Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1

I


n der Suite des Kempinski Hotel Gravenbruch,
nahe dem Frankfurter Flughafen sind die Bet-
ten für sechs Personen gemacht. Später wer-
den Martin Smuras Frau und seine vier Kinder
aus der Schweiz hier eintreffen, um zusammen
mit dem neuen Kempinski-Chef das Wochenende
im Hotel zu verbringen. Doch zuvor nimmt sich
Smura im Wohnzimmer der Suite Zeit für sein ers-
tes Interview in der neuen Funktion.

Herr Smura, seit rund 100 Tagen stehen Sie an der
Kempinski-Spitze. In welchem Zustand haben Sie
das Unternehmen vorgefunden?
In einem guten Zustand, muss ich sagen. Wir ha-
ben tolle Talente. Aber an bestimmten Stellen auch
Herausforderungen, die wir lösen müssen. Unser
Kerngeschäft steht unter Druck. Die Kempinski AG
verkauft ja im wesentlichen Hoteldienstleistungen
an Immobilienbesitzer und Investoren ...

... das heißt, ich besitze ein Hotel und Sie führen es
für mich unter der Marke Kempinski ...
... im Wesentlichen ist das so, genau. Wobei Sie die
Immobilie auch vom eigentlichen Besitzer gepach-
tet haben können, um sie dann von uns als Hotel
führen zu lassen. Dafür erhalten wir eine Manage-
mentgebühr.

Wie hoch ist diese Gebühr typischerweise?
Das ursprüngliche Modell lautete mal: drei Prozent
vom Umsatz als Basis-Fee und zehn Prozent vom
operativen Gewinn als sogenannte Incentive Fee.
Aber in einem Markt, der stark umkämpft ist, lässt
sich dieses Modell kaum noch durchsetzen.

Welche Konkurrenten machen zu schaffen?
Wir betreiben aktuell 78 Hotels, von denen wir mit
dem Vier Jahreszeiten in München nur ein einzi-
ges selbst besitzen, und machen etwa 1,6 Milliar-
den Euro Umsatz mit 26 000 Mitarbeitern. Damit
sind wir zwar die weltgrößte private Betreiberge-
sellschaft für Luxushotels. Aber wir konkurrieren
auch mit weit größeren Wettbewerbern. Das sind
Konzerne wie Marriott-Starwood mit ihren Tau-
senden Hotels. Ferner Inter-Continental, Hyatt
oder auch Accor, die sich mit Raffles oder Fair-
mont inzwischen starke Marken im Luxussegment
zugekauft haben. Diese meist börsennotierten Ge-
sellschaften sind bereit, Hotelbesitzern bei Ab-
schluss eines neuen Managementvertrags viel
Geld zu zahlen, eine Art Antrittsgebühr. Dieses so-
genannte Key Money ist inzwischen oft größer als
die Summe, die sich über die übliche Laufzeit von
zehn Jahren mit einem Managementvertrag ver-
dienen lässt.

Aber was für einen kaufmännischen Sinn hat das
für die Hotelfirmen?
Als börsennotiertes Unternehmen generiere ich
auf diese Weise Umsatzwachstum, was den Ak-
tienkurs steigen lässt. Und der Markenwert mei-
ner Hotelmarken wird größer, weil die Zahl der
betriebenen Häuser wächst, was ebenfalls gut ist
für den Kurs. Kempinski als nicht börsennotierte
Gesellschaft stehen diese Mechanismen nicht of-
fen.

Welche Folgen hat das für Ihr Geschäft?
Kempinski betreibt viele prestigeträchtige Hotels,
die jeder gerne im Portfolio hätte. Wir stoßen bei
jedem Managementvertrag, der zur Verlängerung
ansteht, auf enorme Konkurrenz. Abgesehen vom
Key Money können Sie sicher sein: Die Manage-
ment-Fee wird niemals höher sein als vorher, son-
dern niedriger. Die Erwartung, welche Leistung
man dafür erbringen muss, wächst aber. Ergebnis:
Unser Kerngeschäft ist derzeit noch nicht nachhal-
tig genug, Wachstum für uns in diesem Bereich
schwer möglich. Wir haben in den vergangenen
Jahren etwa ebenso viele Hotels neu aufgenom-
men, wie wir wieder verloren haben.

Wie viele Verträge laufen in diesem Jahr aus?
Dieses Jahr hatten wir 13 Hotels, die im Prinzip auf
Exit stehen.

Bei denen also die Besitzer oder Investoren den
Vertrag mit Kempinski nicht verlängern wollten?
Richtig. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir
diese Hotels nicht erfolgreich geführt hätten, im
Gegenteil. Bisher ist es bei zwei der 13 Hotels gelun-
gen, doch noch eine Vertragsverlängerung zu errei-
chen: bei unserem Haus in Venedig und beim Balt-
schug Hotel in Moskau. Aber zumindest in sechs
Fällen wird die Trennung unvermeidlich sein.

Um welche Hotels handelt es sich?
Darauf weise ich die Konkurrenz ungern hin.

Das prestigeträchtige Emirates Palace in Abu Dha-
bi droht Ihnen abhandenzukommen, oder?
Dort endet zum 31. Dezember der über 15 Jahre
laufende Managementvertrag. Der Eigentümer
dieses staatlichen Gästehauses hat uns beschei-
nigt, dass Kempinski einen ausgezeichneten Job
gemacht hat. Aber ein Wettbewerber hat sich mit
sehr attraktiven Konditionen den Zuschlag gesi-
chert. Das war bereits, bevor ich mein Amt bei
Kempinski angetreten habe. Ich habe natürlich
sofort versucht, die Sache noch mal zu drehen.
Das wird schwierig, man ist beim neuen Betreiber
im Wort. Aber der Kampf ist erst entschieden,
wenn wir unsere Flagge auf dem Hoteldach ein-
holen.

Auch auf dem Hotel Atlantic in Hamburg müssen
Sie demnächst die Flagge einholen.
Ja, und das schmerzt mich ganz besonders. Dieses
Haus gehört zur Kempinski-DNA, es war eines der
ersten vier unserer Hotels. Wir haben dem Atlantic
als Betreiber die Treue gehalten, auch als es über
viele Jahre ein ziemlich müdes Haus war, aber
dann gab es einen Eigentümerwechsel und dem-
nächst daher auch einen neuen Betreiber.

Martin Smura


„Wachstum


ist schwer


möglich“


Der Kempinski-CEO spricht über


die Neugliederung der Hotelgruppe,


nimmt Stellung zur Kritik am


„Adlon“ – und kündigt den Einstieg


ins Immobiliengeschäft an.


Kempinski-CEO Smura:
Sein Kerngeschäft steht
unter Druck.

Andreas Reeg für Handelsblatt,

Das Adlon in Berlin:
Tradition verpflichtet.

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WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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