Neue Zürcher Zeitung - 18.10.2019

(Barry) #1

Freitag, 18. Oktober 2019 SPORT43


Zuckerl ecken


im Vergleich


zu Deutschland


Videoschiedsrichter erfüllendie
Erwartungenin derSuperLeague

PETERB. BIRRER, BERN

Auf demFussballplatzkommt es zu
einerRudelbildung. Der BaslerTau-
lant Xhaka scheint dem ServettienTi-
mothé Cognat eine Ohrfeige zu verab-
reichen. Die Hand ist oben, aber ist das
eine Ohrfeige, die den Platzverweis zur
Folge haben müsste?Keine Kamera-
einstellung kann endgültigen Auf-
schluss geben. Guten Gewissens ist nur
eines festzuhalten: XhakasVerhalten ist
grenzwertig. Nicht immer wird klar, ob
eine Tätlichkeit vorliegt.Da können die
Spielszenen hundertfach in derWieder-
holung gezeigt werden.
Die Szene ist eine von über 300, die
in den ersten 10 Super-League-Runden
vomVideo-Schiedsrichter (VAR) über-
prüft worden sind.Die Überwachung aus
demKontrollraum zieht in der Schweiz
fastkeine Beanstandungen nach sich –
zumindest bis jetzt. «Aber wir bleiben
demütig», sagte der Schiedsrichterchef
DanielWermelinger an einer Medien-
orientierung in Bern, «da werden noch
Stürmekommen».Wüsste man nicht um
den VAR, so wäre er bei einigen Spielen
nicht einmal bemerkt worden.

Nur 18Interventionen


Der VAR soll auch nicht im Zen-
tru m stehen. Dennoch: Der Unter-
schied zwischen der Bundesliga und der
Super League frappiert – hier initialer
Zank, dort anfänglicher Seelenfrieden.
Deutschland war 2017 mehr in einer
Testphase und sofort medialen Unwet-
tern ausgesetzt, und «es lief schief,was
schieflaufenkonnte», sagt derDeutsche
Hellmut Krug, der dasVAR-Projekt in
der Schweiz begleitet und dies auch in
Deutschland getan hat, aber nach hefti-
genVAR-Turbulenzen vom Deutschen
Fussballbund (DFB) im November 20 17
abgesetzt wurde. Im Vergleich dazu muss
die Schweiz wie Zuckerlecken sein.
Die Super League pröbelt weniger,
weil sie auf Erfahrungen andererLän-
der zurückgreifen kann. Als am Sitz der
Swiss Football LeagueVAR-Szenen vor-
gespielt werden, ist schnell hörbar, wie
viel zwischenReferees und Beobachtern
gesprochen wird und wie wichtig die
Technik ist.Da wurde nicht gespart. Die
Audio-Kommunikation des Schweizer
Projekts hat viel gekostet, funktioniert
aber gut und ist laut denVerantwort-
lichen ein «Quantensprung» imVer-
gleich zu dem, was 2017 derBundesliga
zur Verfügungstand.«Wir hatten damals
in der Bundesliga allein technisch den
Weg noch nicht gefunden», sagtKrug.
In der Schweizüberprüfte derVAR
in 50Partien über 300 Szenen, also pro
Spiel im Schnitt deren 6. Lediglich 18
Mal kam es zu Interventionen.Dabei
wurden15 «klare und offensichtliche
Fehler» korrigiert, nur einmal muss
sich derVAR vorwerfen lassen, falsch
entschieden zu haben. Dies betraf ein
heimtückischesFoul von hinten, bei
dem selbst mit demFernsehbild nicht
auf den ersten Blick erkennbar ist, dass
dem Gefoulten «die Achillessehne ge-
stempelt wird», wie sich Krug ausdrückt.
Da hätte spätestens derVAR auf Platz-
verweis entscheiden müssen.

Auch im SchweizerCup


Doch zu viel war gut, als dass stunden-
lang über ein, zweiFehler diskutiert
werden muss. DerVAR entspricht dem
Zeitgeist und ist das grösste Millionen-
Programm, das der SchweizerischeFuss-
ballverband (SFV) und die Liga ange-
stossen haben. Die Verantwortlichen be-
tonen, dass sich die Schiedsrichter dank
demVAR wohler fühlen, nachdem
Motto: «Da ist jemand, der mir hilft.»
Der ungeheuer teureVAR-Trend geht
weiter: Ab denAchtelfinals wird der
VAR auch im Schweizer Cup einge-
setzt. Zumindest in den dafür homolo-
gierten Stadien der Super League. Und
wird ein Klub zumAufstiegskandidaten,
wird dessen neues Stadion punktoTech-
nik in dieVAR-Überlegungen einbezo-
gen.Wie inLausanne geschehen.

