Handelsblatt - 22.10.2019

(Joyce) #1
Der Berater Der Süd-
tiroler ist seit April
Deutschlandchef der
Boston Consulting
Group. Zuvor beriet er
Kunden aus der Che-
mie-, Baustoff- und
Metallbranche. Tauber
arbeitet seit 2003 bei
BCG – zunächst in
Wien, anschließend in
München.

Das Unternehmen
BCG ist nach McKin-
sey die zweitgrößte
Managementberatung
in Deutschland. Der
Umsatz in Deutsch-
land und Österreich
lag 2018 bei rund 910
Millionen Euro.

Vita
Matthias Tauber

BCG-Chef Tauber: Mittelstand mangelt es oft an digitalem Know-how.


Mit welchen Folgen?
Ich sehe zum Beispiel, dass viele
überlegen, wie sie das Thema Klima-
schutz zu einem Differenzierungs-
merkmal machen können. Vertreter
der Konsumgüterindustrie rechnen
etwa damit, dass Verbraucher nach-
haltige Produkte in Zukunft noch
viel stärker einfordern werden.

Solche Ideen waren in der Vergan-
genheit dann oft Greenwashing.
Es geht heute in vielen Unternehmen
deshalb um weit mehr als nur um
grüne Produkte. Vielmehr geht es um
die Transformation kompletter Ge-
schäftsmodelle und Industrien sowie
die Frage, wie sich das ganze Unter-
nehmen nachhaltiger gestalten lässt.
Zum Beispiel mit energiesparenden
Prozessen, grünem Strom und weni-
ger Reisen. Das verlangen übrigens
auch zunehmend die Investoren.

Wie viel wird die Klimawende die
deutsche Wirtschaft kosten?
Laut unseren Berechnungen müsste
die deutsche Volkswirtschaft Mehr-
kosten von 30 Milliarden Euro pro
Jahr schultern, um die Pariser Klima-
ziele zu erreichen.

Eine enorme Summe.
Das stimmt. Aber auch eine machbare
Summe für ein Land wie Deutschland.
Das ist in etwa so viel wie die Deut-
schen jedes Jahr fürs Rauchen ausge-
ben. Und wer vor der Wissenschaft
nicht die Augen verschließt, weiß
doch: Diese Ausgaben sind alternativ-
los. Aber sie bringen durchaus auch
positive ökonomische Effekte: Laut
unseren Berechnungen wird 2050 das
Bruttoinlandsprodukt durch die Wen-
de hin zu einer klimafreundlichen
Wirtschaft um 0,6 bis 0,9 Prozent hö-
her liegen, weil Investitionen getätigt
werden, die für Wachstum und Jobs
sorgen. Ein nicht kleiner Teil der In-
vestitionen muss allerdings von der In-
dustrie kommen. Und dafür brauchen
die Unternehmen Sicherheit.

Was fordern Sie konkret?
Die Politik muss verhindern, dass ein
deutsches Unternehmen in grüne
Werke investiert und dann gegen bil-
ligeren, nicht-grünen Stahl etwa aus
China oder Zement aus der Türkei
konkurrieren muss. Hier könnte eine
sogenannte Grenzübergangssteuer
helfen. Ausländische Anbieter müss-
ten dann draufzahlen, wenn sie ihre
nicht-grünen Produkte in Deutsch-
land anbieten wollen. Oder die Poli-
tik reguliert, wie viel CO 2 für die Pro-
dukte ausgestoßen werden darf.

Warum glauben Sie, dass Unterneh-
men überhaupt dauerhaft in grüne
Technologien investieren werden?
Zunächst einmal, weil es gesell-
schaftlich geboten ist ...

Das ist es schon lange.
Zudem fordern es Investoren, weil es
wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Politik
muss allerdings die richtigen Anreize
setzen und den Verkehr sowie klei-
nere Industrieanlagen in den
CO 2 -Zertifikatehandel einbeziehen.
Wenn das gelingt, kann die Klima-
wende ein Konjunkturprogramm für
die gesamte Industrie werden.

Ähnlich klangen auch die Verspre-
chen für die Energiewende. Doch
zehn Jahre später liegen sowohl die
deutsche Solarindustrie wie auch
die Windkrafthersteller am Boden.
Weil es nie einen Plan gegeben hat,
der alles aufeinander abgestimmt
und Effizienz über die gesamte Wirt-
schaft hinweg gewährleistet hat. Ein
Beispiel: Der Ausstieg aus der Kohle-

kraft wird über Jahre hinausgezögert
mit dem Argument des verträglichen
Arbeitsplatzabbaus – zeitgleich gehen
in der Windkraftbranche innerhalb
eines Jahres mehr Arbeitsplätze ver-
loren, als in der gesamten Kohlein-
dustrie noch vorhanden sind.

In einem anderen Feld droht
Deutschland den Anschluss zu ver-
lieren: der Digitalisierung.
Das sehe ich nicht ganz so pessimis-
tisch. Zwar sind sieben der zehn
größten Unternehmen der Welt
Technologieunternehmen, von de-
nen kein einziges in Europa sitzt.
Deutschlands Chance ist aber eine in-
telligente Digitalisierung der Indus-
trie. Eine unserer Stärken sind ja
heute schon Industrieroboter, die
überall auf der Welt gefragt sind. Ei-
ne weitere Chance sind die Unmen-
gen an Daten, die in den Unterneh-
men derzeit entstehen ...

