Süddeutsche Zeitung - 02.10.2019

(avery) #1
von peter richter

G

anz am Ende der Flucht von
Paraderäumen, die sie jetzt im
Dresdner Schloss wieder her-
gestellt haben, steht er dann
auf einmal selbst, und zwar
beinahe leibhaftig: Friedrich August I., wie
er als Kurfürst von Sachsen hieß, hatte
schon zu seinen Lebzeiten eine Figurine
von sich anfertigen lassen, die ihnin effi-
gieals König von Polen zeigt, wo er August
II. hieß. Das war ja schon logistisch nicht
einfach, in Personalunion gleich zwei Rei-
che zu regieren, und das polnische umfass-
te damals immerhin auch Litauen und die
Ukraine. Aber wenn es einer konnte, wenn
einer eigentlich überhaupt alles konnte,
dann dieser Mann – das ist jedenfalls die
Botschaft all der vorangegangenen Räu-
me.
Das Deckengemälde im Audienzsaal
hatte ihn als „Hercules Saxonicus“ verherr-
licht, komplett neu gemalt nach rechtzei-
tig vor der Zerstörung im Zweiten Welt-
krieg angefertigten Farbfotos. Im wieder
erstandenen Turmzimmerchen lag das an-
geblich von Augusts Hand zerbrochene
Hufeisen, das ihn auch ohne allegorische
Überhöhung als Mann von Leibeskräften
auswies, die ihm später den Spitznamen
„August der Starke“ einbrachten.

Die Zahl von 354 unehelichen Kindern
hingegen galt zwar schon damals als miss-
günstige Propaganda aus dem Umfeld sei-
ner Gegner. Aber dass das Deckengemälde
im Schlafzimmer tatsächlich eine Aurora
zeigt, nämlich als Allegorie des Tagesan-
bruchs: Das erinnert immerhin daran,
dass exakt so ja seine erste Mätresse gehei-
ßen hatte, nämlich Aurora von Königs-
marck, und das wiederum war nun be-
kanntlich nicht die letzte schöne und klu-
ge Frau aus Norddeutschland, die es dem
Sachsen angetan hatte, wie etwa die Por-
träts der notorischen Gräfin Cosel bele-
gen.
In den wieder neu eingerichteten Vor-
zimmern hatten allerlei edelsteinverzierte
Degen und Säbel August zumindest sym-
bolisch als kühnen Kriegsherrn vorge-
stellt, das Porzellanzimmer hingegen als
schönheitssüchtigen Sammler von Fragili-
täten, der lieber ein Regiment Dragoner an

den Kurfürstenkollegen in Brandenburg
verkaufte, wenn er dafür im Gegenzug ein
paar hüfthohe chinesische Vasen bekam.
Und die mythische Verehrung und Verklä-
rung, die dieser Herrscher bis heute hier
genießt wie keiner anderer, hat nicht zu-
letzt mit solchen scheinbaren Schnaps-
ideen zu tun, denn die Soldaten hätten
auch zu friedlicheren Zeiten in Berlin nun
einmal nie solange überlebt wie die soge-
nannten Dragonervasen in Dresden, wo
sie Jahr für Jahr von Touristentrauben um-
drängelt und bewundert werden.
Die Erkenntnis vor der lebensechten
Puppe im letzten Raum nun jedoch: Dieser
größte Gigant der sächsischen Geschichte
maß trotzdem nur etwa 1,70 Meter. Das
war für damalige Verhältnisse zwar nicht
unbedingt klein für einen Mann. Aber da-
für war sein Kopf wiederum bemerkens-
wert groß.
Ein Abguss, der schon zu Lebzeiten an-
gefertigt wurde, zeigt August mit recht
mürrischer Miene, was vielleicht nicht er-
staunlich ist, wenn einer so lange heißes
Wachs im Gesicht ertragen muss. Erstaun-
licher ist, wie ähnlich dieses Gesicht den
idealisierten Porträts trotzdem ist: der gro-
ße, schwungvolle Mund, die großen Au-
gen, die große Nase, die beiden Raupen als
Augenbrauen: alles im Prinzip schon so
wie auf den Gemälden des Hofmalers Lou-
is de Silvestre, nur mürrischer eben und
ohne Allonge-Perücke, so dass der Abguss
des kurfürstlich-königlichen Kopfes im
Einzelnen aussieht wie eine Kanonenku-
gel von der Festung Königstein. Als Be-
standteil der Figurine im polnischen Krö-
nungsornat aber wirkt er wie der Kopf ei-
nes Kindes, das mit wütender Entschlos-
senheit König spielt. Und dass es so ein
bisschen wohl auch war, zeigen die ent-
schiedenen Züge ins Märchenschlosshaf-
te, die uns hier jetzt mit so viel Sorgfalt wie-
der vor Augen gestellt worden sind.

