Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1

Die Fortsetzung des Prozesses um den Fuß-
ballerCaiuby begann am Donnerstagvor-
mittag mit einer Überraschung: Anders als
am ersten Verhandlungstag erschien der
Angeklagte persönlich, zuvor hatte sich
Caiuby von seinem Anwalt vertreten las-
sen. Der Brasilianer musste sich vor dem
Amtsgericht Augsburg verantworten, weil
er im Mai vergangenen Jahres einem
Mann einen Kopfstoß versetzt haben soll.
Das Erscheinen Caiubys war insofern uner-
wartet, weil niemand so recht weiß, was
der Angreifer gerade so macht.


Offiziell hat er noch einen Vertrag beim
FC Augsburg, nach einem eigenmächtig
verlängerten Winterurlaub und einer dar-
auffolgenden Leihe zum FC Zürich hat
Caiuby in dieser Saison aber noch kein
Spiel für den FCA bestritten. Ein weiteres
Engagement in Augsburg hatte der Mana-
ger Stefan Reuter bereits kategorisch aus-
geschlossen. DerAugsburger Allgemeinen
verriet Reuter am Donnerstag, dass Caiuby
vom Klub derzeit kein Gehalt bekomme.
Manager Reuter und der FCA-Finanzge-
schäftsführer Michael Ströll waren am
zweiten Verhandlungstag als Zeugen gela-
den, weil sie am Tag nach dem angeblichen
Kopfstoß gemeinsam mit Caiuby und dem
vermeintlich Geschädigten ein Treffen or-
ganisiert hatten. Ein Nebenkläger hatte
am ersten Verhandlungstag erzählt, dass
es bei dem Treffen unter anderem um eine
Entschädigungszahlung gegangen sei, wel-
che allerdings nie erfolgt sei. Vor Gericht
bestätigten Reuter und Ströll, dass nie
Geld geflossen war. Die Aussagen der bei-
den FCA-Verantwortlichen galten als wich-
tig, weil sie womöglich einen Hinweis dar-
auf geben könnten, ob Caiuby der Körper-
verletzung schuldig ist oder nicht.
Am ersten Tag der Verhandlung wurden
zahlreiche Zeugen angehört, die Caiuby er-
heblich belasteten. Freunde des Fußball-
profis, die ebenfalls als Zeugen geladen wa-
ren, verstrickten sich hingegen in Wider-
sprüchen. Eine Verurteilung könnte teuer
für den Brasilianer werden: Der Staatsan-
walt forderte eine Freiheitsstrafe von zehn
Monaten auf Bewährung sowie eine Geld-
strafe von 75 000 Euro.
Caiuby streitet die Vorwürfe ab, sein An-
walt plädierte am Donnerstag auf Frei-
spruch. Das Amtsgericht kündigte die Ur-
teilsverkündung für Freitag kommender
Woche an. thue


von johannes kirchmeier

D


er Mann, der ihm gegenübersaß,
schluckte nach diesen Sätzen im
Frühjahr, das merkte Straubings
Sportlicher Leiter Jason Dunham. Gerade
hatte er seinem Verhandlungspartner Tra-
vis Turnbull eröffnet, was er sich von ihm
erwarte, wenn dieser zu den Tigers nach
Niederbayern wechsele: Er meinte vor al-
lem freiwillige Arbeitsschichten für den
Eishockey-Spieler. Dunham erklärte Turn-
bull dabei relativ deutlich, dass er nicht
mehr unbedingt die idealen Voraussetzun-
gen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL)
mitbringe: „Wenn du heutzutage nicht
schnell laufen kannst, kannst du nicht spie-
len.“ Soweit zur Lage in der schnellsten
Mannschaftssportart der Welt, in der die
Spieler immer jünger und immer flinker
werden. Turnbull, ein erfahrener DEL-
Spieler, wird dagegen nicht jünger. Er ist
mittlerweile 33 Jahre alt. Aber er versprach
Dunham, im Sommer an sich zu arbeiten.
Dann unterschrieb er den Vertrag bei den
Straubing Tigers.

Zumindest nach dem Auftaktwochenen-
de der DEL-Saison 2019/20 und vor den
Heimspielen der Tigers an diesem Freitag
und Sonntag gegen Bremerhaven und Düs-
seldorf lässt sich festhalten: Das Gespräch
hat sich gelohnt. In der vergangenen Sai-
son erreichte Turnbull 18 Scorerpunkte für
die Iserlohn Roosters, nun legt er für Strau-
bing gut los. Nach drei Toren in der Vorbe-
reitung erzielte er am vergangenen Freitag
beim 4:3-Sieg nach Verlängerung gegen
die Krefeld Pinguine den ersten Saisontref-
fer der Straubinger, zudem gab er eine Vor-
lage. Zwei Tage später ließ er früh im Spiel
das nächste Tor bei seinen ehemaligen
Teamkollegen in Iserlohn folgen, die Ti-
gers siegten 3:2 nach Penaltyschießen und
schafften so einen Paradestart. Ach ja, den
entscheidenden Penalty verwandelte: Tra-
vis Turnbull. Danach glitt er jubelnd übers
Eis und sein Lächeln legte eine sportartüb-
liche Zahnlücke frei.
Warum der variable Angreifer nun plötz-
lich wieder so gut in Form ist? „Er ist sie-
ben Kilo leichter als im Frühjahr“, erklärt
Dunham. Das „sieben Kilo“ wiederholt er

