Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.10.2019

(lily) #1

SEITE 20·FREITAG, 4. OKTOBER 2019·NR. 230 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Z


ehn Jahre nach ihrer Einführung
mehren sich die Stimmen in Politik
und Wirtschaft für eine Aufweichung der
Schuldenbremse und ein Ende der
„schwarzen Null“. Die drei Industriever-
bände VCI, VDMA und ZVEI treten ge-
meinsam für das Festhalten an der Schul-
denbremse ein. Die Schuldenbremse wur-
de 2009 im Grundgesetz verankert. Sie
schreibt fest, dass Bund und Länder
grundsätzlich ausgeglichene Haushalte
vorlegen müssen. Das soll einen perma-
nenten Hang zum Schuldenmachen und
der damit einhergehenden ungefragten
Belastung künftiger Generationen ver-
hindern. Zudem schafft die Regelbin-
dung Glaubwürdigkeit und stabilisiert
die Erwartungen an den Finanzmärkten,
was auch auf Dauer für vergleichsweise
günstigere Finanzierungsbedingungen
sorgt.
Die schwarze Null, eine Haushaltspla-
nung ohne Netto-Neuverschuldung, lässt
sich als politisches Bekenntnis zur Ein-
haltung der Schuldenbremse interpretie-
ren. Nicht mehr auszugeben, als einge-
nommen wird, sollte die grundsätzliche
Maxime staatlicher Einnahmen- und
Ausgabenpolitik sein. Mit Hilfe von
Schuldenbremse und schwarzer Null
wird es schließlich im Haushaltsjahr
2019 gelingen, die Staatsschuldenquote
wieder unter 60 Prozent des Bruttoin-
landsprodukts (BIP) zu senken und die
Maastricht-Kriterien wieder einzuhal-
ten.
Inzwischen werden allerdings auch in
Deutschland wieder Rufe nach mehr
staatlichen Ausgaben insbesondere für
Investitionen lauter, auch unter Inkauf-
nahme höherer Defizite und Schulden-
stände. Begründet werden die Forderun-
gen regelmäßig mit der Notwendigkeit,
marode gewordene Infrastruktur zu mo-
dernisieren, neue aufzubauen oder Mit-


tel für den Klima- und Umweltschutz zu
mobilisieren. Angesichts von Nullzinsen
ließen sich rentierliche Projekte, von de-
nen auch spätere Generationen noch pro-
fitierten, schnell finden, und zwar ohne
private Investitionen zu verdrängen,
heißt es. Schließlich wird argumentiert,
dass langsames oder gar rückläufiges
Wirtschaftswachstum die Tragfähigkeit
öffentlicher Schulden genauso untergra-
be wie zu hohe Defizite.
Richtig ist, es gibt inzwischen sichtba-
re Defizite im Land – besonders bei der
analogen wie digitalen Infrastruktur,
aber auch bei der Bildung oder der inne-
ren und äußeren Sicherheit. Bei genaue-
rer Betrachtung wird allerdings deutlich,
dass die Investitionsschwäche in
Deutschland wohl kaum auf zu geringe
Staatseinnahmen zurückzuführen ist.
Deutschland hat kein Einnahmenpro-
blem! Die Steuereinnahmen sind in den
zurückliegenden Jahren sogar äußerst
kräftig gestiegen. Gleichzeitig wird der
Haushalt durch extrem niedrige bis Null-
zinsen erheblich entlastet.
Die Ursache unzulänglicher (öffentli-
cher) Investitionen liegt damit in der poli-
tischen Prioritätensetzung begründet.
Insbesondere die konsumtiven Staatsaus-
gaben sind in den zurückliegenden Jah-
ren stark ausgeweitet worden. Für diese
Prioritätensetzung kann die Schulden-
bremse aber nicht verantwortlich ge-
macht werden. Hierüber entscheidet
nach wie vor ganz allein die Politik. Mit