So schlecht wie seit 30 Jahren nie mehr


ManchesterUnited steckt in der Krise –unter Druck geraten ist vorallem der Trainer Ole Gunnar Solskjaer


HANSPETER KÜNZLER, LONDON


Roy Keane hält wenig von diplomati-
scher Zurückhaltung. DieserFussball-
mannschaft fehle es an Qualität, Be-
gierde und einem richtigen Leader,
sagte der frühere Captain nach der Nie-
derlage von Manchester United im Sep-
tember gegenWest Ham. «DerWegzu-
rück wird lang sein», prognostizierte
Keane, der unter AlexFerguson sieben
Meistertitel gewonnen hatte.
Der NiederlagegegenWest Ham
haben dieRed Devilsein akzeptables
Remis gegen Arsenal und ein desola-
tes 0:1 beim AbstiegskandidatenNew-
castle folgen lassen. Seit 30Jahren sind
sie nie mehr so schlecht in eine Saison
gestartet. Zweimal erst haben sie ge-
wonnen. Mit ihren neun Punkten lie-
gen sie deren15 hinter demTabellen-
führer und sonntäglichen Gegner FC
Liverpool auf dem 12. Platz. Zwischen
Manchester United und den Abstiegs-
plätzen liegen zwei Punkte.


Ein Team wieein Flickwerk


Dabei hatte die Ära Solskjaer so eupho-
risch begonnen. Nachdem die als ver-
meintliche Erfolgsgaranten angeheuer-
ten Startrainer LouisvanGaal undJosé
Mourinho weder den glamourösen Stil
noch dieResultate gebracht hatten, die
im Stadion OldTrafford erwartet wer-
den, sollte der Norweger Ole Gunnar
Solskjaer die Erinnerung an die guten
alte n Zeiten aufleben lassen. Der legen-
däre Edeljoker, der elfJahre für United
gespielt hatte und nur schon wegen sei-
nes Siegtreffersim Champions-League-
Final 1999 gegenBayern München Hel-
denstatus geniesst, sollte kraft seines
herzlichen Charakters eineflickwerkar-
tige Söldnertruppe in eineverschworene
Gemeinschaft verwandeln. Ähnlich wie
es AlexFerguson getan hatte, wollte der
Klub mit jungen Spielern ein neues Sie-
gerteam aufbauen und das Gefühl der
Volksnähe wiederherstellen, das in den
letztenJahren arg gelitten hatte.
Am Anfang wirkte die Mannschaft
entfesselt.Von den ersten 17 Spie-
len nach Solskjaers Stellenantritt am
19.Dezember 2018 gewann sie 14; eine
einzige Niederlage setzte es nur ab. Der
Höhepunkt kam am 6. März inParis,
als sich Manchester United dank einem
überraschenden Auswärtssieg gegen
Paris Saint-Germain für dieViertels-
finals der Champions League qualifi-
zierte. Dort folgte die grosse Ernüchte-
rung: GegenBarcelona waren die Eng-
länder chancenlos.
Nach demTriumph inParis war dem
Interimstrainer Solskjaer derTrainer-
job auf permanenterBasis übertragen


worden. Eigenartigerweise scheint dies
seine Stellung geschwächt zu haben
statt gestärkt. Nach dem Zwischenhoch
kehrte wieder der Alltag ein. Solskjaer
schaffte es nicht, die nach dem einseiti-
gen Viertelfinal-Vergleich mitBarça de-
moralisierte Mannschaft wiederaufzu-
richten. Seit dem 10. März hat Manches-
ter United 23Partien absolviert und nur
fünf davon gewonnen.
DerKontrast zu Liverpoolkönnte
nicht grösser sein. Der Champions-
League-Sieger hat in der Meisterschaft
nochkeinen Punkt abgegeben und liegt
mit acht PunktenVorsprung auf Man-
chester City an derTabellenspitze. Sol-
skjaer befürchte,bei einer Kanter-
niederlage am Sonntag die Stelle zu ver-
lieren, hiess es in der Londoner«Times».
Die Gefahr ist nicht von der Hand zu
weisen, zumal seine Entlassung nicht
annähernd so vielkosten würde wie zu-
letzt jene Mourinhos.
Obwohl dem alsTrainerrelativ uner-
fahrenen Solskjaer gern taktische Nai-
vität vorgeworfen wird, trägt erkeines-
wegs die Hauptschuld an der Misere.
Eher ist er ein Opfer seinerVorgänger
sowie einerVereinspolitik, die sportliche
Überlegungen geschäftlichen Interes-
sen unterzuordnen scheint. So trifft der

