Der Spiegel - 19.10.2019

(John Hannent) #1
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Media Pioneer
Mächtiger Partner
 Der Einfluss des Springer-Konzerns auf
das neue Medienunternehmen des Publi-
zisten Gabor Steingart ist größer als
bekannt. Laut Handelsregisterakten hält
die Axel Springer SE über eine Tochter
46,48 Prozent der Anteile an Steingarts
Media Pioneer Publishing GmbH. Damit
ist Springer größter Anteilseigner des
Start-ups, das per Redaktionsschiff auf
der Spree durch das Berliner Regierungs-
viertel kreuzen will. Auch die »publizisti-
schen Grundsätze« der neuen Medien -
firma erinnern an die Satzung des Sprin-
ger-Konzerns: Ähnlich wie bei Springer
bekennt sich die Media Pioneer in ihrem
Gesellschaftsvertrag etwa zur »Solidarität
mit der freiheitlichen Wertegemeinschaft
und den Vereinigten Staaten von Ameri-
ka«. Bislang hatte Media Pioneer (Eigen-
werbung: »100% Journalismus. Keine
Märchen.«) be -
hauptet, Springer
halte nur 36 Pro-
zent der Firmen -
anteile. »Springer
ist mein Partner,
nicht mein Vor-
mund«, zitierte das
Fachblatt »Hori-
zont« Steingart im
Mai. Laut Handels-
register war Sprin-
gers Anteil jedoch
von Anfang an
mehr als zehn Pro-
zentpunkte höher
als kommuniziert.

Demnach hält Steingart, Ex-Herausgeber
des »Handelsblatts« und davor beim
SPIEGEL, über eine Firma nur noch 43,52
Prozent an seinem Start-up. Zehn Pro-
zent kontrollieren zwei Firmen, die laut
Handelsregister von Media-Geschäfts -
führer Ingo Rieper gegründet wurden. Ein
Sprecher von Media Pioneer bestätigte,
dass Springer 46,48 Prozent der Firmen-
anteile hält – »zehn Prozentpunkte«
davon allerdings nur »vorübergehend und
treuhänderisch«. Dieser Anteil würde
nach der geplanten Umwandlung der
GmbH in eine Aktiengesellschaft »zur
Ausgabe an die Leser zur Verfügung«
stehen. Springer würde die fraglichen zehn
Prozent später wieder »an die Gesell-
schaft veräußern«. Auf Werbeerlöse will
die Media Pioneer laut ihrer Website ver-
zichten; finanzieren will sie sich nicht nur
durch Leseraktien, sondern auch über ein
Klubmodell, das Mitgliedern Zugang zum
Schiff ermöglicht. SRÖ, WAS

Die Deutschen, diese These lässt sich gesichert aufstellen, haben
ein gestörtes, ja irrationales Verhältnis zur Aktie als Geldanlage.
Jüngsten Zahlen zufolge halten gerade einmal 16,2 Prozent der
Bundesbürger, die älter sind als 14 Jahre, Anteilsscheine von Un-
ternehmen, und die meisten davon auch nur indirekt über Fonds.
Obwohl Aktien seit Jahrzehnten höhere Renditen abwerfen als
fast alle anderen Sparformen, wird überschüssiges Geld lieber auf
kaum bis gar nicht verzinsten Sparbüchern, Tagesgeld- oder Giro-
konten geparkt – und dann über die Europäische Zentralbank
(EZB) und deren Zinspolitik gemeckert. Ist ja auch leichter, als sich
ein paar vertiefte Gedanken über die Altersvorsorge zu machen.
Bestätigt fühlen dürfen sich Aktienmuffel von Finanzminister
Olaf Scholz (SPD). Der will Chef einer Partei werden, die Interesse
daran haben sollte, Arbeitnehmer am Sachkapital zu beteiligen.
Doch anstatt sich etwa für Belegschaftsaktien starkzumachen, will
Scholz jetzt den Leuten das ohnehin unpopuläre Aktiensparen so-


gar erschweren. Zusammen mit anderen Ländern will Berlin 2021
die Finanztransaktionsteuer einführen und bei jedem Besitzüber-
gang einer Aktie 0,2 Prozent des Handelsvolumens kassieren.
Nach der Jahrhundertkrise 2007 ff. hatte eine Steuer auf alle
möglichen Finanzgeschäfte weltweit viele Fans, global umgesetzt
wurde sie nie. Jetzt soll sie in abgespeckter Form und ausschließlich
für Aktiengeschäfte kommen. Das soll dem deutschen Fiskus jähr-
lich zwar nur 1,2 Milliarden Euro bringen. Die werden, alles andere
wäre ein kleines Wunder, Kleinanleger und Riester-Sparer zahlen
müssen. Aber der Schaden ist viel größer: Der Gesetzgeber sendet
ein Signal ans Volk, dass Aktien irgendwie Teufelszeug sind.
Was für ein Irrsinn. Aber ein folgerichtiger. Schließlich brüstet
sich Kassenwart Scholz damit, sein Geld auf dem Girokonto zu
bunkern – also genau dort, wo garantiert keine Zinsen anfallen.
Politiker müssen nicht zwingend moralische Vorbilder sein.
Profis in der Sache zu sein würde völlig ausreichen. Tim Bartz

Kommentar

Folgerichtiger Irrsinn


Finanzminister Scholz will Aktiengeschäfte zusätzlich besteuern – für die Altersvorsorge ein katastrophales Signal.

Betriebsrenten

Cook-Pleite wird teuer für
Solidargemeinschaft

 Die Pleite des britischen Reisever -
anstalters Thomas Cook geht indirekt
zulasten von Firmen, die mit der
Touristikbranche überhaupt nichts zu
tun haben. Grund ist unter anderem
das Schutzschirmverfahren, das die
Cook-Tochter Condor beantragt hat.
Es erlaubt der Fluglinie, die Anwart-
schaften ihrer Mitarbeiter auf eine
Betriebsrente in Höhe von knapp
500 Millionen Euro an den Pensions-
Sicherungs-Verein (PSV) zu übertragen.
Die Organisation ist laut Gesetz für die
Absicherung betrieblicher Altersrenten
im Insolvenzfall zuständig und über-
nimmt voraussichtlich vom 1. Dezember
an die Zahlung der Ruhestandsbezüge
für die Condorianer. Das hat allerdings
seinen Preis – und den zahlt die Solidar -
gemeinschaft aller Mitgliedsfirmen, die
betriebliche Altersversorgungssysteme
unterhalten. Noch im Sommer hatte der
PSV seine Mitglieder beruhigt, der Obo-
lus für die Absicherung der Firmenren-
ten solle für 2019 »unter 2 Promille« der
ausstehenden Pensionszusagen aller
Unternehmen betragen und damit unter
dem langjährigen Durchschnitt von 2,7
Promille liegen. Stattdessen soll er nun
spürbar steigen. Aufgrund des »deutlich
höheren Schadensvolumens«, heißt es
in einer aktuellen Mitteilung des PSV,
könne er »zwischen 3 und 3,5 Promille«
liegen. Eine Entscheidung soll Anfang
November fallen. DID MEDIA PIONEER / ILLUSTRATION: JEAN-PIERRE KUNKEL

Geplantes Redaktionsschiff (Simulation)
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