anderen Worten: Die Schuldenbremse
an sich steht Investitionen nicht im
Wege.
Das große Dilemma ist vielmehr, dass
von den sprudelnden Einnahmen der ver-
gangenen Jahre zu wenig für schlechtere
Zeiten zurückgelegt oder in die Zukunfts-
sicherung investiert wurde. Neue Schul-
den könnten auch diesmal wieder eher
konsumtiven Verwendungszwecken zuge-
führt werden. Und schließlich müssen
spätere Generationen die Schulden auch
wieder zurückzahlen – heutige Niedrig-
zinsen hin oder her.
Auch hindert die Schuldenbremse die
Politik nicht daran, bestehende Barrie-
ren sowohl für öffentliche als auch priva-
te Investitionen abzubauen. Dazu gehö-
ren ineffiziente Netzregulierungen, lan-
ge Planungsverfahren, Engpässe bei Pla-
nungskapazitäten sowie den Infrastruk-
turausbau lähmende komplizierte Ge-
richtswege. Um die Investitionsschwä-
che zu überwinden, wären bessere Ab-
schreibungsbedingungen, ein internatio-
nal wettbewerbsfähiges Steuersystem,
eine Beseitigung der Diskriminierung
von Eigenkapital gegenüber Fremdkapi-
tal bei der Finanzierung, eine Forcierung
der Kapitalmarktunion in Europa, mehr
Risikokapital, weniger Bürokratie und
schnellere Genehmigungsverfahren hilf-
reich. Schließlich fällt auf, dass schon be-
reitgestellte Mittel für mehr Investitio-
nen (beispielsweise im Rahmen des Ener-
gie- und Klimafonds) zum Teil über-
haupt nicht abgerufen werden.

Sollte die Situation eintreten, dass der
Staat unvorhergesehen mehr Geld benö-
tigt, als ihm kurzfristig zur Verfügung
steht, ist eine Neuverschuldung unter be-
stimmten Voraussetzungen auch im Rah-
men der Schuldenbremse möglich. Das
ist zum Beispiel in einer Rezession oder
schweren Krise der Fall. Das sollte aber
nicht derart verstanden werden, dass die
Politik schon beim ersten Anzeichen ei-
ner konjunkturellen Abschwächung
leichtfertig neue Schulden im Haushalt
einplant. Weil die Geldpolitik in einer
nächsten Rezession bald an ihre Gren-
zen kommen könnte, ist es sinnvoll, das
fiskalpolitische Pulver erst einmal tro-
cken zu halten.
Die Transformation der Wirtschaft
hin zur Treibhausgasneutralität bis 2050
und die Modernisierung der Infrastruk-
tur werden einen erheblichen öffentli-
chen und privaten Investitionsbedarf mit
sich bringen. Die erforderlichen Investi-
tionen bedürfen einer nachhaltigen Fi-
nanzierung und keiner Finanzierung
„nach Kassenlage“. Statt einer Aufwei-
chung oder Abschaffung der Schulden-
bremse bieten sich hier unter anderem
die Um-Priorisierung der Staatsausga-
ben, die zielgerichtete investive Verwen-
dung von Einnahmen aus der CO 2 -Be-
preisung oder die Unterstützung der Mo-
bilisierung von privatem Kapital über ge-
eignete Fonds-Lösungen an. Um die
nachhaltige Finanzierung von Investitio-
nen sicherzustellen, kann die Einrich-
tung entsprechender Sondervermögen
sinnvoll sein.

