Marc Goergen und
Fotograf Gianni
Cipriano achteten bei
der Recherche sorg
samst darauf, keine Straftat zu begehen –
ein wenig Sand aber schleppten
auch sie vom Strand. Keine Absicht!
HILFE FÜR DIE
SANDPOLIZEI
Niederländische
Wissenschaftler
haben einen Weg
gefunden, die
Herkunft von Sand
zu bestimmen.
Dafür werden die
Blubbergeräusche
analysiert, die
Sand in Säure
erzeugt. Dabei löst
sich Kalk, zum
Beispiel von
Muschelsplittern,
auf, und Kohlen
dioxidbläschen
entstehen. Die
Geräusche waren
so spezifisch, dass
jede Sandprobe
einem bestimmten
Herkunftsort
zuzuordnen war
Um dem Klau Einhalt zu gebieten,
hat Marras nun Flyer drucken las-
sen, darauf ein Foto der Kiesel und
die Aufforderung, fast flehentlich:
„Bitte, nimm mich nicht mit, mein
Freund!“
Eine Autostunde weiter nördlich
gibt man sich mit so was nicht mehr
zufrieden. Am Strand von Le Pelosa
ist das Wasser flach und türkis, vor
allem Familien zieht das an. Der
Strand selbst allerdings ist über-
schaubar. Und wohl nur noch halb
so breit wie einst.
Davon zumindest ist Antonio Dia-
na überzeugt, der Bürgermeister von
Stintino, dem Örtchen, zu dem der
Strand gehört. Selbstbewusst, den
gemütlichen Bauch vor sich her-
schiebend, kontrolliert er die Lage im
Operationsgebiet. Trotz bewölkten
Himmels ist La Pelosa auch heute
proppenvoll. Wie ein Patron begrüßt
Diana die Wächter, die in seinem
Auftrag die Regeln hier überwachen.
Das Verbot – natürlich –, den Sand
mitzunehmen. Das Gebot, sich beim
Verlassen des Strandes den Sand von
den Füßen zu waschen. Vor allem
aber die eine Regel, die Diana viel
Aufmerksamkeit eingebracht hat: In
La Pelosa ist es verboten, Badetücher
auf den Sand zu legen.
„Wir haben Studien anfertigen
lassen“, sagt der Bürgermeister und
wird ein wenig förmlich, „mit jedem
Handtuch kommen 100 Gramm
Sand abhanden. Im Sommer besu-
chen bis zu 7000 Leute den Strand.
Jeden Tag. Würden wir nichts tun –
der Strand wäre irgendwann weg.“
Um das zu verhindern, muss nun
jeder unter sein Badetuch eine
Strandmatte legen, vier Stewards
kontrollieren das. Beim ersten
Vergehen wird verwarnt. Ist der
Delinquent uneinsichtig, rufen die
Wärter die Umweltpolizei herbei.
Dann heißt’s zahlen: 100 Euro.
Gerade weisen die Wächter eine
Familie aus Straubing zurecht. Ein
einfacher Fall. Der Vater gesteht sein
Vergehen, kauft schnell noch eine
Matte bei einem der Schwarzafrika-
ner, die Dianas Gesetz flugs zum
Geschäft gemacht haben. Man habe
es einfach nicht gewusst, beteuert
der Niederbayer.
Tonnenweise Schmuggelsand
So geht es vielen. Zwar weisen mitt-
lerweile Schilder auf die Verbote
hin, nicht immer aber so klar wie in
Is Arutas – dort stehen sie an jedem
Zugang. Selbst jene Franzosen, bei
denen man 40 Kilo im Auto fand, be-
teuerten ihre Unwissenheit, auch
wenn das kaum plausibel scheint.
Immer wieder ist in den vergange-
nen Jahren Sand aus Sardinien auf
Ebay aufgetaucht, gerade mit dem
von Is Arutas lassen sich leicht ein
paar Euro verdienen.
Sand ist zu einem begehrten Gut
geworden. Zwar ist es vor allem die
Bauwirtschaft, die am Stoff hängt
und ihn knapp werden lässt, aber
auch die Diebstähle durch Touristen
werden zunehmend als Problem er-
kannt. Nicht nur auf Sardinien, auch
in der Dominikanischen Republik
oder in Thailand ist es inzwischen
verboten, Sand mitzunehmen. Auf
Hawaii drohen sogar bis zu 90 000
Euro Strafe. Und als der britische
Autor Ian McEwan ausplauderte, in
Chesil Beach, am Schauplatz seines
Romans „Am Strand“, ein paar Kiesel
eingesteckt zu haben, wies man ihn
sogleich darauf hin, dass das verbo-
ten sei. McEwan entschuldigte sich
und brachte die Steine flugs zurück.
Zurückbringen – das hat man sich
auch auf Sardinien als Ziel gesetzt,
vor allem am Flughafen von Olbia.
Denn der ist Ein- und eben auch
Ausgang zur vielfach beworbenen
„Costa Smeralda“, der türkisfarbig
leuchtenden Küste im Nordosten.
Bis zu 30 000 Passagiere werden hier
jeden Tag durchgeschleust. Und in
schöner Regelmäßigkeit ziehen die
Sicherheitsleute kleine und große
Flaschen voll mit Sand aus den
Koffern. So sind die Bestände an As-
servaten gewachsen und gewachsen
und gewachsen, bis einiges zusam-
mengekommen war – zehn Tonnen.
„Irgendwas mussten wir damit
machen“, sagt Ivan Dettori. Er ist
der Umweltbeauftragte des Flug-
hafens und stolzer Sarde, an der
Wand seines Büros hängt ein rie-
siges Foto seines Heimatstrandes
Capo Comino.
Jetzt gerade allerdings ist er in we-
niger trautem Ambiente unterwegs.
Am Rollfeld des Flughafens entlang
steuert er seinen kleinen Dienst-
Fiat zu einem Verschlag neben der
Kläranlage. Dettori präsentiert die
Ausbeute allein der vergangenen
Wochen: zwei Tonnen Sand, por-
tioniert in Flaschen, in Gläsern, in
Kistchen.
Es wirkt so erschreckend wie be-
eindruckend und ist doch nur ein
Bruchteil dessen, was mal hier lager-
te: Im April ließ Dettori die bis dato
angefallenen zehn Tonnen an die
Strände eines Meeresparks repatri-
ieren. „Natürlich war das auch ein
wenig symbolisch, aber wir hatten
tatsächlich keinen Platz mehr.“
Dettori räumt noch ein wenig die
Flaschen und Säcke zurecht, damit
mehr Platz ist, dann drängt er zum
Aufbruch. Er muss zurück zum Ter-
minal. Dort wartet schon wieder
Kostbares auf ihn – die Ausbeute
vom heutigen Morgen. 2
Als „Sheriff des
Strandes“ filmt
Pina Careddu
Missetaten der
Touristen
Am Strand von La Pelosa patrouillieren Polizisten. Matten unter
den Badetüchern sind hier Pflicht – um den Sand zu schützen
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