Zweite Erkenntnis in diesem Zusam-
menhang: August war ausweislich seiner
penibel restaurierten Prunkgewänder
auch nicht immer so beleibt wie zum
Schluss, als er nach einem der Leben der
durchaus dienstlich veranlassten Aus-
schweifungen an der Diabetes verstarb,
denn sonst hätte es ihm die goldenen
Knöpfe von den anfangs noch einigerma-
ßen taillierten Wämsen gefeuert, die aller-
dings zu besonders festlichen Anlässen
auch abgenommen und durch solche aus
Diamanten oder ähnlichem ersetzt wer-
den konnten.

Ein solcher besonders festlicher Anlass
war zum Beispiel die Hochzeit seines Soh-
nes Friedrich August II. mit der habsburgi-
schen Erzherzogin Maria Josepha vor ge-
nau dreihundert Jahren. Es handelte sich
um Hochzeitsfeierlichkeiten, bei denen
ganz klar eine Person im Vordergrund
stand, und das war weder die Braut noch
der Bräutigam, sondern dessen Vater, der
sich hier der Tatsache würdig erweisen
musste, durch diesen Schachzug seiner Dy-
nastie am Ende sogar die Aussicht auf die
Kaiserkrone zu eröffnen.

Die Feierlichkeiten im September 1719
dauerten vier Wochen an, und eigens da-
für hatte August die Paraderäume ausbau-
en lassen: um sich vor der kaiserlichen Ver-
wandtschaft in seinem kurfürstlichen
Schloss in jeder Hinsicht als königlich zu
präsentieren. Dass der Krieg die Fortset-
zung der Politik mit anderen Mitteln sei,
ist ein Satz, der nicht ohne Grund aus Preu-
ßen stammt; in Sachsen stünde an der Stel-
le des Krieges das Feiern von Festen und
das geradezu manische Anhäufen schö-
ner, kunstvoller, vor allem aber teurer Din-
ge zur Beeindruckung von Gästen.

Man kann diese Diplomatie des Geldes
statt der Stärke beinahe schon als Vor-
schein bundesrepublikanischer Glaubens-
sätze sehen. Jedenfalls ist es der exakte Ge-
gensatz zu dem, wofür dann Friedrich II.
in Preußen stehen sollte, nachdem er sich
in seiner Jugend vom Luxus und den Frivo-
litäten des Dresdner Hofes beschämt ge-
fühlt hatte und die ganze Pracht wohl auch
deswegen schließlich bombardieren ließ.
Wenn in Sachsen heute so oft ostentativ
wurscht ist, was in Berlin für richtig gehal-
ten wird, man im Zweifelsfall aber eher für

das Gegenteil ist, dann rührt das ganz si-
cher nicht zuletzt auch aus diesen Tiefen
der gemeinsamen Geschichte. Die Parade-
räume im wieder aufgebauten Dresdner
Schloss markieren jedenfalls nicht nur die
geografische, kunsthistorische und menta-
le Mitte zwischen Paris und Wien. Und es
ist geradezu rührend, in diesen Räumen
mit anzusehen, wie August immerzu ins
Versailles seiner Jugenderinnerungen zu-
rück will, während sein für alles mögliche
zuständiger Graf Wackerbarth strikt die
Moden der Hofburg im Blick hat – dersel-
be Wackerbarth übrigens, der in Augusts
Auftrag auch die „Gesellschaft zur Be-
kämpfung der Nüchternheit“ ins Leben
rief, um mit dem Nachbarn im Norden po-
kulierend besser zu Rande zu kommen,
was im Erfolgsfall Deutschland und der
Welt womöglich viel Leid erspart hätte.

