Focus - 28.09.2019

(Jacob Rumans) #1
KINO

Fotos: Georges Pauly/Network Movie/Wild Bunch Germany, Dirk Bruniecki für


FOCUS-Magazin

FOCUS 40/2019 101

auch die Kräfte der Eltern endlich sind
und dass auch die Kinder eine Verant-
wortung für das gemeinsame Ganze
haben. Das sind Sachen, über die wir
reden.
Welche Pflichten erfüllen Sie gern?
Es gibt Aufgaben im häuslichen Be-
reich, bei denen ich gern dabei bin: das
Kochen, das Einkaufen und – ohne Witz


  • auch der Abwasch. Und es macht mir
    Freude, wenn ich derjenige bin, der früh
    aufsteht und die Butterbrote der Kinder
    für die Schule schmiert. Alles Dinge, die
    mir ein gutes Gefühl geben, weil ich
    danach sage: „Okay, das ist gut, das ist
    erledigt.“ Wäsche zusammenzulegen
    und in den Schrank zu räumen
    finde ich nach wie vor doof.
    Erfüllen Sie Ihre Aufgaben regel-
    mäßig, wenn Sie nicht drehen?
    Immer mal wieder. Was mich
    ärgert, ist der Anlauf, den ich
    manchmal brauche, um die-
    se Pflichten auf mich zu neh-
    men. Diese innere Hürde zu
    überwinden. Das Interessante
    dabei ist, dass man aus die-
    ser Erfahrung auf Dauer nicht
    wirklich schlauer wird.
    Ist das so?
    Ich weiß doch, dass es viel
    einfacher ist, wenn ich erst mal
    in Schwung bin, wenn die Hür-
    de des Beginns genommen ist.
    Und trotzdem gibt es immer
    wieder diese Schwierigkeit des
    Sichaufraffens. Man möchte
    manchmal gar nicht darüber
    nachdenken.
    Das hört sich ein bisschen so
    an, als ob Sie inneren Konflikten
    gern aus dem Weg gehen.
    Inneren Konflikten? Nein. Manchmal
    sollte ich den Stier früher bei den Hör-
    nern packen.
    Dann sind Sie kein mutiger Mann?
    Manchmal denke ich, ich bin echt ein
    Hasenfuß. Und dann bin ich wieder von
    mir selbst überrascht, wenn ich in vielen
    Situationen doch beherzt handle.
    Können Sie sich erinnern, wann Sie
    das letzte Mal mutig waren?
    Weiß nicht. Wenn ich mich schützend
    vor meine Kinder stelle. Wenn eine Kon-
    fliktsituation da ist und ich ihr nicht
    mehr ausweichen kann, dann erlebe
    ich mich manchmal sogar als draufgän-
    gerisch. Obwohl ich Draufgängertum
    eigentlich auf Dauer für den falschen
    Weg halte.
    Hat Sie der Mut in einer brisanten
    Situation schon einmal verlassen?


Da fällt mir ad hoc nichts ein. Vermut-
lich erfolgreich verdrängt.
Wenn Sie ein Filmangebot
angenommen haben und während des
Drehs spüren, dass Ihnen das
eine oder andere nicht gefällt –
sagen Sie das dann direkt, oder
schweigen Sie lieber?
In der Regel spreche ich Probleme
sofort an, damit es während der Arbeit
nicht immer querliegt. Es gibt aber Fäl-
le, wo ich es laufen lasse, weil ich spüre,
dass in dem Problem, in der Widrigkeit
potenziell etwas anderes drinsteckt, was
sich noch in etwas Interessantes ver-
wandeln kann.

Kennen Sie die Furcht, nicht mehr be-
setzt zu werden, weil Sie zu offen sind?
Ich kann eine Rolle nicht spielen,
wenn ich sie nicht verstehe und wenn
nicht geklärt ist, warum sie so ange-
legt ist.
Sie gelten als überlegter, ruhiger
Mann. Können Sie auch anders?
Wenn ich gereizt werde, kann ich
auch unangenehm werden. Mir selbst
und den anderen gegenüber.
In „Deutschstunde“ geht es um eine
verratene Freundschaft aus Pflichtgefühl
in der Zeit des Nationalsozialismus.
Darf ein Freund so etwas in einer Ausnahme-
situation tun?
In einer guten Freundschaft
darf man nicht nach dem Nut-
zen der Freundschaft fragen:
Was bringt mir das? Oder wie
können wir das gegeneinander
aufrechnen? In einer echten
Freundschaft muss man sich
aufeinander verlassen kön-
nen, weil es ein starkes Ver-
trauen gibt. Egal, unter wel-
chen Umständen. Dass man
auf der menschlichen Ebene
den Freund nicht verrät, das
hat Ole Jepsen nicht begriffen.
Sind Sie ein guter Freund?
Ich glaube, ich bin da, wenn
man mich braucht.
Können Sie gut zuhören?
In der Regel schon, manch-
mal fehlt mir die Geduld.
Ungeduld kann lästig sein.
Ich habe nie behauptet, dass
ich perfekt bin.
Das wäre auch langweilig.
Unglaublich langweilig kann
ich auch. Das nenne ich dann
nachhaltige Entschleunigung.
Ärgern Sie sich über Ihre Ungeduld?
Ich kann darüber eher lachen.
Tatsächlich?
Ja. Aber nur dann, wenn es mir in
der Ungeduld gelingt, den Moment zu
finden, in dem ich mir sage: „Erst mal
durchatmen.“
Woran merken Sie, dass die
Ungeduld kommt?
Unruhe, nachlassende Konzentration,
etwas anderes zerrt an mir, irgendeine
andere Sache lauert im Hintergrund.
Und dann kommt die Wut?
Dann kommen schon mal harte Worte,
die ungerecht sind. Die auch wehtun
können. Auch mir selbst.
Was folgt? Die Entschuldigung?
Unbedingt. Aber nicht sofort. Erst mal
runterkommen.n

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Ich habe
nie behauptet,

dass ich


perfekt bin


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