Posthumanen
herausfordern könnte – einer jungen
Frau namens Dani Ramos, die das Zeug
hat, sich an die Spitze eines Aufstandes
gegen die künstliche Intelligenz zu set-
zen (sie weiß das allerdings noch nicht).
Deswegen muss sie getötet werden.
Und deswegen müssen Sarah Connor
(einst selbst laut Selbstauskunft Rette-
rin von „drei Milliarden Menschen“),
der T-800 (ein halbwegs pazifistisch ge-
wordener Terminator) und Grace (eine
durch neuronale Implantate verbesser-
te menschliche Soldatin aus der Zu-
kunft und Beschützerin Danis) alles da-
ransetzen, dass Dani Ramos überlebt,
das Schicksal der Menschheit hängt von
ihr ab. Das ist die Grundkonstellation
von „Terminator: Dark Fate“, die
Durchführung ergibt sich daraus: zwei

Stunden Gemetzel, bis es schließlich
doch gelingt, den Terminator unschäd-
lich zu machen. Das Ding ist zäh, sobald
man ihm den Metallkopf abhackt, wach-
sen ihm sofort neue nach, falls er sich
im Feuer verflüssigt, bildet die Schmel-
ze sofort neue Formen, Ovids Metamor-
phosen waren Pillepalle dagegen.
Alles beim Alten also? Nicht ganz. Die
Frau, die unbedingt gerettet werden
muss, ist schließlich eine Mexikanerin.
Man kann getrost davon ausgehen, dass
es sich bei dieser Wendung der Termi-
natorsaga um ein Menetekel für uns
Prä-Posthumane handelt, die dabei
sind, ihre Humanität aufzugeben. Und
tatsächlich spielt eine lange Sequenz
von „Terminator: Dark Fate“ in einem
Auffanglager für illegale Grenzüber-
schreiter, Käfige, in denen Gestrandete
festgehalten werden, herumkomman-
dierende Polizisten, schwerbewaffnete
Soldaten.
Bereits „Terminator 2“ war ja so et-
was wie ein Wackelbild der Gegenwart:
allgegenwärtige Überwachung, der Ver-
such der Machtergreifung durch eine
künstliche Intelligenz, die man nicht zu
fassen bekam, das rhizomatische Wu-
chern und die Verflüssigung der Macht


  • als hätte jemand Deleuze und Fou-
    cault in Blockbuster-Sprache überset-
    zen wollen. 28 Jahre danach werden im-
    mer noch Signale für jene gesetzt, die
    sich vorgenommen haben, in so einem
    Film mehr zu erkennen als nur eine
    zwei Stunden dauernde Material-
    schlacht. Der von Arnold Schwarzeneg-


ger gespielte Terminator ist in den letz-
ten zweieinhalb Jahrzehnten durch die
Liebe einer Menschenfrau (nichts Kör-
perliches, wie er unverzüglich betont)
zu einem Fastmenschen gereift.
Er versteht Gefühle, auch wenn er
selbst keine hat. Er hat ein Kind großge-
zogen, Windeln gewechselt, die Einkäu-
fe verstaut, die seine Frau nach Hause
gebracht hat. Er weiß, dass die Gardinen
in einem Kinderzimmer nicht einfarbig
sein sollten, sondern bunt!, lebendig!,
fröhlich! Er ist ein weißer alter Mann –
und gänzlich anders als seinesgleichen
oft nachgesagt wird, er hat eingesehen,
verstanden, ist sanft und sachte gewor-
den, selbstverständlich wird er sich op-
fern, wenn es darum geht, Frauen zu
retten. Es die Herrschaft der Liebe, für
die er in den Kampf zieht, nicht die
Herrschaft des Mannes.

AM ENDE RICHTEN’S DIE FRAUEN
Und selbstverständlich hat es auch viel
zu bedeuten, dass die Menschheit in
„Terminator: Dark Fate“ von drei Frau-
en gerettet wird. Ein erfreulich seltsa-
mer Film also. Zwei Stunden exzessives
Geballere, sehr karge Dialoge, Zerdep-
pern von Flugzeugen, Raketenwerfern,
Helikoptern, Autofabriken und mensch-
lichen Körpern, es kommen Barbecues,
Biere, Staudammmauern, Wunderwaf-
fen, Schießübungen an Wassermelonen
vor – das unverhohlene Mackerpro-
gramm also. Und dann geht es am Ende
um Rettung der Erde durch eine weibli-
che Extinction Rebellion.

Nicht


reden,


schießen


7 2 Jahre und nicht müdeArnold Schwarzenegger als Terminatormodell T-800

©

2019 TWENTIETH CENTURY FOX

/

Wenn es darum geht, die Welt zu


retten, ballert der „Terminator“


Arnold Schwarzenegger auch im


sechsten Teil mit großem Kaliber


D

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