Wolfgang Große Entrupist Hauptgeschäftsführer
des Chemieverbands VCI.
Thilo Brodtmannist Hauptgeschäftsführer des Ma-
schinenbauverbands VDMA.
Klaus Mittelbachist Hauptgeschäftsführer des Ver-
bands der Elektroindustrie ZVEI.

itz.WIEN,3. Oktober. Der Bau des ers-
ten VW-Autowerks in der Türkei bleibt
umstritten, die Zulieferindustrie freut
sich aber über Millionenaufträge. Sollte
Volkswagen bis 2025 am neuen Standort
wie geplant 4000 bis 5000 Mitarbeiter ein-
stellen, dann würden die Zulieferer weite-
re 25 000 Stellen schaffen, kündigte Al-
per Kanca, der Präsident des türkischen
Zulieferverbands Taysad, gegenüber die-
ser Zeitung an. Er rechnet mit der Werks-
eröffnung Mitte 2021. In den ersten bei-
den Jahren werde VW bis zu 30 Prozent
der Zulieferanteile lokal beziehen. Das
entspreche einem Auftragswert von 600
bis 700 Millionen Euro. Dieser Umsatz
werde in den folgenden Jahren auf rund
eine Milliarde Euro steigen. Dem Verneh-
men nach will VW 1,2 bis 1,5 Milliarden
Euro investieren. Taysad hat berechnet,
dass die Zulieferer innerhalb von fünf Jah-
ren eine weitere Milliarde aufwenden wer-
den.
VW hat zur Wochenmitte in Manisa
nahe Izmir eine Tochtergesellschaft ins
Handelsregister eintragen lassen. Das
Grundkapital beträgt umgerechnet 151
Millionen Euro. VW plant eine Kapazität
zur Fertigung von jährlich 300 000 Einhei-
ten der Modelle VW-Passat undŠkoda-Su-
perb. Sie sollen in der Türkei, in Osteuro-
pa und im Nahen Osten verkauft werden.
Bisher produziert der Konzern in der
Türkei nur MAN-Busse. Dabei war VW
2018 mit fast 67 000 verkaufen Autos die
begehrteste Marke im Land. Hinzu ka-
men 21 000Škoda. Alle diese Einheiten
waren importiert, was sich jetzt ändern
soll. Allerdings bleibt die Entscheidung
umstritten, da sich das Regime von Präsi-
dent Tayyip Erdogan immer mehr von
den westlichen Werten entfernt hat. Der
EU-Beitritt liegt deshalb auf Eis.
Politiker, die sich für die Menschenrech-
te einsetzen, sehen die VW-Entscheidung
mit Skepsis. Der grüne Europa-Abgeord-
nete Reinhard Bütikofer kritisierte: „An-
gesichts der sich zunehmend verschlech-
ternden Lage der Rechtsstaatlichkeit, Me-
dienfreiheit und Demokratie unter Präsi-
dent Erdogan sorgt die Entscheidung der
VW-Konzernspitze für Bestürzung. Es
muss jetzt Schluss sein mit politischer
Scheinheiligkeit.“ Bütikofer erinnerte dar-
an, dass die Türkei mit der EU eine Zoll-
union bilde und sich verpflichtet habe,
die Beihilferegeln einzuhalten. Der Politi-
ker hat Zweifel, dass das in Manisa ge-
schieht: Die Türkei habe auch deshalb
den Zuschlag erhalten, weil der Staat
40 000 VW-Fahrzeuge kaufen und Subven-
tionen von 400 Millionen Euro zahlen
wolle. „Indem VW versucht, von einem
klaren Verstoß gegen die EU-Vorschrif-
ten für staatliche Beihilfen zu profitieren,
schädigt der Konzern zugleich andere Mit-
gliedsstaaten, die sich in diesem Verfah-
ren korrekt verhalten haben“, bemängel-

