34 WIRTSCHAFT & FINANZEN WELT AM SONNTAG NR.40 6.OKTOBER2019
er Glaspalast an der
Amsterdamer Straße
in Köln sollte ein
„Haus des 21. Jahrhun-
derts“ sein. So hatte
es der Verleger Alfred Neven Du-
Mont gewollt. Ein Verlagshaus, das
für „dichte, zügige und effektive
Kommunikation“ stehe, modern
und doch den „Traditionsproduk-
ten Zeitung und Buch“ verpflichtet.
So steht es in einem Artikel, der
zum zehnten Jahrestag des impo-
santen Gebäudes im September
2008 erschien. Damals lebte der Pa-
triarch Neven DuMont noch, Verle-
ger in der elften Generation; er
starb 2015 im Alter von 88 Jahren.
Heute kennzeichnet die Medien-
gruppe DuMont so ziemlich das
Gegenteil von zügig kommunizier-
ten Entscheidungen. Dem Traditi-
onsprodukt Zeitung sieht sich der Vorstandschef
Christoph Bauer auch nicht mehr zwingend verbun-
den. Der Verleger Neven, der in seiner Spätphase – aus
heutiger Sicht unvorsichtigerweise – noch die „Frank-
furter Rundschau“ und die „Berliner Zeitung“ zuge-
kauft hatte, wollte aus seinem Verlag ein Medienhaus
machen. Bauer hat sich nun zum Ziel gesetzt, DuMont
zum Technologieunternehmen umzumodeln. Um die-
ses Ziel zu erreichen, ist er bereit, das fast 400 Jahre
alte Erbe des Verlags aufzugeben. Je nachdem wen
man fragt, gilt das als mutige Disruption oder schänd-
liche Egomanie.
VON CHRISTIAN MEIER
In Übereinkunft mit Nevens Nachfolgern, darunter
Alfreds Tochter Isabella Neven DuMont und dessen
Neffe Christian DuMont Schütte, traf Bauer vor etwa
einem Jahr eine folgenschwere Entscheidung. Das ge-
samte Zeitungsgeschäft wurde mit Unterstützung der
Beratungsfirma Goetzpartners zum Verkauf gestellt.
Um im Praxistest herauszufinden, ob es Angebote ge-
ben würde und wenn ja, in welcher Höhe. Bauers Plan:
einige Hundert Millionen Euro mit einem Komplett-
verkauf erlösen, einen Anteil davon an die insgesamt
17 Kommanditisten ausschütten und mit dem großen
Rest in neue digitale Unternehmen investieren.
Neben dem profitablen „Kölner Stadt-Anzeiger“,
der „Kölnischen Rundschau“ und der ebenso profitab-
len „Mitteldeutschen Zeitung“ in Halle, die nach der
Wende übernommen wurde, gehörten die in den ver-
gangenen Jahren drastisch zusammengesparte „Berli-
ner Zeitung“ zum Paket sowie die wirtschaftlich da-
hinsiechenden Boulevardzeitungen „Express“ in Köln,
„Kurier“ in Berlin und „Morgenpost“ in Hamburg. Die
„Frankfurter Rundschau“ hatte man bereits vor Jah-
ren verlustreich in die Insolvenz schicken müssen.
SCHMERZHAFT VVVermutlich auch wegen dieser soermutlich auch wegen dieser so
schmerzhaften wie kostspieligen Erfahrung trug der
Aufsichtsrat von DuMont den Bauer-Plan schließlich
mit. Getrieben von der Einsicht, dass das Geschäft mit
der Tageszeitung bald nicht mehr wirtschaftlich zu ge-
stalten sei. Dabei half freilich, dass Isabella Neven Du-
Mont und Christian DuMont Schütte dem Aufsichts-
rat zwar vorsitzen, aber Bauer weitgehend freie Hand
ließen. Isabella, die knapp 30 Prozent am Unterneh-
men hält, war von ihrem Vater sozusagen zwangsver-
pflichtet worden, als ihr Bruder Konstantin sich als
Vorstand nicht bewährt hatte. Christian dagegen habe
immer die Nummer eins im Verlag sein wollen, sagt
ein leitender Mitarbeiter, müsse sich aber eingeste-
hen, dass er mit der Aufgabe überfordert sei. Er hält
knapp 20 Prozent der Anteile. Konstantin Neven Du-
Mont hatte seine Sieben-Prozent-Anteil im Jahr 2013
an seine Eltern abgegeben.