Am Ende war es aber gerade die Erfolg-
losigkeit, die dem Dresdner Schloss heute
zu Gute kommt und es deutlich weiter von
Berlin entfernt sein lässt als die zwei Auto-
bahnstunden glauben machen wollen.
Während dort nämlich ästhetisch betont
schlicht gehaltene Bauprojekte (Museum
des 20. Jahrhunderts, Staatsoper, James-
Simon-Galerie) regelmäßig um ein Vielfa-
ches teurer werden als geplant, wird das
Dresdner Schlossbauprojekt durch ein wie-
derum nahezu preußisch strenges Bauma-
nagement am Ende kaum mehr gekostet
haben als 1997 vom Kabinett bewilligt.
Und während in Berlin die Rekonstrukti-
on des Stadtschlosses aus verschiedenen,
also letztlich auch im Triumph des Milita-
rismus über das sächsische Lustbarkeits-
prinzip wurzelnden Gründen massiv um-
stritten ist, gab es in Dresden seit dem Wie-
deraufbaubeschluss von 1986 keine we-
sentlichen Widerreden, allenfalls heftige
Diskussionen über das Wie. Am Ende ha-
ben sie sich für einen Weg entschieden,
der das Überlieferte inszeniert, ohne zu ka-
schieren, dass die Gegenwart gebaut hat.
So kommt es jedenfalls, dass an diesen
Eröffnungstagen Dirk Syndram als
Schlossdirektor von beglückten Besu-
chern um gemeinsame Fotos gebeten
wird, als wäre er Augusts Stellvertreter im
Diesseits. Und anders als der hat er zu mür-
rischen Gesichtsausdrücken nun auch ge-
rade wirklich keinen Anlass.

Der Brunnen ist klassisch gestaltet, Was-
ser plätschert aus den Figuren und fließt
in flachen Kaskaden aus dem höher gelege-
nen Becken in ein Oval, das wie ein Sockel
den mehr als dreizehn Meter hohen Auf-
bau trägt. Auf dem Rand sitzen die ersten
Besucher, die an dem regnerischen Tag
die wettergeschützte, an einen Park erin-
nernde Atmosphäre in der Turbinenhalle
der Londoner Tate Modern zum Plausch
nutzen. Es ist bereits am Tag der Eröff-
nung abzusehen, dass „Fons Americanus“
ein Publikumsliebling werden wird. Die In-
stallation der Amerikanerin Kara Walker
wirkt freundlich und wärmend wie die Son-
ne, die Olafur Eliasson dort vor Jahren auf-
gehen ließ, sie ist so überwältigend wie die
Riesenspinne von Louise Bourgeois, mit
der die Reihe vor vielen Jahren begann.
Die Idee zum Brunnen kam der Künstle-
rin, als sie am Buckingham Palace vorbei
fuhr und das Victoria Memorial umrunde-
te. Das spätviktorianische Monument
sieht aus wie der Aufsatz einer Torte, oben-
drauf prunkt eine vergoldete Bronze der

Siegesgöttin, der Skulpturenschmuck
symbolisiert Tugenden wie Wahrheit, Ge-
rechtigkeit, Mutterschaft, Frieden, Han-
del und Industrie. Dazu gibt es, weil Groß-
britannien sich immer schon als Seefahrer-
nation verstand, zur weiteren Dekoration
nicht nur Löwen, sondern auch Seejung-
frauen und Meermänner. Eine sprudelnde
Selbstdarstellung von 25 Metern Höhe,
das Material der Wahl ist in solchen Fällen
Marmor und Portland Kalkstein.
Das Gegenbild dazu, der Fons America-
nus, ist zwar nur etwa halb so groß, wirkt
aber – obwohl aus angemaltem Kork – fast
noch monumentaler. Walkers Version
wird von einer wirbelnden, afro-karibisch-
amerikanischen Priesterin bekrönt, aus
deren Brüsten das Wasser in hohem Bogen
spritzt. Allerdings ist dieser Venus die Keh-
le durchgeschnitten. Aus ihrer Wunde
sprudelt die dritte Fontäne. Auch das um-
gebende Figurenprogramm ist mehr als
nur ein Konter der Gegenwart auf die star-
re Langeweile einiger mit dem Empire un-
tergegangenen Ideale. Schließlich wurde