te Bütikofer. „So wird Bulgarien im Ergeb-
nis bestraft, weil es sich an die Regeln
hält.“ Die EU-Länder Bulgarien und Ru-
mänien hatten sich beide ebenfalls um
die Ansiedlung bemüht, waren aber ge-
scheitert. „Der Volkswagen-Konzern
wäre gut beraten, sich bei Diktatoren
nicht einzuschmeicheln, wenn er keine ir-
reparablen Image-Verluste erleiden möch-
te“, mahnte Bütikofer. Die Investition hat
auch eine landespolitische Bedeutung, da
die SPD/CDU-Regierung in Niedersach-
sen das Projekt mitträgt. Sie hat bei VW
eine Sperrminorität und stellt zwei Auf-
sichtsräte. Der ehemalige Ministerpräsi-
dent, SPD-Vorsitzende und Bundeskanz-
ler Gerhard Schröder hat sich Bütikofer
zufolge massiv für die Türkei eingesetzt.
Der grüne Politiker bezeichnete ihn als
„Autokratenknecht“.
Bedenken haben auch die türkischen
Arbeitnehmervertreter. „VW muss sicher-
stellen, dass es das antidemokratische Ge-
werkschaftsumfeld und den schwachen
oder gar nicht existierenden Arbeits-
schutz in der Türkei nicht ausnutzt“, for-
derte der Auslandschef der Metallgewerk-
schaft Birlesik Metal Is, Eyüp Özer. Am
neuen Standort seien die Arbeitsstan-
dards der EU und der Internationale Ar-
beitsorganisation ILO einzuhalten, ver-
langte Özer.

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An derSchuldenbremse festhalten


Von Wolfgang Große Entrup , Thilo Brodtmann und Klaus Mittelbach


tag.MAINZ,3. Oktober. Wofür geben
die Deutschen mehr Geld aus: für Schön-
heitspflege oder Haushaltspflege? Tho-
mas Keiser kennt die Antwort: für die
Schönheit. Der Markt sei fast dreimal so
groß wie der für Haushaltspflege-Produk-
te, sagt der Geschäftsführer des Industrie-
verbandes Körperpflege- und Waschmit-
tel (IKW), der die Interessen von 430
Herstellern und 50 000 Beschäftigten ver-
tritt.
Den Unternehmen geht es gut, ein-
schließlich Export ist der Umsatz im ver-
gangenen Jahr um 2,6 Prozent auf 28 Mil-
liarden Euro gewachsen, und in diesem
Jahr soll es abermals ein Plus von 2 Pro-
zent geben. Die „grüne Welle“, von der
große Teile der Gesellschaft erfasst sind,
die Debatte um Plastikmüll und Klima-
schutz, all das bremst die Nachfrage nach
Pflegeprodukten offenbar nicht. In mehre-
ren Studien hat der Interessenverband
die Trends ergründet. Ergebnis: Der Kon-
sum dürfte in den nächsten Jahren weiter
wachsen.
Putzen, so lautet eine Erkenntnis, schaf-
fe in einer immer komplizierter werden-
den Welt Klarheit und Übersicht und er-
zeuge das Gefühl, „Fremdes loszuwer-
den“. Putzen, so heißt es weiter in der von
der Kölner Agentur „Rheingold Salon“
verfassten Studie, sei heute weit mehr als
eine oft lästige Arbeit, „es ist auch ein
wirksames Mittel, den immer anspruchs-
volleren Alltag in den Griff zu bekom-
men“. Ähnliche Schlussfolgerungen zie-
hen die Marktforscher für den Bedarf an
Produkten zu Körperpflege, vor allem bei
der nachwachsenden Kundschaft. Die für


