Der Spiegel - 26.10.2019

(backadmin) #1
Verhältnis unserer historischen Einschät-
zungen aus. Ich habe die Machtergreifung
und -konsolidierung der Nationalsozialis-
ten als Gesamtprozess angeschaut und
nach der Rolle des Kronprinzen in diesem
Prozess gefragt. Aus dieser Perspektive er-
schien mir Wilhelm eher unbedeutend.
Aber wenn man, wie Malinowski, den
Kronprinzen in den Mittelpunkt stellt und
die Frage von dort aus betrachtet, dann
kommt man wohl zu anderen Ergebnissen.
Es geht hier also weniger um die Tatsachen
als um die Art, wie man nach der Bedeu-
tung eines Individuums in einem histori-
schen Prozess fragt.
SPIEGEL:Malinowski hat zahlreiche Bele-
ge gefunden für Auftritte des Kronprinzen
mit NS-Größen wie SS-Chef Heinrich
Himmler oder Hitlers Adlatus Hermann
Göring; manchmal trug er SA-Uniform.
Malinowski argumentiert, der Kronprinz
habe den Nazis durch seine große öffent -
liche Präsenz symbolisches Kapital zur
Verfügung gestellt.
Clark:Symbolisches Kapital war sicher
wichtig. Allerdings haben sich viele Pro-
minente um die Führung gedrängt: Indus-
trielle, Bankiers, Kirchenführer, Militärs.
Waren die Aufnahmen mit dem Kronprin-
zen für das Regime wichtiger als andere?
Ich bezweifle das.

SPIEGEL:Die Hohenzollern sind das be-
deutendste deutsche Adelsgeschlecht. Sie
haben neun preußische Könige und drei
deutsche Kaiser gestellt. Der Kronprinz
war eine wichtige Symbolfigur, unabhän-
gig davon, was er wirklich zu leisten ver-
mochte.
Clark:Ich frage mich, über wie viel sym-
bolisches Kapital der Kronprinz um 1933
tatsächlich noch verfügte. Ich glaube, die-
ses war längst auf Reichspräsident Paul
von Hindenburg übergegangen. Nicht der
Kronprinz, sondern Hindenburg verkör-
perte das alte Preußentum. Nehmen Sie
den 21. März 1933 ...
SPIEGEL:... die große Propagandaveran-
staltung in Potsdam, mit der sich Hitler in
die Kontinuität einer ruhmreichen preußi-
schen Vergangenheit stellen wollte.
Clark:Das wichtigste Foto von jenem Tag
war die Aufnahme, die zeigt, wie sich Hit-
ler vor Hindenburg verbeugt. Nicht etwa
jene Aufnahme, auf der Hitler mit dem

Kronprinzen zu sehen ist. Die hat es ja
auch gegeben.
SPIEGEL:Aber der Tag von Potsdam hätte
ohne den Kronprinzen nicht stattfinden
können.
Clark:Das darf bezweifelt werden. Die
Veranstaltung war eine Machtdemons -
tration des konservativen Deutschlands,
bei der Hindenburg und nicht der Kron-
prinz im Mittelpunkt stand. Wilhelm
war willentlich Teil der Gesamtkulisse, ge-
hörte aber nicht zu den zentralen Ak -
teuren, auch wenn er das wohl gern ge-
wollt hätte.
SPIEGEL:Eine gewagte These.
Clark:Nicht alle sind meiner Meinung, das
weiß ich. Es muss weiter zu dem Themen-
kreis geforscht werden, und das geschieht
ja auch.
SPIEGEL:Gehen Sie zu Ihrem Gutachten
auf Distanz?
Clark:Ich stehe zu dem, was ich damals
geschrieben habe. Allerdings scheint es
mir im Wissen um die Dimension, die der
Fall erreicht hat, heute wichtiger, nach
der Bereitschaft des Kronprinzen zur
Kol laboration zu fragen als nach seinem
tatsächlichen Einfluss auf die Ereig nisse.
Interview: Klaus Wiegrefe
Mail: [email protected]

»Wilhelm gehörte nicht


zu den zentralen Akteuren,


auch wenn er das


wohl gern gewollt hätte.«


IHR PLUS: KFZ-VERSICHERT


NACH IHREM GESCHMACK.


Service und Leistungen so individuell wie Sie.


Ihr Auto ist für Sie nicht einfach nur ein Auto. Deshalb bekommen Sie bei uns Versicherungslösungen mit der
Leistungsverbesserungsgarantie. So profitieren Sie jederzeit von den aktuellsten Versicherungsleistungen. Ganz automatisch!
Erfahren Sie mehr bei einem persönlichen Gespräch in den Volksbanken Raiffeisenbanken, R+V-Agenturen oder unter auto.ruv.de

Jetzt mit Leistungs-
verbesserung
sgarantie!
Free download pdf