die im Jahr 1969 in Kalifornien geborene
Kara Walker mit Film-Erzählungen im
Schwarzweiß des Scherenschnitts be-
rühmt. Sie erzählten von Sklaverei, Diaspo-
ra und Ausgrenzung. Nun räumt sie einer
dicklichen, verzerrten Queen Vicky immer-
hin einen Platz am Sockel ein, drumherum
fahren mit geblähten Segeln die Schiffe,
die auf den Sklavenrouten zwischen Afri-
ka und Amerika verkehrten, und Haifi-
sche schwimmen mit weit geöffneten Ra-
chen. Die Routen der Handelsnation mach-
ten die einen reich – und bedeuteten für
die anderen Qual, Entrechtung, Tod.
Die Bildsprache der Künstlerin war im-
mer darauf angelegt, Abstand zu allen Tra-
ditionen der akademischen Kunst zu hal-
ten, gerade wenn es ihr um das Zeitalter
der Sklaverei ging. Statt dem Grauen in
klassischer Zeichenkunst zu begegnen,
blieb ihr Strich angelehnt an Karikatur, Co-
mic, Animation. Seit Kara Walker auch als
Bildhauerin arbeitet, hat sie diesen Stil in
die dritte Dimensionen übertragen: Die
mehr als zehn Meter hohe Sphinx aus Zu-

cker, die sie vor einigen Jahren in einer ehe-
maligen Fabrik in Brooklyn installierte,
zeigte die antike Figur als Katzenfrau mit
den Zügen einer Schwarzen. Die Brunnen-
plastik in der Tate Modern ist erkennbar
den Zwergen aus dem Disney-Klassiker
Schneewittchen verwandt, während die
Haifische sowohl Damien Hirsts Formalde-
hyd-Aquarium zitieren, wie auch die zäh-
nebewehrte Urversion des Kinoklassikers
„Der Weiße Hai“. Vorbilder für die bauchi-
gen Boote waren Seestücke wie William
Turners „Slave Ship“. Dass Kara Walker
am Bug eines Schiffes, entlehnt aus einem
klassischen Seestück, den Namen „Key
West“ zu „K. West“ verkürzt, ist durchaus
als Subversion aller Historienschreibung
zu verstehen. Die gebrochene Anspielung
öffnet sich allen Assoziationen, die im
gleichmäßigen Rauschen des Wassers zu
sprudeln beginnen. catrin lorch

Kara Walker:Fons Americanus. Tate Modern, Lon-
don, bis 5. April. Ein Katalog erscheint demnächst.

Feiernist die Fortsetzung der
Politik mit anderen Mitteln,
hätte man in Sachsen gesagt

Sklaven, Haie und die dicke Vicky


Die amerikanische Künstlerin Kara Walker bespielt die Turbinenhalle der Londoner Tate Modern mit einem allegorischen Brunnen


„It’s gonna be a big deal“, hatte schon
vor zwei JahrenDanny Brownangekün-
digt, eine ganz große Sache sollte es
werden, sein neues Album, eine Koope-
ration mit einer Hip-Hop-Legende.
Auch wenn man nicht jede großspurige
Aussage des Rappers für voll nehmen
muss, in diesem Fall ist er den Erwar-
tungen gerecht geworden: Produziert
wurde „uknowhatimsayin¿“ (Warp) von
niemand geringerem als Q-Tip, Kopf
vonA Tribe Called Quest. Brown zeigt
sich hier wieder als Gonzo-Großmaul
des amerikanischen Hip-Hop: Auf den
Zuhörer prasseln verquere Wortkaska-
den ein, die in mal Cartoon-, mal in
Stand-up-Comedy-haften und mal in
komplett manischen Erzählsequenzen
von Sex, Drogen und einem Alltag zwi-
schen Apathie und Wahnsinn erzählen.
Eingebettet wird die Erzählwut von
Q-Tips Beats und Sample-Schichten,
die gleichzeitig an den funky Oldschool-
Sound der Neunziger anknüpfen und
trotzdem herrlich herausfordernd sind,
die brummen und sirren und stolpern
und knarren wie alte Stoßdämpfer auf
ausgebeultem Asphalt. In der Single
„Dirty Laundry“
etwa. Das ist viel-
leicht das Erstaun-
lichste an dieser
Platte: Browns
Fiebertraum-Raps
vertragen ziemlich
viel Funk.


Großes Theater hat unterdessen am
Wochenende ein anderer Rapper in
New York aufgeführt: Eigentlich war die
Veröffentlichung seines neuen Albums
„Jesus Is King“ angekündigt worden,
stattdessen gabKanye Westmit jener
chaotischen Improvisationswut, die bei
ihm mittlerweile zur Routine geworden
ist, ein Happening ab, irgendwo zwi-
schen Gospel-Sonntagsmesse und Lis-
tening-Session. Besonders deutlich
zeigte sich darin noch einmal Wests
Vision für den Pop der Zukunft: weg
vom Tonträger, hin zum ultraspirituel-
len, ultraexklusiven Event, dass die
Sehnsüchte des modernen, digitalen
Menschen viel besser zu spiegeln
scheint, vor allem aber auch Kanyes
eigene psychische Instabilität. Ob das
Album wirklich fertig ist, oder noch ein
Work-in-Progress, weiß derweil womög-
lich nicht mal er selbst. Ernst meint er
es auf jeden Fall gerade mit seiner Versi-
on zeitgenössischer Kirchenmusik:
Kein einziges Schimpfwort, heißt es,
soll in den Texten vorkommen.