CEO EdWoodward, von Haus aus ein
Banker, viele Entscheide lieber selber,
als sie zum Beispiel einem Sportdirek-
tor zu übertragen. Seine Erfolgsbilanz
auf demTransfermarkt ist mager. Zwar
hat er werbewirksame Stars wiePaul
Pogba,Romelu Lukaku und Alexis San-
chez verpflichtet. Ob diese auch wirk-
lich ins Gefüge der Mannschaft passten,
schienWoodward weniger zu kümmern.
Alle drei agitierten denn auch monate-
lang für einenTransfer.

Die Verletzungsplage


Geblieben ist nurPogba – nicht ganz
freiwillig wahrscheinlich. Die Mann-
schaft brauche neun neue Spieler, hatte
Solskjaer im Sommer gesagt. Er be-
kam deren drei, diereif waren für die
erste Mannschaft: dieVerteidiger Harry
Maguire und AaronWan-Bissaka so-
wie den 20-jährigen Mittelfeldspieler
DanielJames.Tatsächlichsteht dieVer-
teidigung, zuletzt der grösste Schwach-
punkt, inzwischen sicher. Für denRest
aber muss sich derTrainer mit uner-
fahrenen Nachwuchsleuten und einem
Sammelsurium von Spielern arrangie-
ren, die seineVorgänger im Hinblickauf
ihren speziellen Stil verpflichtet hatten.

Solskjaer hatte im Sommer man-
gelndeFitness undAusdauer der Spie-
ler moniert und dasTraining entspre-
chend ausgerichtet. Seither plagt die
Mannschaft eineVerletzungsserie. Das
könntePech sein – oderFragen über
dieTrainingsqualität aufwerfen. Dass
mit Lukaku und Sanchez im Sommer
gleich zwei Starstürmer gingen, für die
der Klubkeinen Ersatz fand,deutet
auf ein weiteres Problem hin:Für einen
Verein, dessenFormkurve so beharrlich
nach unten zeigt, wird es trotz aller glo-
balenVermarktung immerschwieriger,
erprobte Spitzenkräfte anzuwerben.
Wegen der verletzungsbedingten
Absenz des französischen Goalgetters
Anthony Martial musste der erst 21-jäh-
rige MarcusRashford eine immense
Arbeits- undVerantwortungslast tragen.
Sie warumsogrösser, als die Ersatzleute,
die in den letztenWochen das Mittelfeld
bevölkerten (die alternden SpielerJuan
Mata und Nemanja Matic, der Brasilia-
ner Fred, der Schotte Scott McTominay),
kaum kreative Impulse setzenkonnten.
Daverwundert nicht, dass Marcus
Rashford inzwischen so ausgelaugt wirkt
wie der spanischeTorhüterDavid De
Gea, der imDuell der Erzrivalengegen
Liverpool verletzt fehlen wird.

Ole Gunnar Solskjaer nachdem Spiel, in dem eine andere Klublegende unter anderemBegierdevermisst hatte. LEILA COKER / AP

Wieder ein Box-Todesfall


Der Amerikaner Day stirbt vier Tage nach K.-o.-Schlag


clr.· Am Samstag war der Amerikaner
PatrickDayim Boxkampf gegen seinen
Landsmann Charles Conwell nach einem
Schlag gegen die Schläfe k.o. gegangen
und nicht mehr aufgestanden. Helfer
mussten ihn aufeinerBahre aus dem
Ring tragen.Auf derFahrt ins Spital soll
Daylaut dem Sport-Streaming-Dienst
DAZN einen Schlaganfall erlitten haben.
Im Spital wurde er notoperiert und ins
künstlicheKoma versetzt.Am Mittwoch
verstarb er in einemSpital in Chicago im
Beisein seinerFamilie.
Es ist der dritteTodesfall im Boxen
innert dreier Monate. Im Juli waren
derRusse MaximDadaschew und der
Argentinier Hugo Santillan verstorben,
nachdem sie sich im Kampf schwer ver-
letzt hatten.Das wirftFragen nach der
Sicherheit im Boxsport auf. Days Pr o-
moter Lou DiBella schrieb in einer Stel-
lungnahme: «PatrickDaymusste nicht
boxen. Er kam aus einer gutenFami-
lie, und er hätte andere Möglichkeiten
gehabt, seinen Lebensunterhalt zu ver-
dienen.»Dayhabe die Risiken gekannt,

