National Geographic Germany - 10.2019

(vip2019) #1

EXPLORER | E S S AY


32 NATIONAL GEOGRAPHIC

von diesem Planeten verschwände, würden sicher
noch lange Katzen herumstreunen. Aber wenn wir
bei scheinbar unlösbaren Problemen einfach die
Waffen strecken, werden die Zustände auf der Welt
schlimmer statt besser. Ich glaube, wir können mehr.

VIELE KATZENSCHUTZORGANISATIONEN haben Pro-
gramme ins Leben gerufen, in denen wilde Katzen
eingefangen, sterilisiert und wieder freigelassen
werden. Vogelschutzorganisationen sprechen sich
überwiegend gegen diese Strategie aus. Die Tier-
rechtsorganisation Peta äußert sogar moralische
Bedenken. Aber diese Gruppen machen kaum Ge-
genvorschläge, außer Katzen im Haus zu halten.
Gleichzeitig werden in US-Tierheimen pro Jahr mehr
als eine Million Katzen eingeschläfert, eine un-
populäre Lösung des Problems.
Und ich? Ich habe auch keine Lösung, nur einen
Vorschlag. Als Bernstein beim Tierarzt kastriert
wurde, wünschte ich mir, er wäre gleich gechipt
worden. Einen Mikrochip von der Größe eines
Reiskorns einzusetzen ist einfacher als eine Blut-
abnahme. Wir hätten weniger streunende Katzen,
wenn sie Mikrochips trügen: Streuner könnten ihren
Besitzern zurückgegeben werden, und es ließen
sich diejenigen Menschen ausfindig machen, die
ihre Katzen aussetzen.
Ich wäre gern bereit, eine Gebühr für den Chip
zu zahlen, vor allem wenn ein Teil des Geldes in
den Ausbau unseres Tierheimsystems oder anderer
Programme flösse, um die Zahl verwilderter Katzen
zu dezimieren. Schon mit einem kleinen Betrag für
jede Hauskatze in den USA, unbedeutend im Ver-
hältnis zu den lebenslangen Kosten für Katzen-
futter, könnte man Milliarden Dollar aufbringen.
Ich weiß, das ist noch keine umfassende Lösung.
Aber die Regulierung der Katzenbestände wäre ein
guter Anfang, das Problem in den Griff zu bekom-
men. Wir müssen unser Möglichstes tun, um den
Planeten zu schützen. Wir tragen die Verantwortung
dafür. Bernstein kann das nicht, der ist zu beschäf-
tigt damit, Vögel zu beobachten – aus sicherer Ent-
fernung durch unser Wohnzimmerfenster. N
Aus dem Englischen von Susanne Schmidt-Wussow

WIR HÄTTEN WENIGER
STREUNENDE KATZEN, WENN
SIE MIKROCHIPS TRÜGEN:
STREUNER KÖNNTEN
IHREN BESITZERN ZURÜCK-
GEGEBEN WERDEN.

Unkastriert bekommen Katzen mit
sechs Monaten Frühlingsgefühle
und können fortan mehrere Würfe
im Jahr produzieren. In den USA
leben etwa 90 Millionen Katzen
mit Menschen zusammen, weitere
30 bis 80 Millionen streunen wild
umher, ob in dunklen Gassen oder
in abgelegenen Wüsten.
In Australien haben sich Katzen
so stark vermehrt, dass sie ganze
Arten einheimischer Vögel, Repti-
lien und Kleinsäuger auszulöschen
drohen. Um das zu verhindern, hat
die australische Regierung im Jahr
2015 zwei Millionen wildlebende
Hauskatzen bis 2020 zum Abschuss
freigegeben.
Weltweit bevölkern rund eine
halbe Milliarde Katzen sechs
Kontinente, 118 der 131 größten
Inselgruppen sowie jede Ecke des
Internets. Wer eine noch erfolg-
reichere invasive Art sucht, muss in
den Spiegel schauen.

Eine Invasion auf


leisen Tatzen


Noah Strycker ist Vogelbeobachter, Autor und Fotograf
und lebt in Oregon. In seinem Buch „Vogelfrei“ erzählt er
von seinem Weltrekord im Jahr 2015, als er innerhalb eines
Kalenderjahres 6 042 Vogelarten beobachtete.
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