die Pubertät typischen Gefühle des Kon-
trollverlustes würden durch die aktuellen
gesellschaftlichen Veränderungen noch
verstärkt. Schminken, Stylen und Körper-
pflege dienten dazu, Sicherheit und Kon-
trolle zu bekommen, Jugendliche inves-
tierten deshalb heute viel mehr in ihr Aus-
sehen als früher. Um sich „selbst zu insze-
nieren“, und mehr noch: sicher zu fühlen,
empfänden Jugendliche Kosmetik heute
als unverzichtbar. 83 Prozent benutzen
täglich Deo, teils mehrmals. 61 Prozent
Shampoo. 59 Prozent der Mädchen Mas-
cara.
Ein weiterer Trend sei der nach Authen-
tizität. Übersteigerte Schönheitsideale
und Jugendwahn seien zwar vorbei, die
Selbstdarstellung aber nicht. „Happy
Aging“ habe das Rennen nach ewiger Ju-
gend ersetzt. Echt sei das neue Schön. Ge-
schminkt so aussehen, als sei man
„nude“, also nackt und ungeschminkt – ei-
ner der Trends.
Als Gegenpol zur Natürlichkeit bleibt
nach den Erhebungen der Marktforscher
das Überinszenierte gefragt. „Muskelbe-
packte Fitness Queens, Barbie-Puppen,
echte Kerle“ – ausgeprägte Individuen,
wie die Studienautoren es nennen, ver-
langten nach individuellen Schönheitspro-
dukten.
Für Thomas Keiser ist der große Trend
unter all diesen Trends klar: „Die Men-
schen machen sich Sorgen um das Klima,
aber sie wollen auch ein schönes Leben
und ihren Lebensstandard hoch halten“,
sagt er. Dass die Nachfrage nach Putz-
und Pflegeprodukten bislang kaum vom
wachsenden Umweltbewusstsein beein-
trächtigt wurde, führt der Industrievertre-
ter auch auf die Regulierung und Kontrol-
le der Erzeugnisse zurück. Das Vertrau-
en in die Produkte bleibe auf diese Weise
hoch, obwohl häufig Themen rund um
Pflegeprodukte öffentlich dramatisiert
würden, wie er sagt. Kosmetik wird nach
seinen Worten „gerne genommen, um
Kriegsschauplätze aufzubauen“, tatsäch-

lich habe es am Vertrauen in Produkte
„Made in Germany“ aber nichts geän-
dert. Es gebe zwar durchaus einen Trend
zur Naturkosmetik, dieser Markt sei aber
nach wie vor klein. Zudem hätten die
Hersteller schon einiges getan, um auch
konventionelle Produkte nachhaltiger zu
machen. Weniger Verpackungen mit we-
niger Gewicht etwa. Auch Mikroplastik
würde schon heute in vielen Produkten
gar nicht mehr eingesetzt.
Für die Volkswirtschaft ist das ver-
gleichsweise kleine, aber im Alltag sehr
präsente Geschäft mit Pflegeprodukten
durchaus relevant, gilt es doch als kon-
junkturresistent und damit als Puffer im
Abschwung. In einer Rezession würden
die Menschen zwar möglicherweise an
teuren Parfüms sparen, über alle Produkt-
kategorien hinweg bleibt die Nachfrage
nach Keisers Worten aber in der Regel
stabil.

Als größte Herausforderung für die Zu-
kunft nennen die meist mittelständischen
Unternehmen denn auch Margenerhalt,
komplizierte Regularien und Fachkräfte-
mangel. Die Entwicklung des Marktes
hingegen macht den wenigsten Sorgen,
drei Viertel der Firmen beurteilen sie als
gut bis sehr gut.
Für Seifen, Shampoos, Parfüms und
Kosmetik gaben die Deutschen im vergan-
genen Jahr 13,8 Milliarden Euro aus, für
Wasch- und Reinigungsmittel 4,8 Milliar-
den Euro. Rechnerisch investierte also je-
der Deutsche pro Jahr 225 Euro in die
Pflege von Haus und Mensch. Deutsch-
land ist damit der größte Markt in Euro-
pa, vor Großbritannien, Frankreich, Ita-
lien und Spanien. Zugleich sind die Euro-
päer unbestrittene Weltmeister im Put-
zen und Pflegen. Den Gesamtmarkt bezif-
fert der Verband auf 130 Milliarden Euro.
Damit geben die Europäer fast ein Drittel
mehr aus als die Amerikaner und mehr
als doppelt so viel wie die Chinesen – in
China freilich wächst der Markt auch
deutlich schneller.
Das meiste Geld investieren die Deut-
schen in Mittel zur Haut- und Gesichts-
pflege, nämlich 3,2 Milliarden Euro. Der
Markt ist zudem in den vergangenen Jah-
ren überdurchschnittlich gewachsen, Trei-
ber waren nach Verbandsangaben kosme-
tische Gesichtsmasken. Knapp dahinter
folgen die Ausgaben für Haarpflegemit-
tel. Die Märkte für Haushaltspflegemittel
sind dagegen deutlich kleiner. Das größte
Segment mit einem Umsatzvolumen von
1,3 Milliarden Euro ist das der Waschmit-
tel, das im Jahresvergleich zudem um 4,
Prozent deutlich gewachsen ist. Neben
Flüssigwaschmittel-Konzentraten hätten
„Premium Weichspüler“, Duftperlen und
Granulate das Wachstum getragen.
Ein Vergleich über die Segmentgren-
zen hinweg offenbart freilich, dass sich
manches in der bunten Welt des Putzens
und Pflegens nur langsam ändert. Für Au-
topflege geben Männer und Frauen im-
mer noch mehr aus als für die Rasur.

