800 Euro zum Leben. Wenig für jemanden,
der einst mit dem Bentley von Joseph
Beuys durch Düsseldorf fuhr und Maß-
anzüge trug. Bei Achenbachs Sommer-
schuhen löst sich die Sohle; man kann bis
auf die Socken gucken. Für den Winter hat
er sich ein festeres Paar gekauft, für 49 Euro
bei Deichmann.
Noch mal angreifen – oder aufgeben?
Es gibt da neben dem Künstlerhof in Kaarst
noch ein anderes Projekt. Eines, das ihn be-
freien könnte von seinen Schulden, so
hofft Achenbach. Eine große Nummer, die
ihn zurück in die Kunstwelt katapultiert.
Diese Sache treibt Achenbach mächtig
um. „Günter, ich glaube, die Mallorca-
Geschichte könnte was werden“, sagt er.
„Das wäre der Hammer, wenn das klappt.“
„Ich hoffe, dass es scheitert“, antwortet
Wallraff.
Was genau die Mallorca-Geschichte sein
soll, lässt sich schwer sagen, Achenbach
erzählt sie jedes Mal ein wenig anders. In
groben Zügen geht sie so: Ein 92 Jahre al-
ter saudischer Prinz besitzt auf Mallorca
eine Finca mit 24 Suiten und 300 Hektar
Land. Der Prinz liegt im Sterben und will
seine Finca verkaufen. Investoren aus
Hongkong sind interessiert. Sie möchten
einen Skulpturenpark in den Garten
bauen, 50 Millionen Dollar Budget, nun
suchen sie jemanden, der das Projekt
kuratiert.
„Das ist meine Chance. Ich kriege da ein
ordentliches Stück vom Kuchen und bin
vielleicht eines Tages meine Gläubiger los“,
sagt Achenbach.
„Helge, du träumst und wirst in Ver-
suchung geführt“, sagt Wallraff.
„Für mich stellt sich doch die Frage, was
ich mit dem Rest meines Lebens mache.
Greife ich noch mal an? Oder gebe ich auf?“
„Wenn du Mallorca machst, bist du
wieder voll drin in diesem Milieu. Du bist
dann nicht mehr der Helge, der sich neu
erfindet mit verfolgten Künstlern auf dem
Bauernhof.“
„Aber Günter, darf ich nicht von den
großen Sachen träumen?“
„Du bist ein liebenswerter Kerl, wirklich,
aber du hast keine Distanz zu diesem gan-
zen Klumpatsch.“
Einige Stunden später, als Achenbach in
seinem VW-Transporter nach Kaarst fährt,
sagt er, der Günter halte eben gern Küchen-
predigten. „Aber warum sollte ich Mallor-
ca denn nicht machen?“, ruft Achenbach
und schlägt mit einer Hand aufs Lenkrad.
„Ich steige doch nicht ins Drogenge -
schäft ein.“
Die Autobahn ist voll, Feierabend-
verkehr, Achenbach kommt nur langsam
voran. Nach einigen Minuten des Schwei-
gens sagt er: „Ich hätte schon vor 30 Jah-
ren aufhören können zu arbeiten. 1987
habe ich eine Sammlung gekauft, gemein-
sam mit zwei anderen Händlern und
einem Banker. Picasso, Beuys, Yves Klein,
Jackson Pollock, allerbestes Zeug. Für
25 Millionen Mark. Heute würde das
eine Milliarde Euro bringen, allein die
beiden Pollocks kosten 200 Millionen.
Und was mache ich? Haue das Zeug
wieder raus, bloß fürs Doppelte. Und mit
der ganzen Kohle mache ich Filialen
auf, in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt,
München und Karlsruhe. Funktionierte
überhaupt nicht. Aber ich habe immer
weitergemacht und das Geld verbrannt.
Völlig krank, aber ich wollte ja der große
Helge sein.“
Er erfand einen Beruf für sich
Achenbach kam als Seiteneinsteiger ins
Kunstgeschäft. Er hatte Sozialpädagogik
in Düsseldorf studiert, war aber oft mit
Studenten der Kunstakademie unterwegs.
Er begriff schnell, wie man reden musste
über Bilder und Skulpturen. Den Jargon,
das Reden in Andeutungen, das Schwär-
men über New York und Paris – Achenbach
machte es zu seiner Sprache. Und er erfand
einen Beruf für sich, den es damals im
Westdeutschland der 70er Jahre noch gar
nicht gab: „Art Consultant“. Er half Firmen
und vor allem vermögenden Privatperso-
nen wie Mick Flick, Frieder Burda und Ru-
dolf Wöhrl beim Aufbau von Kunstsamm-
lungen. Achenbach war der Mann, an den
man sich halten musste, wenn man ein Bild
von Gerhard Richter oder Keith Haring
kaufen wollte, eine Skulptur von Günther
Uecker oder eine Fotografie von Andreas
Gursky. Achenbach war eine Institution.
Im seinem VW-Transporter läuft leise
WDR2, Brexit-Krise. Achenbach dreht das
Autoradio aus und sagt, er müsse das noch
mal erzählen, wie das wirklich war mit
Berthold Albrecht, dem Aldi-Erben.
Nämlich nicht so, wie es im Urteil stand.
Achenbach lässt die Geschichte Mitte
des vergangenen Jahrzehnts beginnen. Sei-
ne Version lautet so: Ein Wirtschaftsprüfer
aus Essen hat zu einem Dinner geladen.
Achenbach sitzt an einem Tisch mit Bert-
hold Albrecht und dessen Frau Babette. Man
kommt ins Gespräch, Achenbach erzählt
von seinem Job und den vielen namhaften
Künstlern, die er kennt. Albrecht sagt am
Ende des Abends zum Gastgeber: „Der
Achenbach ist ein netter Typ. Aber Kunst
werde ich ihm niemals abkaufen.“
Achenbach hält Kontakt zu Albrecht,
er will ihn unbedingt für sich gewinnen.
Wieder ein klangvoller Name mehr auf der
Kundenliste. Achenbach nimmt ihn mit zu
Kunstmessen, Ausstellungen und Atelier-
besuchen, und tatsächlich fasst Albrecht
bald Vertrauen. Achenbach wird zur Ge-
burtstagsfeier von Albrecht nach Essen-
Bredeney eingeladen und wundert sich
über das Büfett: Es gibt Kartoffelsalat
von Aldi, Würstchen von Aldi und Sekt
von Aldi.
An einem Samstagnachmittag im Mai
2009 sagt Albrecht zu Achenbach: „Ich
kriege im November 60 Millionen Euro
ausgezahlt. Ich will das Geld nicht den Ban-
ken geben, denn da gibt es eh kaum Zin-
sen. Ich würde gern Kunst bei dir kaufen.“
Achenbach legt gleich los. Er bastelt ein
Buch, das er mit „B & B Collection“ betitelt,
wie Berthold & Babette. In dem Buch
ER FÄLSCHT
MIT SCHERE
UND
KLEBESTIFT
Die Klägerin: Babette Albrecht,
Witwe des 2012 verstorbenen
Aldi-Erben Berthold Albrecht,
zeigte Achenbach wegen Betrugs an.
Sie hatte die erworbenen
Kunstobjekte nach dem Tod ihres
Mannes schätzen lassen
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