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NICO SCHIMMELPFENNIG
Der Augenzeuge
»Wirklich schocken«
Der Heide Park Soltau in Niedersachsen, eigentlich ein
Vergnügungspark, sucht zu Halloween Komparsen, vor
denen sich die Besucher gruseln sollen. Niels Vollmers,
30, ist Verwaltungsfachwirt von Beruf und in seiner
Freizeit »Erschrecker«. Mit seinem Verein Boo-Crew
sucht er noch Darsteller, die in einem Horrorhotel oder
einem düsteren U-Bahn-Schacht Dienst tun.
»Wir sind nicht auf den Heide Park festgelegt und spielen
auch auf anderen Veranstaltungen, in der Geisterbahn auf
dem Hamburger Dom war ich schon mal ›Anzug-Zombie‹.
Ein bisschen gruseln war gestern. Ich mache das, um die
Besucher zu schocken und wirklich zu erschrecken. Wenn sie
echte Angst bekommen und laut schreien, haben wir alles
richtig gemacht.
Wir sind etwa 120 Leute bei uns im Verein, wovon bis zu
60 pro Abend als ›Erschrecker‹ im Einsatz sind, alle müssen
aufwendig geschminkt werden. Abends nach der Show sit-
zen wir dann oft noch zusammen und erzählen uns, wer den
größten Schocker hingekriegt hat.
Den letzten Auftritt hatte ich im Frühjahr beim Zombie
Escape in Soltau. Ich trug zerfetzte Jeans und ein dreckiges,
zerrissenes T-Shirt. In unserer Maske wurden mir eine asch-
fahle Gesichtsfarbe, dunkle Falten, blutige Augenränder und
auf die Stirn eine rote Platzwunde geschminkt. Außerdem
haben Zombies ja einen bluttriefenden Mund. Es war herr-
lich! Ich finde es lustig, in andere Rollen zu schlüpfen, und
ein bisschen Schadenfreude ist auch dabei, wenn jemand
wirklich geschockt reagiert. Meine Familie fand das anfangs
merkwürdig, hat sich dann aber selbst während eines Auf-
tritts von mir erschrecken lassen.
Angefangen haben wir mit der Boo-Crew vor 15 Jahren
mit einer Handvoll Freizeitparkfans, die in den USA gesehen
hatten, wie groß Halloween dort gefeiert wird. Das wollten
wir nach Deutschland holen. Inzwischen bauen wir in Sol -
tau aufwendige Kulissen, wie bei einer Theaterproduk tion.
Uns fehlen noch etwa 20 ›Erschrecker‹, dafür haben wir
bereits ein Casting veranstaltet. Ein zweites wird es am
- September geben. Das Interesse der Fans ist groß. Wir
mussten leider schon Interessenten ablehnen, weil sie
nicht in ihrer Rolle bleiben konnten. Wer die ganze Zeit über
lacht, weil er das alles so komisch findet, ist kein guter
›Erschrecker‹.« Aufgezeichnet von Hubert Gude
Heiß begehrt
Der Maler und Instagram-
Star Oli Epp,25, stellt zum
ersten Mal in Deutschland
aus, in einer Berliner Gale-
rie. Der umjubelte Nach-
wuchskünstler gilt als Anfüh-
rer eines neuen Instagram-
freundlichen Malstils. In
seinen comicartigen Gemäl-
den beschäftigt sich der
Londoner mit Mode, Pornos
und der YouTube-Kultur.
Sein Durchbruch gelang
Epp auf der zum Facebook-
Konzern gehörenden Foto-
plattform vor zwei Jahren.
Er veröffentlichte dort Fotos
seiner Abschlussarbeiten
an der Kunsthochschule
City & Guilds of London.
Bereits eine Woche vor Er -
öffnung seiner Examens -
ausstellung hatte Epp sämt -
liche Kunstwerke online
verkauft. In Deutschland
wiederholt sich nun dieser
Erfolg: Schon vor der Ver -
nissage waren alle Werke
verkauft. Auf der Warteliste
für neue Gemälde von
Epp stehen derzeit fast
300 Sammler, sagt sein Ga -
lerist. Einige boten ihm
sogar zusätzliches Geld an,
um ein Bild zu bekommen.
Der Galerist verkauft
aber lieber an bekannte
Sammler und treibt so Epps
Marktwert weiter nach
oben. Die Bezeichnung
»Insta gram-Künstler« findet
Epp übrigens abwertend.
Das klinge »cheesy«, also
geschmacklos. RED
Frau gegen Mauer
Beschwingt hebt Angela
Merkel, 65, die Faust,
wie beim Zuprosten auf der
Wiesn, nur ohne Krug.
Lächelnd steht sie im orange-
farbenen Blazer hinter einer
teilweise zerstörten Back-
steinmauer. Die Illustration
stammt von der brasiliani-
schen Künstlerin Camila
Pinheiro, erschienen ist sie im
Buch »Wenn nicht ich, wer
dann?« mit »großen Reden
großer Frauen«. Darin wer-
den Michelle Obama, Sheryl
Sandberg, J. K. Rowling oder
eben die deutsche Kanzlerin
vorgestellt. Kurz vor dem
- Jahrestag des Mauerfalls
hielt Merkel eine Rede vor
dem US-Kongress, in der sie
davon sprach, die »Mauern
des 21. Jahrhunderts zu über-
winden«. Die Illustratorin
hat sich davon offenbar inspi-
rieren lassen. Bei ihrer Rede
2009 trug Merkel allerdings
einen schwarzen Blazer. RED
CAMILA PINHEIRO
HANNAH BURTON FOR DUVE GALLERY