Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1

ren gemeinsam, dass das Kind den
Namen des Vaters tragen soll. Wenn
die Eltern verheiratet sind und einen
Ehenamen bestimmt haben, be-
kommt das Kind automatisch diesen.
Nicht erlaubt ist die Weitergabe der
Nachnamen beider Eltern.
Doch keine Regel ohne Ausnahme



  • und die ist laut Juraprofessor Dutta
    ein Beispiel für die derzeitige „Prinzi-
    pienlosigkeit des deutschen Namens-
    rechts und die mangelnde Konsis-
    tenz“: So regelt Paragraf 1618 des
    Bürgerlichen Gesetzbuchs die „Ein-
    benennung“. Ein Beispiel: Nina
    Schmitz trägt den Ehenamen ihrer
    Eltern. Die Eltern lassen sich schei-
    den, die Mutter heiratet später Herrn
    Krause und nimmt dessen Namen an.
    Dann darf Nina ausnahmsweise doch
    Schmitz-Krause heißen – sofern ihr
    leiblicher Vater und Nina selbst, falls
    sie mindestens fünf Jahre alt ist, zu-
    stimmen. Aber: An einer gesetzlichen
    Regelung, um das später rückgängig
    zu machen – sogenannte Rückbenen-
    nung – fehlt es aktuell noch.


Individuelle Änderungen


Wer seinen Nachnamen unabhängig
von Geburt, Hochzeit, Scheidung
oder Tod des Partners ändern will,
hat es in Deutschland schwer. Laut
Namensänderungsgesetz muss dazu
ein „wichtiger Grund“ vorliegen.
„Was dabei akzeptiert wird, hängt
meist von der Auslegungspraxis der
einzelnen Behörden ab“, sagt Jura-
professor Helms. Meist brächten die
Betroffenen ihr Anliegen ohne An-
walt vor, und dann komme es darauf
an, wie überzeugend sie schildern,
dass sie tatsächlich unter dem Na-
men leiden. „Wenn jemand durch so-
genannte Einbenennung den Namen
seines Stiefvaters erworben hat und
von diesem geschlagen und traumati-
siert wurde, wird dem Antrag auf Ab-
legung dieses Namens wohl stattge-
geben“, sagt Helms. „Wer nur sagt,
dass er den Namen ändern will, weil
die Mutter sich von dem Mann abge-
wandt hat, hat kaum eine Chance.“
In Österreich zum Beispiel gibt es
neben einer Namensänderung aus
wichtigem Grund auch die Möglich-
keit, einen sogenannten Wunsch -
namen frei zu wählen. „Es ist nicht
bekannt geworden, dass die Österrei-
cher von dieser Möglichkeit in allzu
großen Zahlen Gebrauch machen
würden“, sagt Helms. Wer unter sei-


nem Namen nicht aus irgendwelchen
besonderen Gründen leide, werde
ihn auch nicht aus einer Laune he-
raus ändern lassen.
Ungerecht erscheinen die strengen
Vorgaben in Deutschland nicht nur im
Vergleich zu den liberalen Regeln an-
derer Länder. Auch Ausländer, die
nach Deutschland kommen, haben di-
verse Wahlmöglichkeiten für ihren Na-
men. Wer die deutsche Staatsangehö-
rigkeit annimmt, kann seinen Namen
zum Beispiel an die deutsche Form
anpassen. Aus Pjotr Šmit könne dann
Peter Schmidt werden, erklärt Dutta.

Unter „falschem“ Namen
Was viele Bürger nicht wissen: In
Deutschland gibt es keine Pflicht zur
Namensführung. „Gegenüber staatli-
chen Behörden muss man sich mit
dem bürgerlich-rechtlichen Namen
ausweisen“, erklärt Dutta. „Im privat-
rechtlichen Verkehr kommt es aber
in erster Linie darauf an, dass eine
Person eindeutig identifizierbar ist
und beispielsweise klar ist, wer den
Vertrag schließt.“
Die Folge: „Nimmt Herr Meyer
nach der Eheschließung mit seiner
Ehefrau oder seinem Ehemann den
Ehenamen Schmitz an, darf er im ge-
sellschaftlichen Bereich trotzdem
weiterhin als Herr Meyer auftreten,
soweit der Vertragspartner nicht auf
einer Verwendung des bürgerlich-
rechtlichen Namens besteht“, erklärt
der Juraprofessor. Gleiches gelte für
frei gewählte Pseudonyme. „Abseits
der staatlichen Behörden gibt es nur
wenige Situationen, wo man den bür-
gerlichen Namen offenbaren muss“,
sagt auch Helms.
Relevant kann das Auftreten unter
dem Geburtsnamen etwa sein, wenn
eine Person unter diesem Namen im
Berufsleben bereits bekannt ist.
Besonders verbreitet sind Pseudo-
nyme etwa bei Schriftstellern. Bei
Schauspielern und anderen Künst-
lern ist meist von „Künstlernamen“
die Rede. Ein Künstlername kann
auch in den Ausweis eingetragen
werden. „Die Eintragung setzt jedoch
voraus, dass man unter dem Namen
bereits eine gewisse Bekanntheit er-
langt hat“, sagt Anwältin Offergeld.
Die Eintragung des Geburtsnamens
als Künstlername ist laut der „Allge-
meinen Verwaltungsvorschrift zur
Durchführung des Passgesetzes“
nicht möglich.