Studieren, aber was?
Was Jugendberufsagenturen bei der
Wahl ziwschen Ausbildung und
Studium leisten können.

kön.MÜNCHEN,3. Oktober. Erst an die-
sem Freitag wird sich entscheiden, ob der
österreichische Sensorhersteller AMS mit
seinem Übernahmeansinnen an den Licht-
technikkonzern Osram durchkommt.
Nach Ende der Angebotsfrist für die Aktio-
näre des traditionsreichen M-Dax-Unter-
nehmens Dienstag Mitternacht haben die
Konsortialbanken fast drei Tage ge-
braucht, um die von institutionellen und
privaten Aktionären zum Preis von 41
Euro angedienten Anteile auszuzählen.
Damit die Transaktion erfolgen kann,
muss AMS Zugriff auf mindestens 62,
Prozent erhalten. In der Regel handeln die
professionellen Anleger erst unmittelbar
vor Fristende.
Prompt kursierten am Donnerstag Spe-
kulationen, dass es für das Unternehmen
aus der Steiermark sehr knapp werden,
der Vorstoß im Volumen von 4,5 Milliar-
den Euro gar scheitern könnte. Unabhän-
gig vom Ausgang steht fest, dass AMS – ge-
rade einmal ein Drittel so groß wie Osram


  • durch das systematische Aufkaufen von
    Osram-Aktien seit Ende vergangener Wo-
    che zum wichtigsten Ankeraktionär mit ei-


nem Anteil von 19,99 Prozent geworden
ist. Diese Beteiligungshöhe sei die von
AMS anvisierte maximale direkte Beteili-
gung, die aus regulatorischen Gründen
vor dem Erhalt fusionskontrollrechtlicher
und anderer regulatorischer Freigaben
nicht überschritten werden dürfe, teilte
das Unternehmen aus Premstätten mit.
Das kann zu einer schwierigen Konstel-
lation führen und die Zukunft von Osram
noch ungewisser machen. Scheitert die
Übernahme durch AMS, könnten die ame-
rikanischen Finanzinvestoren Bain Capi-
tal und Advent ihre angedachte Offerte
starten. Vor knapp zwei Wochen haben
sie ein konkurrierendes Angebot zu einem
deutlich höheren Preis angekündigt. Dar-
aufhin haben die Österreicher von 38,
auf 41 Euro aufgestockt. Offiziell bieten
konnten die Investoren aus Zeitgründen
nicht und haben auf eine Niederlage von
AMS gesetzt. Nun werden sie es schwer ha-
ben, kann die von AMS aufgebaute Positi-
on abschreckend auf einen Vorstoß wir-
ken. Denn ohne die Österreicher können
neue Eigentümer nicht mehr einen unein-
geschränkten Zugriff auf Osram erzielen.