Die zwölfte Generation der DuMonts sei, formuliert
es ein weiterer Mitarbeiter, „wild entschlossen“, das
zunehmend lästige Zeitungsgeschäft abzustoßen. „Ei-
ne bittere Entwicklung“, sagt jemand, der den Prozess
aus der Nähe verfolgt hat. Der strukturelle Gegen-
wind, der die Zeitungsbranche bereits seit Jahren zu
Kostensenkungen und Konsolidierungen zwingt ist
stark (auch Axel Springer, der Verlag der WELT AM
SONNTAG, plant derzeit neben Investitionen ein
Sparprogramm für seine deutschen Zeitungstitel).
Noch können die Umsätze der Verlage mit digitalen
Einnahmequellen die Verluste im Printgeschäft nicht
ausgleichen. Der DuMont-Plan ist aber besonders ra-
dikal, weil er eine Absage an das Verlegertum bedeu-
ten würde. Oder, schärfer formuliert: eine Kapitulati-
on. Und das von einem Unternehmen, das über Jahr-
hunderte mit der Geschichte Kölns verwoben ist. Du-
Mont, das ist ein Teil der DNA der Domstadt.
KRITIK „Die Landesregierung von Nordrhein-Westfa-
len verfolgt die Entwicklung bei DuMont“, sagt Hein-
rich Plaßmann, der Betriebsratsvorsitzende der Me-
diengruppe. In der Staatskanzlei in Düsseldorf sei man
„besorgt um die Zukunft der Zeitungen und des Ver-
lags“. Plaßmann, der sich als einziger Gesprächspart-
ner namentlich zitieren lässt, kann das so genau sagen,
weil er vor rund einem Monat in der Staatskanzlei vor-
stellig wurde. Er sagt: „Köln braucht unabhängigen
Lokaljournalismus.“ Sein Ziel sei, die Eigentümer „zu
einem Umdenken zu bewegen“. Es
gibt allerdings Hoffnung. Denn
ziemlich schnell hatte sich heraus-
gestellt, dass es einen Verkauf der
Zeitungen im Gesamtpaket nicht
geben würde. Also musste man zum
Teilverkauf übergehen. Vor zwei
Wochen kam es zum ersten Schnitt:
der Berliner Verlag, den man in
Köln als „fallendes Messer“ be-
zeichnet, geht nach der bevorste-
henden Freigabe durch das Kartell-
amt an ein Unternehmerehepaar
aus Berlin, Holger und Silke Fried-
rich. Die hatten bisher mit der Me-
dienbranche wenig zu tun, viel
mehr dagegen aber mit Technolo-
gie. Zur Überraschung selbst von
DuMont-Chef Bauer kauften die
Friedrichs die hauseigene Druckerei
gleich mit.
Ein Abenteuer mit ungewissem
Ausgang, bei dem DuMont aber kaum Geld erlöst ha-
ben dürfte. Als nächster Schritt wird der Verkauf der
„Hamburger Morgenpost“ erwartet, die nur noch ein
Schatten ihrer selbst ist.Eine Investorengruppe um
die Geschäftsführerin Susan Molzow versucht sich
derzeit offenbar an einem Management-Buy-out, doch
nach Informationen dieser Zeitung würde die Gruppe
gerne von DuMont eine Mitgift bekommen, statt
selbst Geld zu zahlen.