Vornamen

Kreativität ist erlaubt


P


ebbels, Tequila, Boss und
Amsterdam – bei der Wahl
eines Vornamens für ihr
Kind dürfen Eltern heute kreativ
sein. Inspiration holen sie sich laut
einer Auswertung der Gesellschaft
für Deutsche Sprache (GfdS) etwa in
der Literatur. Daraus entsteht dann
Ophelia oder Faustus. Fans der Se-
rie Games of Thrones kommen auf
Namen wie Khaleesi und Euron.
Auch die englische Sprache hilft
weiter: Peace und Melody. All diese
Namen wurden tatsächlich in Ge-
burtsurkunden eingetragen.
„Die deutschen Standesämter
sind inzwischen viel großzügiger ge-
worden“, sagt Frauke Rüdebusch
von der GfdS. „Früher mussten
deutsche Bürger zum Beispiel einen
familiären Bezug zu einem Land
nachweisen, wenn sie ihrem Kind
einen dort gebräuchlichen Namen
geben wollten.“ Durch zahlreiche
Urteile wurden die Verwaltungsvor-
schriften nach und nach gelockert.
„Gesetzlich ist die Erteilung des
Vornamens bisher überhaupt nicht
geregelt, sondern basiert auf lang-
jähriger Rechtsprechung“, sagt Ana-
tol Dutta, Jura-Professor an der
LMU in München. Wie das Bundes-
verfassungsgericht bestätigt hat,
kommt es bei der Wahl des Vorna-
mens nur noch darauf an, dass das
Kindeswohl nicht gefährdet ist.

„Ein Kind Fanta zu nennen muss
nicht kindeswohlwidrig sein,
schließlich ist das ein wohlklingen-
der Name, auch wenn es eine be-
kannte Marke ist“, sagt Dutta. „Bei
reinen Sach-, Gattungs- oder Orts-
bezeichnungen, etwa Wiesengrund
oder Borussia, sähe das wohl an-
ders aus.“ Die GfdS hat in Gutachten
etwa Chaotica, Lucifer und Urmel
abgelehnt. Die Mehrheit der Eltern
mag es allerdings noch klassisch.
Auch der Trend zu alten Namen wie
Emma und Paul ist ungebrochen.
Unzulässig sind geschlechtswidri-
ge Namen. Ein Mädchen darf nicht
Thomas genannt werden. Die Vor-
gabe, dass Namen das Geschlecht
des Kindes anzeigen müssen, be-
steht indes nicht mehr. Dafür hat
das Bundesverfassungsgericht 2008
mit dem „Kiran“-Beschluss gesorgt.
Bei geschlechtsneutralen Namen
wie Kim oder Luca muss nun kein
zweiter Vorname ergänzt werden,
der das Geschlecht anzeigt.
Unklar ist, welche Folgen die An-
erkennung des dritten Geschlechts
„divers“ haben wird. „Eine Möglich-
keit wäre, dass Kindern mit Varian-
te der Geschlechtsentwicklung ent-
weder ein geschlechtsneutraler
oder je ein weiblicher und ein
männlicher Vorname gegeben wird
und sie später einen Namen able-
gen“, sagt Dutta. K. Schneider

Das Familien-


leben ist


bunter


geworden,


daran muss


auch das


Namensrecht


angepasst


werden.


Anatol Dutta
Juraprofessor
LMU München

Marie und Paul waren 2018 am beliebtesten
Am häufigsten vergebene Namen in Prozent aller vergebenen Vornamen
Mädchen
1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

2,61
2,39

1,67
1,46
1,34
1,25
1,2
1,15
1,11

,97

% % % % % % % % % %
Marie
Sophie, Sofie

Maria
Sophia, Sofia
Emilia
Emma
Hannah, Hanna
Mia
Anna

Johanna

Jungen
1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

1,2
1,3

1,29
1,23
1,17
1,14
1, 9
1, 7
1, 3

,96

% % % % % % % % % %
Paul
Alexander

Maximilian
Elias
Ben
Louis, Luis
Leon
Noah

Henry, Henri
Felix

HANDELSBLATT Quelle: Gesellschaft für deutsche Sprache

 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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