Der Spiegel - 26.10.2019

(backadmin) #1

Polizei


Streit um DNA-Analysen zu


Fahndungszwecken


 Der Deutsche Anwaltverein (DAV)
warnt die Bundesregierung davor, Ermitt-
lern neue Befugnisse bei DNA-Analysen
zu geben. Der Passus im Gesetzentwurf
zur Modernisierung des Strafverfahrens,
der am Mittwoch das Kabinett passierte,
sei ein »Tabubruch«, sagte DAV-Hauptge-
schäftsführer Philipp Wendt. Es gehe um
einen »unzulässigen Eingriff in das Per-
sönlichkeitsrecht«. Polizisten sollen künf-
tig DNA-Spuren, die den Ermittlern nicht
bekannte Personen am Tatort hinterlas-
sen haben, auf die Farbe von Augen, Haa-
ren und Haut analysieren dürfen. Auch
das ungefähre Alter von Gesuchten wäre
ermittelbar, um Fahndungen zu erleich-
tern. Wendt forderte, der Bundestag solle
den Passus kippen, bevor er das Gesetz
beschließe. Der Kriminologe Christian
Pfeiffer kritisiert, der Entwurf wecke


»Erwartungen, die nicht erfüllbar sind«.
Die Wissenschaft sei noch nicht weit
genug. Vorhersagen liegen bei blonden
Haaren in nur 70 Prozent der Fälle rich-
tig. Pfeiffer: »Der Innenminister muss
Geld investieren, damit die Forschung
vorankommt.« Auch im Bundesrat, der
zu dem Entwurf Stellung nehmen muss,
gibt es bereits Änderungswünsche. Die
niedersächsische Justizministerin Barba-
ra Havliza (CDU) will erreichen, dass
auch das Alter von Beschuldigten ermit-
telt werden darf, wenn dieses nicht aus
Dokumenten sicher hervorgeht. »Eine
DNA-Untersuchung ist für den Betroffe-
nen ein wesentlich geringerer Eingriff als
die bisherigen Methoden«, sagt Havliza.
»Es ist ein Unterschied, ob ein Röntgen -
gerät zum Einsatz kommt oder ein
Wattestäbchen.« DNA lässt sich mit einer
Speichelprobe gewinnen. Sollte der
Bundestag die neuen Regeln absegnen,
müssten die Behörden bundesweit knapp
fünf Millionen Euro allein für neue
Analysegeräte ausgeben.SMS

26 DER SPIEGEL Nr. 44 / 26. 10. 2019


Bürokratie


CDU will schneller bauen


 Die CDU will Planen und Bauen in
Deutschland vereinfachen und beschleuni-
gen. Das sieht ein Antrag für den Bundes-
parteitag im November vor, der von meh-
reren Landesverbänden unterstützt wird.
Zur Begründung heißt es, wegen der
wachsenden Zahl planungs- und umwelt-


rechtlicher Vorschriften dauere der Bau
großer Vorhaben – etwa neuer Bahnstre-
cken – zu lang. In einem Zwölf-Punkte-
Plan werden mehr Personal bei Gerichten
und Behörden, kürzere Gerichtsverfahren,
eine Einschränkung des Verbandsklage-
rechts und andere Maßnahmen gefordert.
Außerdem sollten zentrale Verkehrsinfra-
strukturprojekte ausschließlich final durch
den Bundestag beschlossen werden, um

auf ein Planfeststellungsverfahren zu
verzichten. Vorbild dafür ist Dänemark.
»Das aktuelle Planungsrecht in Deutsch-
land genügt nicht den Ansprüchen von
Bürgern und Unternehmen, die zu Recht
erwarten, dass wichtige Infrastrukturvor-
haben schneller geplant und umgesetzt
werden«, sagen die Initiatoren des
Antrags, die Bundestagsabgeordneten
Christoph Ploß und Patrick Schnieder. RAN

Endlager


Millionen-Entschädigung


für Morsleben


 Die Große Koalition will einen Entschä-
digungsfonds für das Endlager in Mors -
leben (Sachsen-Anhalt) einrichten. Damit
sollen die »strukturellen Nachteile des
Standorts durch die Lagerung radioakti-
ver Abfälle« abgefedert werden, heißt es
in einem gemeinsamen Antrag der Frak-


tionen von Union und SPD, der im Haus-
haltsausschuss des Bundestags abgesegnet
wurde. Der Fonds soll bis 2023 mit jähr-
lich bis zu 400 000 Euro aus Bundesmit-
teln auf 1,6 Millionen Euro aufgestockt
werden. Ähnliche Fonds gibt es bereits für
andere Endlager, etwa Konrad oder Asse,
beide in Niedersachsen. In das ehemalige
DDR-Endlager Morsleben wurde nach
der Wende noch bis 1998 strahlender
Abfall auch aus westdeutschen Kernkraft-
werken eingelagert, nun soll das ehe -
malige Kali- und Steinsalzbergwerk still-
gelegt werden. Während westdeutsche
Endlager auch wegen Bürgerprotesten
mit staatlichem Geld versehen wurden,
wurde die Region um Morsleben bislang
nicht entschädigt. »Es ist gut, dass sich der
Bund zu den atomaren Altlasten bekennt,
die auch westdeutsche Kernkraftwerke
in Morsleben hinterlassen haben«, sagt
Burkhard Lischka, SPD-Landesvorsitzen-
der von Sachsen-Anhalt und bis vor Kur-
zem Bundestagsabgeordneter. «Traurig
ist, dass dies erst drei Jahrzehnte nach
dem Fall der Mauer passiert.« KNO

JENS WOLF
Endlager Morsleben

»Hate Speech«

Anzeigen statt löschen


 Die Justizminister der Länder ver -
langen von den Betreibern sozialer
Netzwerke aktive Mitwirkung bei der
Bekämpfung von Hasskommentaren
(»Hate Speech«). In einer von Bayern
eingebrachten Beschlussvorlage für
die Justizministerkonferenz Anfang
November in Berlin heißt es, Aus-
kunftsersuchen der Strafverfolgungs -
behörden müssten »ohne Wenn und

Aber beantwortet werden« – und zwar
auch dann, wenn die betreffenden Fir-
men so wie Facebook ihren Sitz nicht
in Deutschland haben. Bislang reagier-
ten soziale Netzwerke auf Anfragen der
Ermittler häufig weder »zügig« noch
»erschöpfend«. Nach Wunsch der Lan-
desjustizminister soll die Bundesregie-
rung die Betreiber sozialer Netzwerke
dazu anhalten, bei Hasskommentaren
auf ihren Internetseiten die IP-Adres-
sen der Täter an die Justiz zu übermit-
teln. In Frankreich gibt es seit Juni die-
ses Jahres eine solche Vereinbarung.
Der Attentäter von Halle und der
mutmaßliche Mörder des Kasseler
Regierungspräsidenten Walter Lübcke
hatten sich unter anderem in Internet -
foren radikalisiert. »Aus Worten können
Taten folgen«, mahnt Bayerns Justiz -
minister Georg Eisenreich (CSU) in
einem Brief an den Deutschlandchef
von Facebook. Strafrechtlich relevante
Hasskommentare müssten »nicht nur
gelöscht, sondern den Strafverfolgungs-
behörden auch mitgeteilt werden«. ACL

REUTERS
Ehrenwache an Lübcke-Sarg
Free download pdf