Focus - 21.09.2019

(Joyce) #1

WIRTSCHAFT


Mit 16 bekam Karl Ulrich Herrmann eine Sonderge-
nehmigung, den Führerschein zu machen, damit er
mit einem Tempo Wiking Rapid morgens zum Groß-
markt fahren konnte. Er musste für das Feinkostge-
schäft seiner Eltern in Ludwigsburg einkaufen, wenn
der Vater krank war. In dieser Zeit begann seine Lei-
denschaft für Autos. Bevor er sein Faible zum Beruf
machte, besaß er ein Unternehmen für Werbetechnik
und Fotolabors in Stuttgart, die auch von der Auto-
industrie Aufträge bekamen.
2001 gründete er Retro Classics, eine Messe für
Oldtimer. 2003 kam die Retro Promotion GmbH
dazu. 2018 stieg sein Sohn Andreas Herrmann als
gleichberechtigter Partner in die Firma ein. Davor war
der studierte Betriebswirt 24 Jahre in leitendenden
Funktionen bei Mercedes-Benz in Stuttgart tätig.

DER KOSMOS HERRMANN

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Umgangs mit den jungen
Leuten. An dieser Stelle
werde ich nicht loslassen.
Ratgeber zu sein ist eine
schöne Aufgabe.
Ihr Vater hat viel erreicht.
Er gründete 2001 die Retro
Classics, zwei Jahre später
die Retro Promotion und
erwirtschaftete 2018
einen Umsatz von acht
Millionen Euro. Wofür
bewundern Sie ihn?
Andreas Herrmann: Darü -
ber muss ich mir erst mal
Gedanken machen.
Karl Ulrich Herrmann: Soll
ich so lange rausgehen?
Andreas Herrmann: Nein, bleib sitzen.
Gut, du hast die Gabe, Menschen zu über-
zeugen, Visionen zu entwickeln und um-
zusetzen.
Karl Ulrich Herrmann: Ich bewundere dei-
ne Besonnenheit, die etwas ganz Besonde-
res ist. Ich bin ein Bauchmensch.
Gibt es etwas, das Ihr Vater
besser lassen sollte?
Andreas Herrmann: Da fällt mir spontan
nichts ein. Vielleicht deshalb, weil er sich
in seinem Alter nicht mehr ändern wird.
Aber es ist mir wichtig zu sagen, dass
ich von meinem Vater gelernt habe, bei
einem Streit oder einer Auseinanderset-
zung nicht sofort alles Porzellan zu zer-
deppern, sondern sich ein Hintertürchen
offenzuhalten, damit man danach wieder
miteinander ins Gespräch kommen kann.
Karl Ulrich Herrmann: Wichtig im Leben
eines Unternehmers ist, dass man Visio-
när bleibt, immer präsent, immer einen
Schritt voraus ist und mit der Zeit geht.
Stillstand ist Rückschritt. Das ist der Tod
jedes Unternehmers.
Andreas Herrmann: Richtig. Konkret sehen
wir das bei unseren Messen. Wir haben uns
von der reinen klassischen Oldtimer-Messe
mit den Messingfahrzeugen verabschie-
det. Heute sprechen wir von Fahrkultur,
nicht mehr von Oldtimern. Und wir disku-
tieren über Fahrräder, Zweiräder oder neue
Mobilitätskonzepte. Die Brücke von der
Oldtimer-Tradition über die Neo Classics
bis hin zum neuen autonomen Fahrzeug
zu spannen – dafür wollen wir die Auto-
mobilhersteller begeistern. Den Wandel
mitzugestalten, das Ohr stets am Puls der
sich immer schneller drehenden Welt zu
haben – das ist heute wichtiger denn je.
Gibt es eine Familiencharta?
Karl Ulrich Herrmann: Ich denke darü-
ber nach. Wobei es immer unsere Prä-
misse war, einfach schlicht und, wie man
im Schwäbischen sagt, nach außen hin