DILEMMA WWWas nun Köln und Halle betrifft, wo Geldas nun Köln und Halle betrifft, wo Geld
eingespielt wird: Hier wird noch gepokert. Für die
„Mitteldeutsche Zeitung“ interessieren sich die Verla-
ge Bauer und Madsack.Beide würden nicht um jeden
Preis kaufen. Als ein Interessent für die Kölner Titel
soll dem Vernehmen nach der österreichische Verlag
Russmedia vorstellig geworden sein, auch die Funke
Mediengruppe aus Essen könnte trotz eines früheren
Dementis ihrer Verlegerin Julia Becker interessiert
sein. Keiner der Verlage wollte offiziell Stellung neh-
men. Bis zum Jahresende soll die von Vorstandschef
Bauer verordnete „Portfolio-Überprüfung“ dauern.
Ein Insider sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass
es noch zu einem Totalverkauf kommt.“ Das hängt
aber vor allem davon ab, ob die Eigentümer sich einen
Rückzug vom Rückzug vorstellen können.
Das Dilemma: Bleiben die Verlagsteile in Köln und
Halle bei DuMont, fehlt Manager Bauer das nötige
Geld, um in neue Geschäftsfelder zu investieren. Es
müssten Investoren von außen helfen. Ein Technolo-
gieunternehmen ist DuMont noch nicht. Die Hauptbe-
teiligungen in der Marketingtechnologie sind Censha-
re und Facelift, die, vereinfacht formuliert, Unterneh-
men digitale Werkzeuge anbieten, um Inhalte in sozia-
len Medien auszuspielen und zu vermarkten. Skepti-
ker glauben, dass die großen Hoffnungen in Censhare
verpuffen werden und die Umsatzzahlen früherer Jah-
re keine Substanz hatten. 2017 kam das Unternehmen
bei einem Umsatz von 12,5 Millionen auf einen Verlust
von acht Millionen Euro, auch 2018 war extrem
schwierig. Die tiefroten Zahlen seien der internationa-
len Wachstumsstrategie geschuldet, lautete eine Be-
gründung. „Bei dem Mann wäre ich ganz vorsichtig ge-
wesen“, sagt ein Beobachter über den Unternehmens-
gründer Dieter Reichert, der überraschend vor einem
Jahr gehen musste. Censhare gehört DuMont seit ei-
ner Weile komplett, man habe die Münchner Firma
nun wieder „auf Kurs“, heißt es.
Doch reicht das als Grundstein für digitales Wachs-
tum aus? Im dritten Geschäftsfeld von DuMont, der
sogenannten Business Information, braucht es eben-
falls zündende Ideen, denn eine Haupteinnahmequelle
des eigenen Bundesanzeiger Verlags könnte 2022 ver-
siegen. Ab dann sollen nämlich vom Justizministerium
verabschiedete Gesetze kostenfrei verfügbar sein. Für
die DuMonts keine beruhigende Perspektive.
Quelle: Unternehmensangaben
� Censhare
� Facelift
� Upljift
� Bundesanzeiger
Verlag
� Reguvis
Fachmedien
� Validatis
Datenservice
� Kölner Stadt-Anzeiger
� Kölnische Rundschau
� Express Köln
� Mitteldeutsche Zeitung
� Hamburger Morgenpost
� Berliner Zeitung (verkauft**)
� Berliner Kurier (verkauft**)
� div. Anzeigenblätter
� Haaretz-Gruppe/Israel***
� Funk- und Fernsehbeteiligungen
Christian DuMontSchütte (li.),Christian DuMontSchütte (li.),
Isabella Neven DuMont (mi.)Isabella Neven DuMont (mi.)
Christoph Bauer (re.)Christoph Bauer (re.)
Regionalmedien Business Information
Marketing
Technology
* Auswahl der Beteiligungen, ** vorbehaltlich Zustimmung des Kartellamts,
*** Minderheitsbeteiligung
Struktur der Mediengruppe DuMont*
Was
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Der Kölner Verlag DuMont
will keine Zeitungen mehr
herausbringen, sondern
Tech-Unternehmen werden
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