Mittwoch, 2. Oktober 2019 ∙Nr.228∙240.Jg. AZ 8021Zürich∙Fr.4.90 ∙€4.
Pädagogik: Die Schule sollte vom Kindergarten lernen – nichtumgekehrt Seite 12
ANZEIGE
Credit Suisse hält an
Bankchef Thiam fest
Untersuchungsbericht lässt wichtige Fragen offen
Nach der Publikation eines
Berichts über die Bespitzelung
des ehemaligen CS-Topmanagers
Iqbal Khan treten zwei
Kadermitglieder der Credit
Suisse per sofort zurück. Sie
sollen auf eigeneVerantwortung
gehandelt haben.
ZOÉBACHES
Die Credit Suisse (CS) hat am Diens-
tagmorgen die Ergebnisse der extern in
Auftrag gegebenen Untersuchung zur
Affäre Iqbal Khan publiziert.Wegen der
Bespitzelung von Khan, dem ehemaligen
Chef des internationalenVermögens-
verwaltungsgeschäfts der Grossbank,
scheidet dierechte Hand des CS-Chefs
TidjaneThiam,Pierre-Olivier Bouée, per
sofortaus derBank aus. Ebenfalls gehen
muss der SicherheitschefRemo Boccali,
der von Bouée denAuftrag gefasst hatte,
Khan zu überwachen.
Die von der Grossbank beauftrag-
ten Experten der Zürcher Anwalts-
kanzlei Homburger fandenkeinen Hin-
weis darauf, dassBankchefThiam, wei-
tere Mitglieder derKonzernleitung oder
derVerwaltungsratspräsident die Über-
wachung von Khan genehmigt oder da-
von gewusst hätten, bevor die Aktion
bekanntwurde. Chief Operating Officer
Bouée entschied laut Bericht alleine, die
Überwachung auszuführen, dies, um aus
seiner Sicht die Interessen derBank zu
schützen.Aus den Befragungen ergab
sich, dass Bouée besorgt darüber war,
dass Khan ein Risiko für die wirtschaft-
lichen undrechtlichen Interessen der
Bank darstellenkönnte. Deshalb habe
er diesenAuftrag am 29.August 20 19
an den Sicherheitschef übergeben. Be-
kanntlich lief diese Beschattung am
17.September aus demRuder, als Khan
bei einer Einkaufstour mitseiner Frau
in der Zürcher Innenstadt an der Ecke
Fraumünster- und Börsenstrasse be-
merkte, dass er von einem Detektiv be-
schattet wurde.
Entschuldigung an Khan
Die Anwälte fandenkeine Anhalts-
punkte dafür, dass Khan entgegen sei-
nen vertraglichenVerpflichtungen ver-
sucht hätte, Mitarbeitende oderKunden
der CS abzuwerben. An einer am Diens-
tag einberufenen Medienkonferenz ent-
schuldigte sichVerwaltungsratspräsident
UrsRohner denn auch bei Khan, bei den
Mitarbeitern und der Öffentlichkeit für
das unangebrachteVorgehen. Ebenfalls
wurdenkeine Hinweise darauf gefun-
den, dass die CS schon früher ausschei-
dende Mitarbeiter überwacht habe. Roh-
ner äusserte zudem Betroffenheit und
Bedauern über den jüngst publik gewor-
denen Suizid des Mittelsmannes, der zwi-
schen der Grossbank und dem mit der
Beschattung beauftragten Detektivbüro
eingeschaltet worden war.
Nun lässt aber der Bericht eine
ganzeReihe vonFragen unbeantwor-
tet. So wurde nureinezweiseitige «Zu-
sammenfassung der zentralen Erkennt-
nisse» der Kanzlei publiziert, nicht der
ganze Bericht. Zudem war der Unter-
su chungsauftrag an die Anwälte stark
eingegrenztaufdieFrage nach demAuf-
traggeber und allfälligen Mitwissern der
Beschattung von Khan. Nicht untersucht
wurde das persönlicheVerhältnis zwi-
schenThiamund Khan.Damit bleibt die
Ursache des schwerwiegenden Zerwürf-
nisses zwischen den beiden weiterhin im
Dunkeln. Die Ereignisse amTag der Be-
schattung werden von den Strafverfol-
gungsbehördenermittelt. Zu Akten der
Polizei und der Staatsanwaltschaft hat-
ten die Anwältekeinen Zugang.
Auch sonstkonnte nicht der gesamte
Kommunikationsfluss eingesehen wer-
den. Bouée und sein Sicherheitschef
nutzten teilweise diestark verschlüs-
selte AppThreema. Dort wurden Mit-
teilungen gelöscht, die die Anwaltskanz-
lei nicht mehr wiederherstellenkonnte.
