Focus - 05.10.2019

(Ron) #1

LEBEN


Fotos: Florian Generotzky für FOCUS-Magazin (3), Beate Strobel, instagram

118 FOCUS 41/2019


also ab in die „Felsentherme“. So geht
Genuss!

Tag 3: Bad Gastein–Spittal (43 km)
Kurz hinter Bad Gastein wartet der klei-
ne Betrug, den Alpe-Adria-Radler nicht
so gern erwähnen: die Tauernschleuse.
Das Bergmassiv zwischen Salzburger
Land und Kärnten wird nämlich nicht
über-, sondern durchquert. Elf Minuten
Zugfahrt bringen mein Rad und mich
nach Mallnitz auf der anderen Seite der
Hohen Tauern. Und dort: Sonne! Weiße
Gipfel vor blauem Himmel über grünen
Hängen. Dazu eine Straße, die acht Kilo-
meter lang so rasant bergab führt, dass
man jodeln möchte vor Freude. „Ain’t
No Mountain High Enough“? Nimm das,
Frau Ross!

Tag 4: Spittal–
Arnoldstein (62 km)
Entlang der Drau und der
Gail führt der Weg in den
Süden, und ich kriege nun das
Grinsen nicht mehr aus dem
Gesicht. Langsam verstehe
ich, was Marion Hagleitner
mit Genuss-Biking gemeint
hat: Dabei geht es um mehr als
den Apfelstrudel in der „Drau
Rast“ an der Villacher Ufer-
promenade. Es geht da rum,
bewusst zu erleben, wie sich
die Landschaft mit jedem Kilo-
meter verändert: von der Salz-
burger Alpenlandschaft über
die Kärntner Karawanken in
die Weinregion Friaul-Julisch
Venetien, schließlich ans Meer.
Treten und schauen, schauen und treten.
Die Muskulatur schaltet auf Automa-
tik, der Kopf in den Bildschirmschoner-
Modus.
Golling, Villach, Spittal, Udine: Das waren
für mich bislang Autobahnausfahrten auf
dem Weg in den Urlaub. Eben noch Alpen-
wiese, plötzlich Adria-Strand. Reisen mit
dem Auto ist eine Rohrpost-Erfahrung.
Mit dem Bike wird Entfernung spürbar.
Und das nicht nur in den Muskeln.

Tag 5: Arnoldstein–Venzone (72 km)
In Tarvisio quere ich die Grenze nach
Italien und kurz darauf ein Holztor, das
alle Radler der Ciclovia Alpe Adria pro
Jahr digital zählt. Ich bin Nummer 30 114.
Eine ehemalige Bahntrasse wurde hier
umgebaut zu einem Biking-Highway:
asphaltiert, zweispurig. Er führt über

Eisenbahnbrücken, vorbei an Wasserfäl-
len und durch kühle Tunnel. Ehemalige
Bahnhöfe wurden in Radlertreffs ver-
wandelt, vor denen Liegestühle locken.
„Un caffè, per favore“, und schon ist wie-
der eine Stunde herum: Ich stelle fest,
dass ich mit jedem Tag langsamer gewor-
den bin, um das Ankommen hinauszu-
zögern zugunsten des Unterwegsseins.
Beim Umblättern der Karten im Touren-
buch hoffe ich stets, dass das Tagesziel
noch nicht erscheint. Wobei der abend-
liche Aperol Sprizz dann doch damit ver-
söhnt.

Tag 6: Venzone–Udine (57 km)
Mit Fantasie leiten die Italiener die
Alpe-Adria-Radler entlang des Flusses
Tagliamento durch die Land-
schaft, um Bundes- und Haupt-
straßen weiträumig zu um-
fahren. In den Dörfern bellen
die Hunde, sonst ist es dort
ganztags mittagsstill. Und stets
riecht es nach Minestrone. Rad-
fahr-Zen!
Radikaler Wechsel in Udine:
Die Stadt feiert das Gastrono-
mie- und Weinfest Friuli DOC
und ist rappelvoll. An Ständen
probieren Besucher die Wei-
ne der Region und Speziali-
täten wie den Montasio-Käse,
San-Daniele-Schinken oder den
Frico, einen maximal sättigen-
den Käse-Kartoffel-Fladen. La
dolce vita: Diese Formel für die
italienische Lebensart wurde
womöglich an einem Spätsom-
merabend in Udine entwickelt,
mit einem Glas Friulano in der Hand.

Tag 7: Udine–Grado (57 km)
Wir fahren die historische Via Julia
Augusta entlang. In Palmanova sitzen
die Alpe-Adria-Radler in den Cafeterien
rund um die Piazza und erzählen sich bei
Kaffee und Eis von ihren Erlebnissen. In
Aquileia sieht man sich in der Pasticceria
Mosaico im Schatten der alten Basilika
wieder – beim nächsten Caffè und Gelato.
Jetzt noch elf Kilometer, noch zehn, neun ...
Und plötzlich ist es da, das Meer. Der Blick
weitet sich, Reiher ragen wie Pfosten aus
der seichten Adria. Der Damm zur Insel-
stadt Grado wird zur Zielgeraden. Ich bli-
cke zurück in Richtung Berge. Versuche,
stolz zu sein auf das, was ich geschafft
habe. Und fühle doch nur Wehmut da -
rüber, angekommen zu sein.n

Kunstvoll
Nicht verpassen: das
architektonische Juwel
Aquileia kurz vor Grado.
Die romanische Basilika
beherbergt das mit
760 Quadratmetern
größte frühchrist-
liche Bodenmosaik
des Abendlands.
fondazioneaquileia.it

Paradiesisch
Das Hotel „Villa Reale“
in Grado überzeugt
mit Jugendstil-
Charme, Stadt- und
Strandnähe sowie einer
Garage fürs Fahrrad.
hotelvillareale.com


Übersichtlich
Unverzichtbar ist
das bikeline-Rad-
tourenbuch „Alpe
Adria Radweg“ mit
Detailkarten und
wichtigen Infos. Verlag
Esterbauer 14,90 Euro

Multifunktional
Die „Stazione di Chiusaforte“, der ehemalige Bahnhof, bietet
Snacks, Betten und Bike-Service. Rückreise-Tipp: mit
dem Zug ab Udine oder mit einem Rücktransport-Service,
etwa Taxi & Transfer Schneeberger. fahrradtransfer.com


Beeindruckend
Die Festungsstadt
Palmanova wird von
einer sternförmigen
Wallanlage umgeben.
Das Ensemble gehört
seit 2017 zum
Unesco-Weltkultur-
erbe. Heute dient das
einstige Bollwerk der
Serenissima (Venedig)
der Naherholung.

TIPPS ZUR TOUR

Radeln und relaxen


»Beim
Aperol
Sprizz
in Grado
fühle ich
Wehmut
darüber, an-
gekommen
zu sein«

RASTEN

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