FamilienoperDer Beginn des kleinen Bilderbuchs „Die große Wör-
terfabrik“ von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo ist eine gruse-
lige Dystopie: Paul und Marie leben in einem Land, in dem man Wör-
ter kaufen muss. Was man sagen kann und wie, hängt also davon ab,
wie reich man ist. Der arme Paul findet dennoch einen Weg, Marie zu
erklären, wie lieb er sie hat. Das Theater Erfurt zeigt die schöne
Nachdenkgeschichte als Oper für Menschen ab sieben Jahre.
Hören
und
Sehen
Vom Wert der Sprache und der
Farben: Was diese Woche in der
Kultur passiert
WELT AM SONNTAG NR.40 6.OKTOBER2019 KULTUR 43
2400
LexikonHelen Stelthove hat eine un-
gewöhnliche Sammlung: Rund 2400
Namen von WLAN-Netzwerken hat die
Kommunikationsdesignerin in 13 deut-
schen Städten festgehalten und 400
davon im Duden-Verlag unter dem
Titel „Pretty Fly For A Wifi“ heraus-
gegeben. Dazu erläutert sie, was Na-
men wie „Heidi ohne Kabel“, „Pyrami-
denverleih Ramses“, „Martin Router
King“ und „Dönerteller“ über die Per-
sönlichkeit ihrer Schöpfer verraten.
Kunst„Ich bin Ich, und hoffe NAMEN
es immer mehr zu werden“,
schrieb Paula Modersohn-
Becker (1876–1907) an Rainer
Maria Rilke. Wie ihr das ge-
lang, darüber gibt die Aus-
stellung „Selbstbildnisse“ im
Bremer Museum Böttcher-
straße bewegend Auskunft.
Über 50 Gemälde und Zeich-
nungen, darunter bisher nie
gezeigte, dokumentieren die
Selbsterkundung der Künst-
lerin mit Pinsel und Stift.
Immer wieder sie
FilmErfolg wird in Zahlen
gemessen. Und der Wert von
vielem deswegen verkannt. In
„Der Glanz der Unsichtbaren“
trifft es das „L’Envol“, ein
Haus für obdachlose Frauen.
Weil nur vier Prozent von
ihnen in die Gesellschaft rein-
tegriert wurden, soll es schlie-
ßen. Leiterin Audrey und ihre
Kolleginnen lassen sich einiges
einfallen, um den Frauen die
Kraft und Würde zu geben, die
sie draußen brauchen. Das ist
sehr schön und auch lustig. Ab
Donnerstag im Kino.
Zeigt es allen!
KrimiEndlich ist es da, und –
zack! – ist man durch. Warum
liest man nicht langsamer,
wenn man sich so lange auf das
Neue gefreut hat? Na, weil es
nicht geht. Simone Buchholz’
Chastity-Riley-Bücher sind wie
Drogen: Man braucht immer
schneller immer mehr davon.
Nur dass sie dauerhaft glück-
lich machen und deswegen
sehr gesund sind, unterschei-
det sie von Koks und anderem
Mist. Um Koks geht es auch in
„Hotel Cartagena“ (Suhrkamp
Nova), und fast gehen Riley
und ihre Kollegen drauf. Un-
erträglich, der Gedanke.
Schönste Sucht
Blau ist Physik.
Blau ist Chemie.
Blau ist Biologie.
Blau ist besonders
Kai Kupferschmidt, Blau
,,
TMehr Kultur-News auf:
http://www.welt.de/kultur
BuchDie Korn-
blume ist nicht
blau. Und damit
nicht genug:
„Blau ist gewis-
sermaßen das,
womit die Blu-
me nichts an-
fangen kann“,
erklärt Kai
Kupferschmidt in „Blau – Wie
die Schönheit in die Welt
kommt“ (Hoffmann und Cam-
pe). Und viel Unfassbares
mehr. Mit solcher Hingabe und
Klarheit, dass man verdutzt
feststellt, welch ästhetisches
Vergnügen Naturwissenschaft
bereiten kann. Am 8. Oktober
stellt der Autor das prächtige
Werk im „Analog“ in Berlin
vor. Wie die Schönheit in die
Welt kommt? Als Buch.
Ästhetik der Fakten
Theater„... und das Tal den
Bewässerern, damit es Frucht
bringt.“ So endet Bertolt
Brechts (1895–1956) im Exil
entstandenes Schauspiel „Der
kaukasische Kreidekreis“.
Denn es handelt natürlich
nicht nur vom Streit zweier
Mütter um ein Kind und ein
richtiges Urteil. Sondern auch
von der Verantwortung des
Einzelnen. Auch für das Land,
in dem wir leben. Premiere in
Koblenz ist am 12. Oktober.
Lehrstück
FotografieNoch nie war es so
einfach und billig Fotos zu
machen und diese in die Öf-
fentlichkeit zu bringen,
Smartphone und soziale Me-
dien machen’s möglich. Doch
auch früher haben Laien schon
Aufregendes geschaffen, das
zeigt die Schau „Amateurfoto-
grafie. Vom Bauhaus zu Ins-
tagram“ im Hamburger Mu-
seum für Kunst und Gewerbe.
Selbstgeknipstes
©
LUTZ EDELHOFF/THEATER ERFURT
; HOFFMANN & CAMPE VERLAG; PIFFL MEDIEN/HÖHNE PRESSE; PAULA-MODERSOHN-BECKER-STIFTUNG, BREMEN; © DANIEL HERRMANN; PICTURE ALLIANCE/DPA
AUSGEWÄHLT VON BARBARA WEITZEL