Eine harte Zeit hat auch Zachary Cole
Smith, Sänger und kreatives Schaltzen-
trum der New Yorker BandDIIV, hinter
sich: Nach einem ordentlichen Debüt
tat sich Smith erst vor allem als eifriger
Heroin-Junkie nach Cobain’schen Vor-
bild hervor, dann als toller Melodiener-
finder und Gitarrist, der seine Erfahrun-
gen auf dem weitverzweigten, wunder-
bar launischen, abwechselnd warm-
und kühlströmenden zweiten Album
der Band, „Is The Is Are“, verarbeitet,
um dann in den vergangenen Jahren
durch die Drogenentzugshölle zu ge-
hen. Folglich ist die neue Platte „Decei-
ver“ (Captured Tracks) um einiges düs-
terer und introspektiver geraten: Die
Gitarren kreisen immer noch unermüd-
lich, diesmal allerdings mehr in Rich-
tung Noise-Rock und Shoegaze. Manch-
mal klingt es, als könnte sich Smith
nicht entscheiden, ob er eine Hommage
anMy Bloody Valentineaufführen oder
die Band doch lieber bloß parodieren
will. Trotzdem schaffen es nicht viele,
wie etwa in „Blan-
kenship“, mit so
viel Dringlichkeit
von einem großen
Unbehagen zu er-
zählen, und das im
Grunde allein mit
Gitarren.


Unbedingt erwähnt werden muss in
dieser Woche aber auch „Even If It
Hurt“, die neue Single vonTei Shi. Für
die erste Single ihres kommenden Al-
bums hat sich die kanadisch-kolumbia-
nischen Sängerin mitBlood Orangeden
Meister des zeitgenössischen, funky
gurgelnden Slow-Disco-Grooves als
Gast dazu geholt. Herausgekommen ist
ein so federleicht schwebender und
seidener Song, dass man das Gefühl
hat, Tei Shi habe die moderne R’n’B-Bal-
lade noch einmal so
verschlankt, dass
man sich einen
noch zarteren, ge-
schmeidigeren
Popsong fast gar
nicht mehr vorstel-
len kann.


Wann ist Popmusik eigentlich besser?
Wenn sie ehrlich von Verletzlichkeit
erzählt? Oder wenn sie für uns die aller-
schönsten Illusionen aufführt? Darauf
hatFrank Oceangeantwortet. Ausge-
rechnet der amerikanische Rapper, der
das Bekenntnis-Songwriting für die
Internet-Generation neu erfunden hat,
erzählte dem amerikanisches Modema-
gazin „W“: „Ich habe lange daran ge-
glaubt, dass Stärke darin liegt, Verletz-
lichkeit zu zeigen. Das tue ich nicht
mehr. Stattdessen hatte ich eine andere
Erkenntnis: Es ist alleine meine Ent-
scheidung, welche Geschichte ich erzäh-
len will. Um die Erwartungen der Fans
zu erfüllen, müsste ich vor aller Welt
mein Herz ausschütten. Im Moment
interessiert mich das Lügen aber viel
mehr. Was ich will, ist eine Fantasie, so
groß wie ein ganzer Spielfilm.“
annett scheffel


Größte Paradoxie dieser
opulenten Inszenierung: Die
Kosten hielten sich im Rahmen

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Das Audienzgemach in den Paraderäumen, die im Februar 1945 zerstört und jetzt auf der Basis von Farbfotos rekonstruiert wurden. FOTO:: SKD, OLIVER KILLIG

DEFGH Nr. 228, Mittwoch/Donnerstag, 2./3. Oktober 2019 HF2 FEUILLETON 15


Prachtpolitik


Im Dresdner Schloss wurden die Paraderäume


August des Starken wieder eingerichtet: Die Diplomatie der


materiellen Verausgabung gibt bis heute zu denken


Kara Walkers „Fons Americanus“ ist inspi-
riert vom „Victoria Memorial“ vor dem Buck-
ingham Palast. FOTO: MATT GREENWOOD / TATE

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