denen die Boxer im Ring ausgesetzt
seien, und sie in Kauf genommen.
Es sei in dieser Zeit schwierig, die
Gefahren des Boxsports zurechtfer-
tigen, so DiBella. Es sei aber nicht der
richtige Moment, umVorschriften zu er-
lassen.Trotzdem sei es wichtig, jetzt zum
Handeln aufzurufen, damit der Boxsport
sicherer werde. DieFragen seien be-
kannt, doch die Antworten fehlten noch.
Mauricio Sulaiman, der Präsident
des Boxverbandes WBC, sagte, der Box-
sport habe einen «mutigen,freundlichen
und wunderbarenFreund» verloren. Zu
Sicherheitsfragen nahm er nicht Stel-
lung. Days Gegner Conwell veröffent-
lichte einen Brief, den er anDayge-
schrieben hatte.Darin steht: «Ich wollte
nicht, dass das passiert. Alles,was ich
wollte, war, zu gewinnen.» Er gehe den
Kampf immer und immer wieder durch
und überlege sich, wie es anders hätte
ausgehenkönnen. Und er bete und
weine.«Ich habe darüber nachgedacht,
mit dem Boxen aufzuhören,aber ich
weiss, dass du das nichtgewollt hättest.»

FUSSBALL


Kuzmanovic erneut an der


Achillessehne verletzt


(sda)·Zdravko Kuzmanovic, der Mit-
telfeldspieler des FCBasel, hat sich
einenTeilriss der linkenAchillessehne
zugezogen; er muss operiert werden.Wie
lange er ausfällt, ist unklar. Der 32-Jäh-
rige erlitt schon zweimal eine solche
Verletzung, je einmal links undrechts.


Eintracht Frankfurt in zwei


Auswärtsspielen ohne Fans
(dpa)·EintrachtFrankfurt ist wegen
wiederholter Fan-Randale in der
Europa League mit einem Zuschauer-
Ausschluss in denPartien bei Stan-
dard Lüttich und Arsenal London be-
straft worden.Auswärts bei Guimarães
am 3. Oktober hatten sichFans beider
Teams mit Sitzschalen beworfen. Schon
am 10.Januar warFrankfurt wegen wie-
derholter Probleme mit einemFan-Aus-
schlussauf Bewährung belegt worden.


TENNIS

Federer hat French Open
in der Agenda 2020

(sda)·RogerFederer wird auch 2020
am French Open antreten. Der Schwei-
zer, der heuer erstmals seit 2015 am
Grand-Slam-Turnier inParis teilgenom-
men hatte, gab dem US-Nachrichten-
sender CNN weitere Einblicke in die
Agenda des nächsten Sommers. Nach
demFrench Opensind bisAnfang Sep-
tember Starts in Halle undWimbledon
sowie an den Olympischen Spielen in
Tokio und am US Open eingeplant.

TENNIS
Murray siegt, Gesetzte scheitern alle
Antwerpen. ATP-Tu rnier (635 750 € / Halle).
Achtelfinals:Sinner (ITA) s. Monfils (FRA/1) 6:3, 6:2.
Humbert (FRA) s. Goffin (BEL/2) 6:3, 6:1. Copil (ROU) s.
Schwartzman (ARG/3) 6:4, 5:7, 7:6 (7). Murray(GBR) s.
Cuevas (URU/8) 6:4, 6:3.

RAD
Schweizer Bahnviererverpasst Bronze
Apeldoorn. Bahn-EM.Finals. Männer.Te amverfolgung
(4000 m):1. Dänemark. 2. Italien. 3. Grossbritannien.


  1. Schweiz (Bissegger, Imhof, Thiébaud, Thièry).


Sport amFernsehen

SRF 222.40Eishockey aktuell.
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