Hingegen hatte sie Zugang zu E-Mails
und SMS. Möglicherweise waren auch
Telefonate zwischen denverschiedenen
involvierten Personen «nur teilweise
verfügbar». Ebenso wenigkonnten all-
fällige mündliche Anweisungennach-
gewiesen werden.Weiter kann der Be-
richt den latentenVerdacht nicht ganz
aus derWelt schaffen, dass Anweisungen
in mündlicherForm an den COO zur Be-
schattung von Khan gegeben wurden.
Ruf desFinanzplatzesleidet
DieFrage stellt sich, ob ein derart heik-
ler Entscheid, ein abgehendes Mitglied
derKonzernleitung beschatten zu las-
sen, von Bouée in Alleinregie getrof-
fen wurde. Und weiter: Ist es glaubhaft,
dass Bouée seinem ChefThiam auch in
den folgendenWochen nichts erzählte?
Darauf angesprochen, betonteRohner,
es seienkeine Belege gefunden worden
für eine Involvierung vonThiam. Zudem
könne es in einem grossen Unterneh-
men durchaus passieren,dass der COO
alleine handle und es manchmal eine
Weile dauere, bis etwas ans Lichtkomme.
Noch ist unklar, ob Bouée eine Ab-
gangsentschädigung erhalten wird, dar-
über wird derVerwaltungsrat entschei-
den. Rohner gestand zudem ein, dass die
AffäreKhan nicht nur denRufder CS,
sondern denjenigen des ganzen Schwei-
zer Finanzplatzes beschädigt habe.
Einen vorzeitigenRücktrittschlosser
aber aus. Er setze sich jedenTag voll
für dieBank ein, dies wolle er auch wei-
ter tun.JohnTiner, derVorsitzende des
Audit Committee, bekräftigte,derVer-
waltungsrat habe weiterhin vollesVer-
trauen in UrsRohner als Präsidenten.
Bouée tritt per sofort als COO zurück
und scheidet aus der Geschäftsleitung
aus. Sein Nachfolger, der langjährige CS-
BankerJamesB. Walker, wird mit sofor-
tigerWirkung zum Chief Operating Offi-
cer und Mitglied der Geschäftsleitung
der CS ernannt.Walker führte bis anhin
den Stab desFinanzchefs.
Der steile Absturz
des Rudy Giuliani
win. Washington· Der frühere NewYor-
ker Bürgermeister war nach denTerror-
anschlägen 20 01 einFels in der Bran-
dung, von dem eine bestürzte und ver-
wundete NationTr ost und Halt erhielt.
Heute ist er, etwas überspitzt gesagt, zu
einem Gift und Galle spuckendenWur-
zelmännchen mit Aluhut verkommen:
Rudy Giuliani ist imWeissen Haus
DonaldTr umps der wichtigste Einflüs-
terer jenerVerschwörungstheorien, die
den Präsidenten oftstärker interessie-
ren als dasRegierungsgeschäft.
Er war schon immer schillernder, als
ihn seine souveränenAuftritte nach 9/
aussehen liessen.Aber so richtig inFahrt
geraten ist Giuliani mit der Kandidatur
und derWahlTr umps, der ein vergleich-
bares Flair fürVerschwörungstheorien
hat.Auf derBasis von undurchsichti-
gen Geschäftsbeziehungen zu russland-
freundlichenKreisen in der Ukraine ist
er eine Art privater Gesandter des Präsi-
denten geworden, der in einer vomAus-
senministerium unterstützten Schatten-
diplomatie quer durch dieWeltreist
und angeblichen Beweisen eines Skan-
dals nachspürt – und zwar Beweisen, die
längstwiderlegt sind.
International, Seite 5
ULLSTEIN
Indien feiert
seine «grosse Seele»
Mahatma Gandhi, der vor150 Jahren geboren wurde, gilt weltweit als Ikone des ge-
waltlosenWiderstands. DenTitel Mahatma,«grosse Seele», verdankt er seinem Engage-
ment für ein friedliches Zusammenleben allerReligionsgruppen. Doch dieWerte, für
die Gandhieinstand,sehen manche Inderheute bedroht, auch wenn Premierminister
Modi den Nationalhelden demonstrativ hochhält. International, Seite 7
CS-Chef Thiam entlastet –
aber dieZweifel bleiben
Kommentar auf Seite 11
Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Falkenstrass e 11, Po stfach, 8021 Zürich , Telefon: +4144 2581111,
Leserservice/Abonnements: +4144 2581000, http://www.nzz.ch
Wetter: 21, TV/Radio: 41, Traueranzeigen: 16, Kino: 28, Impressum: 9
Employment&Pensions
http://www.prager-dreifuss.com
9772297 322004
19228