Kommen wir zu den Old-
timern. Privat besitzen
Sie acht Stück, der Firma
gehören 70, die alle für
begleitete Ausfahrten ge-
nutzt werden. Sind Oldtimer
eine gute Kapitalanlage?
Karl Ulrich Herrmann:
Das Thema Garagengold
verfolgt uns seit x Jahren.
Ein Oldtimer muss gefah-
ren werden. Wenn einer
sagt: Ich habe 200 000 Euro
übrig und kaufe mir einen
Mercedes 190, stelle ihn
mir in die Garage und
mache nichts damit, dann
sage ich: Lassen Sie es,
weil der Wagen dann nur Geld kostet. Ein
Oldtimer will bewegt werden. Also immer
nur so viele davon in die Garage stellen,
wie man selber fahren kann. Ansonsten
gibt es bessere Geldanlagen.
Dennoch gibt es vermögende Menschen,
die große Sammlungen besitzen.
Karl Ulrich Herrmann: Diese Sammler
haben nicht nur Spaß daran: Sie haben
auch das nötige Kleingeld, um die Samm-
lung zu unterhalten. Zum Beispiel für
das Personal, das die Wagen wartet und
bewegt. Allein der Stellplatz für einen
Oldtimer und dessen Unterhalt liegt im
Monat pro Fahrzeug und Typ mindestens
zwischen 250 und 300 Euro. Hinzu kommt,
dass Oldtimer in Privatbesitz versteuert
werden müssen. Und das kann teuer
werden, wenn sie im Wert steigen. Eine
Sammlung rechnet sich nur, wenn man die
Oldtimer gewerblich einsetzt, so wie wir,
weil man sie dann steuerlich abschreiben
kann. Ich kenne viele Deutsche, Chinesen
oder Russen, die von cleveren Händlern
zu überhöhten Preisen Oldtimer kauften
und jetzt darauf sitzen bleiben.
Manche Sammler bauen für
ihre Oldtimer Museen.
Andreas Herrmann: Eine gute Idee. Old-
timer sind ein Kulturgut, und ein Museum
wird steuerlich anerkannt. Dennoch rech-
net es sich nur, wenn die Besitzer Förder-
gelder vom jeweiligen Bundesland erhal-
ten und genug Besucher kommen.
Reden wir über die Zukunft der Autos.
Finden Sie die E-Mobilität gut?
Karl Ulrich Herrmann: Wenn die Damen
und Herren Ingenieure einen Plan vor-
legen, wie die Batterien mit weniger
CO 2 - Verbrauch produziert und später
umweltfreundlich entsorgt werden kön-
nen, denke ich darüber nach.
Was halten Sie von einer CO 2 -Steuer?
Karl Ulrich Herrmann: Überhaupt nichts,
weil meiner Ansicht nach das CO 2 bei

nicht protzig oder elitär aufzutreten. Der
wichtigste Wert für mich ist die Qualität.
Nicht nur weil man sie von unserer Firma
erwartet, sondern weil sie ein Zeichen von
Stärke ist. Dazu kommen Zuverlässigkeit,
Geduld, Demut und Menschlichkeit.
Wie sehen Sie die Zukunft von
Familienunternehmen?
Karl Ulrich Herrmann: Gut, sofern die Nach-
folge gesichert ist.
Andreas Herrmann: Ich bin eher skep-
tisch, weil ich sehe, dass immer mehr alt-
eingesessene Familienunternehmen an
große Konzerne verkauft oder von ihnen
geschluckt werden. Andererseits werden
neue Unternehmen nachkommen, vor
allem im digitalen Bereich. Aber natürlich
setze ich alles daran, dass das bei uns nicht
passiert. Der Vorteil von Familienunter-
nehmen liegt ganz klar in den kurzen Ent-
scheidungswegen und den persönlichen
Beziehungen zu den Mitarbeitern.
Ist Ihr Unternehmen schuldenfrei?
Karl Ulrich Herrmann: Ja.

Der Gründer Karl Ulrich Herrmann inmitten seiner Oldtimer. Vorn links steht ein kanarien-
gelber Jaguar E-Type 5.3, Baujahr 1973. Hinten links ein hellblauer Mercedes-Benz 450 SL,
Baujahr 1979. Vorn rechts ein blauer Ford Mustang T5 Cabrio, Baujahr 1967
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