ols. STUTTGART, 3. Oktober. Im Prozess
um die Insolvenz des Windparkentwick-
lers Windreich lichtet sich die Anklage-
bank. Die Wirtschaftsstrafkammer stellte
nach den Äußerungen zu den Vorwürfen
das Verfahren gegen zwei Angeklagte we-
gen geringer Schuld vorläufig ein. Eine 55
Jahre alte frühere Geschäftsführerin ei-
nes Windreich-Unternehmens muss eine
Geldauflage in Höhe von 4500 Euro zah-
len, und ein 56 Jahre alter Ex-Geschäfts-
führer einer anderen Tochtergesellschaft
muss 6000 Euro als Geldauflage entrich-
ten. Das Geld fließt an die Staatskasse.
Beiden Angeklagten legte die Staatsan-
waltschaft Insolvenzverschleppung zur
Last. Der Mann und die Frau spielten in
dem Mammutverfahren eine eher unter-
geordnete Rolle.
Vor der Wirtschaftsstrafkammer müs-
sen sich nun nur noch sechs Angeklagte
verantworten. Der Windpark-Projektent-
wickler Windreich meldete 2013 Insol-
venz an. Neben Unternehmensgründer
Willi Balz sitzt auch der frühere baden-

württembergische Wirtschaftsminister
Walter Döring auf der Anklagebank. Dö-
ring war von 2010 bis 2012 stellvertreten-
der Vorstandsvorsitzender der Windreich
AG. Die Staatsanwaltschaft ist der An-
sicht, dass die Unternehmensgruppe
schon sehr viel früher zahlungsunfähig
war und Balz das gewusst, aber trotzdem
seine Geschäfte fortgeführt und damit
enormen Schaden angerichtet habe. Sie
hat Balz deshalb unter anderem wegen In-
solvenzverschleppung und Betrugs ange-
klagt.
Der Unternehmensgründer weist die
Vorwürfe zurück und wirft der Staatsan-
waltschaft vor, mit ihrer Durchsuchung
im März 2013 die Insolvenz herbeigeführt
zu haben. Döring hatte in seiner Aussage
ebenso wie Balz die Staatsanwaltschaft
angegriffen und ihr fehlende Objektivität
vorgeworfen. Im Zuge der Windreich-In-
solvenz verloren auch viele Kleinanleger
Geld. Über zwei Mittelstandsanleihen wa-
ren 125 Millionen Euro eingeworben wor-
den.

Der Markt für Pflegeprodukte


wächst. Auch das gestiegene


Umweltbewusstsein der


Jugendlichen dürfte daran


nichts ändern.


Auf die Uni, fertig, los!
Im Oktober beginnt an den meisten
Hochschulen ein neues Semester.
Studienanfänger berichten.

VW-Zulieferer planen


25 000 Stellen in der Türkei


Investitionen von einer Milliarde Euro / Bütikofer kritisiert


AMS behält Fuß in der Osram-Tür


20 Prozent Anteil sichert Position im Fall des Scheiterns


Zwei Windreich-Verfahren weniger


Gericht sieht in diesen Fällen keine Insolvenzverschleppung


Generation Thunberg lässt das Schminken nicht


Wie verhandle ich erfolgreich?
Mehr Gehalt, flexible Arbeitszeiten,
Home-Office: Geschick und Kalkül
zählen im Gespräch mit dem Chef.

Qual der Wahl Foto Picture Alliance


13,8 Milliarden Euro
Umsatz mit Schönheitsp=egeprodukten
in Deutschland 2018

4,8 Milliarden Euro
Umsatz mit Haushalts-
p=egeprodukten 2018

darunter (in Mrd. €):

darunter (in Mrd. €):
Waschmittel....................
Reinigungsmittel............
Geschirrspülmittel..........
Raumdüfte.......................

1,
1,
0,
0,

Haut- und GesichtspEegemittel..............
HaarpEegemittel.......................................
Dekorative Kosmetik.................................
Mund- und ZahnpEegemittel..................
Damendüfte...............................................

3,
3,
1,
1,
1,
Bade- und Duschzusätze..........................
Deodorantien.............................................
Herrendüfte...............................................

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Quelle: IKW / Fotovorlage Natasha Denona / F.A.Z.-Grafik

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