... wobei viele Firmen Berührungs-
ängste haben, damit Geld zu verdie-
nen.
Das stimmt. Immer noch zu viele se-
hen nicht die Chancen, die ihnen da-
tenbasierte Geschäftsmodelle bieten.
Sicher liegt das auch daran, dass im
industriellen Mittelstand oft noch
das digitale Know-how fehlt.

Sehen Sie, dass jetzt – in wirtschaft-
lich schwierigeren Zeiten – Unter-
nehmen ihren digitalen Umbau auf
die lange Bank schieben?
Das mag vorkommen. Aber das ist
gefährlich. Wir haben 5000 Unter-
nehmen angeschaut und analysiert,
wie sie sich über die letzten fünf Re-
zessionen entwickelt haben. Diejeni-
gen, die auch in schwierigen Zeiten
den Wandel weitergetrieben haben,
konnten während der Rezession so-
gar Profit und Umsatz steigern.

Wirtschaftliche Unsicherheit, tech-
nologische Umbrüche: Wie wirkt
sich all das auf das Geschäft bei BCG
aus? 2018 haben Sie in Deutschland
schätzungsweise 910 Millionen Euro
umgesetzt.
Umsatzzahlen für einzelne Länder
kommunizieren wir nicht. Wir sind
aber sehr zufrieden. Nach einem
starken Jahr 2018 werden wir dieses
Jahr wieder mit einem zweistelligen
Umsatzwachstum abschließen. Da-
mit wachsen wir nach unseren Be-
rechnungen etwa doppelt so schnell
wie der Markt.

Welcher Geschäftsbereich wächst
am schnellsten?
Ein Drittel unseres Geschäfts hat mit
„Digital and Analytics“ zu tun, der
Bereich wächst überdurchschnittlich.
Rund 40 Prozent des Umsatzes ma-
chen wir aber mit Beratungen, in de-
nen es um die Vorbereitung auf den
Abschwung geht.

Sie wollten dieses Jahr in Deutsch-
land 750 neue Mitarbeiter einstel-
len. Hat das geklappt?
Ja.

Wie sind Ihre Pläne für 2020?
Nächstes Jahr wollen wir mehr als
800 Kolleginnen und Kollegen ein-
stellen, weil wir auch mit noch ein-
mal wachsendem Geschäft rechnen.
Zudem wollen wir einen zweistelli-
gen Millionenbetrag in den Digital-
standort Deutschland investieren.

Ist so ein Wachstumsplan nicht ris-
kant in einer Zeit, in der die Wirt-
schaft vor dem Abschwung steht?
Wir glauben an unser Geschäft und
an unsere Fähigkeiten, deshalb sind
wir davon überzeugt, dass wir auch

in diesen Zeiten in die besten Köpfe
investieren sollten. Ich bin übrigens
sicher, dass sich zwar unsere The-
men verändern werden, aber für vie-
le Unternehmen dürften wir auch
Teil der Lösung sein. Ich halte es da-
her für realistisch, dass wir sogar in

einem stagnierenden Beratermarkt
kräftig wachsen werden.

Herr Tauber, vielen Dank für das Ge-
spräch.

Die Fragen stellte Sebastian Matthes.


 
 
 
 
 


  #
a
    
: 4=G >+)D2:> FA 0 D+)>+';>0 A#;+)>;:>;*)/0
a   
+)>: A'0' A:) .5)>+;) 2:>+:A0'
a   
$
0;)A.+) +;5+. A0 +55; #B: + +:-> 0D0A0'
a
 
:->+;) ):) +0 : 55 A0 +0 : 22-*:;+20
a  
  

'./(+' ->A.+;+:A0' : 55 6-2;>05%+)>+'7

/ .; A#;+)>;:> +/ :+>;..>' ,:F+> )0.A0';#)+' FA ;+0 +;> +0 ;)0.. A0

  
A0:.;;.+)8 ; 0D3:>:A) #B: A#;+)>;:> '+>
)00 +0 A/#;;0
:+0>+:A0' B: + F0>:.0 )/0 : A#;+)>;:>;5:E+;!
"  #   
"! +; #  " 
8 A>F0 + ;
0D3:>:A) +0 ):: #C2:+;+:>0:;+20 ':A-> +'+>. .; 22- 9 55
2:+/ A0. 6:+0> 9 +'+>.78

   ! #'#    ! % !    
!# 
&&& 

" 
& #
$  $! #! #

    A00;:C+0.;.>> )/+0
)0A; 525." /:' /  #0;>:( 4?  1=G$@ /:'
20 G$44 1=< 4*G=  E G@?G4 @1 @&&*G@@  )#/*-A00;:C+8:)0A;82/

 #
48$1@+>0
 1< *?*1&@$&?*=&*&
4 1  +0-.8 D>8

#       $!#!   #   
B:+
 655.7 A0 0:2+ 55 #B:? :> 0A>F:
 1< *?*1&@$&?*=$*4
4 1  +0-.8 D>8

$
  #     $! #! #   
 1< *?*1&@$&?*==*  @&$<G  +0-.8 D>8

Unternehmen & Märkte
DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019, NR. 203^21

Anzeige


‹+DQGHOVEODWW0HGLDURXSPE+ &R.*$OOH5HFKWHYRUEHKDOWHQ=XP(UZHUEZHLWHUJHKHQGHU5HFKWHZHQGHQ6LHVLFKELWWHDQQXW]XQJVUHFKWH#KDQGHOVEODWWJURXSFRP

Free download pdf