Focus - 28.09.2019

(Jacob Rumans) #1

POLITIK AUSLAND


Fotos: dpa

42 FOCUS 40/2019


2019 Maas trifft in Teheran den
iranischen Präsidenten Hassan Rohani.
Der deutsche Minister versucht,
den Atomdeal mit dem Iran zu retten

Maas indes mangelnde Leidenschaft
oder Stringenz vorzuwerfen ist ungerecht.
Und dazu muss man ein Leitmotiv zitieren,
das schon oft kommentiert wurde. Er sei
nicht wegen Willy Brandt, sondern „wegen
Auschwitz in die Politik gegangen“, erklär-
te er bei Amtsantritt vor Mitar-
beitern des Auswärtigen Amts.
Die Aussage brachte ihm
viel Spott und Häme ein, im
Ministerium und in seiner
Partei. Welcher Politiker sei
denn nicht wegen Auschwitz
in der Politik, fragten sich vie-
le. Das Nie-wieder-Bekenntnis
gehöre doch zum Grundgerüst
für jeden, der in Deutschland
Verantwortung übernehmen
wolle. Und warum grenze
Maas Auschwitz gegen Willy
Brandt und dessen Ostpolitik
der 1970er-Jahre ab? In der
SPD wird ein gutes Verhält-
nis mit Russland auch immer
mit dem Zweiten Weltkrieg
und den Kriegsverbrechen
von Deutschen an Russen
begründet. Auschwitz und
Brandt gelten nicht als Gegensatz. Maas
besuchte das ehemalige KZ, das zuletzt
Klaus Kinkel besichtigt hatte. Bei Aus-
landstrips schaut er in Holocaust-Gedenk-
stätten vorbei, und während der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft 2020 will er sich
besonders dem Kampf gegen Antisemitis-
mus widmen.
Dabei schien Maas zu Beginn seiner
Amtszeit durchaus eine außenpolitische
Agenda zu verfolgen. „Russland agiert


leider zunehmend feindselig“, sagte er
im April 2018. „Russland ist ein sehr
schwieriger Partner geworden.“ In der
SPD konnten es viele nicht fassen. Sie
warfen Maas vor, wie ein Hardliner oder
Konservativer zu agieren und nicht wie
ein Sozialdemokrat. Ob Ger-
hard Schröder, Steinmeier
oder Gabriel – die Liste russ-
landfreundlicher SPD-Politi-
ker ist lang. Die Partei bestell-
te ihren Außenminister zum
Rapport ein. Maas verteidigte
sich halbherzig, seitdem gilt
das Verhältnis zwischen ihm
und der SPD als gestört.

Angst vor Machtpolitik
Auch die Politik gegenüber
den USA wollte Maas eigent-
lich neu justieren. Um künf-
tigen Sanktionen zulasten
europäischer Unternehmen
begegnen zu können, regte
er im August 2018 ein von
Washington unabhängiges
Zahlungssystem an. Der Fehl-
schlag bei Instex, mit dem die
Europäer Strafmaßnahmen gegen den
Iran teilweise kompensieren wollten, zeigt,
wie nötig das wäre. Passiert ist aber seit
dem Vorschlag wenig. „Ja, Schritte in die
richtige Richtung sind erkennbar“, meint
Nora Müller, Leiterin für internationale
Politik bei der Körber-Stiftung. „Berlin
ist zentraler Impulsgeber bei den Ukrai-
ne-Verhandlungen, trainiert Soldaten aus
den Sahel-Staaten in Mali, knüpft neue
Netzwerke für den Multilateralismus.

Doch unterm Strich bleibt Deutschland
unter seinen Möglichkeiten.“
Das hat auch mit grundsätzlichen
Dilemmata deutscher Außenpolitik zu
tun: der Aversion, außer Dialog und Soft
Power harte, auch militärische Machtpoli-
tik einzusetzen und klare Interessen zu
formulieren. Es herrsche die Einstellung
vor, mit einer reaktiven Außenpolitik gut
gefahren zu sein, sagt ein Berliner Think-
tank-Mitarbeiter.
Das Gefühl, wenig verändern zu müs-
sen, belastet auch die deutsch-französi-
schen Beziehungen. Maas plädierte unter
anderem für eine europäische Armee, ja.
Seinen Amtskollegen Le Drian nennt er
freundschaftlich „Jean-Yves“. Und trotz-
dem hat er kaum klare Antworten auf all
die Liebeserklärungen und Avancen von
Emmanuel Macron zur Vertiefung der EU
gefunden. Als Europaministerin Amélie de
Montchalin jüngst bei der deutsch-fran-
zösischen Parlamentarierversammlung in
Berlin gemeinsame Projekte in glühenden
Farben malte, verlor sich Maas nach Aus-
sagen von Teilnehmern in Phrasen.
Deutsche und Franzosen schätzten
schon seit Jahren Bedrohungen und Hand-
lungsbedarf unterschiedlich ein, meint
Claire Demesmay, deutsch-französische
Wissenschaftlerin der Deutschen Gesell-
schaft für Auswärtige Politik. „Den Deut-
schen geht es mehr um Kontrolle als ums
Gestalten.“ Frustration und Enttäuschung
seien bei Macron entsprechend groß.
Kein befriedigendes Ergebnis, wenn
man bedenkt, dass Maas den Erdball fast
elfmal umrundet hat. Und ganz besonders
häufig in Frankreich war. n

LESERDEBATTE
VON FOCUS
ONLINE

Diskutieren Sie mit uns!
Eine Auswahl der Texte
drucken wir auf der
Leserdebatten-Seite
ab. Bedingung: Sie
schreiben unter Ihrem
echten Namen.
Beiträge:
http://www.focus.de/maga-
zin/debatte
Mails an:
[email protected]

Wer ist bester Mi-
nister im Kabinett,
wer schwächster?

2018 Als Außenminister legt er
für die im Holocaust ermordeten
Juden in der Gedenkstätte
Yad Vashem einen Kranz nieder

2016 Der Sozialdemokrat
und die Schauspielerin
Natalia Wörner – hier im
Jüdischen Museum Berlin –
sind jetzt ein Paar. Maas’
erste Ehe ist geschieden

2013 Bundes-
präsident Joachim
Gauck hat die Ernen-
nungsurkunde an
den neuen Bundes-
justizminister
Maas übergeben


2015 Der begeisterte Triathlet nimmt
im bayerischen Hilpoltstein an der
Datev Challenge Roth teil – jenseits der
Konkurrenz. Auf Reisen nutzt Maas jede
Gelegenheit zum Laufen

Dieser Text


zeigt evtl. Pro-


bleme beim


Text an


sanpellegrino.com

FÜR 120 JAHRE


AN DEINER SEITE


Grazie


UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws
Free download pdf