voller Bewunderung zweimal, bevor er wei-
terspricht. Turnbull selbst sagt, dass er
sich im Sommer so akribisch vorbereitet
hat wie noch nie.
Nicht nur deshalb sind die Straubinger
gleich von Beginn an wieder erfolgreich,

nachdem sie in der vergangenen Saison
mit 81 Punkten die stärkste Hauptrunde ih-
rer Vereinshistorie schafften. Der starke
Start liegt wohl auch daran, dass Turnbull
nur einer von fünf Zugängen ist. Der Rest
kennt sich, für Dunham ist das elementar:

„Wenn du einen Kern hast, bringt dich das
im Mannschaftssport nach vorne“, sagt er.
Wie sehr er an diese Formel glaubt, zeigt
der Umstand, dass er noch kurz vor dem
Saisonstart mit den Verteidigern Marcel
Brandt und Stephan Daschner bis 2023 ver-

längerte. Ein netter Nebeneffekt: Strau-
bings Kern spielt nun schon ein Jahr lang
den Stil von Trainer Tom Pokel, der darauf
setzt, aus einer kontrollierten Defensive
heraus als unangenehmer Gegner aufzu-
treten. „Ich mag die Art, wie die Mann-
schaft Eishockey spielt“, sagt Turnbull.
Dunham schaffte es zudem, sowohl den
DEL-Topscorer der Vorsaison, Jeremy Wil-
liams, als auch seinen besten Vorlagegen-
geber, Mike Connolly, zu halten. Beim ent-
scheidenden Treffer gegen Krefeld koope-
rierten beide schon wieder. Daher folgern
im Umfeld des Klubs einige, dass die ge-
wachsene Mannschaft noch mehr errei-
chen sollte. Die Straubinger Anhänger träu-
men von der direkten Playoff-Teilnahme,
zu der Rang sechs berechtigt. Recht wäre
das natürlich auch Dunham. „Aber nichts-
destotrotz brauchen wir dafür mindestens
die gleiche Leistung. Und wir hatten viel

Glück letztes Jahr.“ Damit meint er vor al-
lem die verletzungsfreie Spielzeit, aber
auch ein paar Partien, die die Tigers spät
zu ihren Gunsten drehten. Dieses späte
Glück erarbeiteten sie sich allerdings auch
am vergangenen Wochenende schon wie-
der. Nach Rückständen trafen sie jeweils
im letzten Drittel zum Ausgleich und dreh-
ten danach die Partie. Dunham weiß: „Für
uns heißt es auch in dieser Saison: Arbeits-
stiefel drauf und fighten!“
Wie sehr das für seinen Verein im Ge-
samten gilt, zeigte der Sommer in Strau-
bing. Die Stadt werkelte am Eisstadion, die
Eispiste wird in der spielfreien Zeit 2019
und 2020 erneuert. Dafür müssen sich die
Fans etwas umstellen, die Spieler sprinten
in diesem Winter einige Zentimeter tiefer
übers Eis, erst nächste Saison bewegen sie
sich wieder auf der gewohnten Höhe. Beim
Auftakt gegen Krefeld machte zudem die
Kühlung der neuen Piste Probleme. Nebel
zog auf im Stadion am Pulverturm, die Par-
tie musste dreimal unterbrochen werden.
Doch wer Niederbayern kennt, der weiß:
Sie haben sich längst wieder die Arbeits-
stiefel angezogen und an einer Lösung ge-
werkelt. Bei den Heimspielen an diesem
Wochenende soll es daher nicht mehr neb-
lig werden, ihr Torjäger Travis Turnbull
braucht ja einen guten Durchblick.

Es war eine andere Art von Aufbruchstim-
mung vor vier Monaten in der Sporthalle in
Kolbermoor. Gerade hatte der gastgeben-
de Tischtennis-Erstligist das Hinspiel im
Playoff-Finale um die Meisterschaft gegen
den Dauerfavoriten Berlin verloren, da
griff Klobermoors Nationalspielerin Sabi-
ne Winter zum Mikrofon. Sie verabschiede-
te sich nach sieben Jahren von ihrem Publi-
kum und dankte „für die fantastische Un-
terstützung“. Erklärte, dass sie in Schwab-
hausen groß geworden sei und sich auf die
Rückkehr zu ihren Wurzeln freue. Und er-
wähnte, dass ihr der SV-DJK Kolbermoor
die Entscheidung abgenommen habe, weil
er ihr keinen Vertrag angeboten habe.
Dann ging sie die Tribüne hinauf, wo Alex-
ander Yahmed saß, der Trainer, der sie in
Schwabhausen ausgebildet und zu dem sie
stets Kontakt gehalten hatte; neben ihm
saß die Jugend-Nationalspielerin Laura
Tiefenbrunner, ihre künftige Teamkolle-
gin, die ihren Heimatverein Kolbermoor
ein Jahr zuvor verlassen hatte. Winter war
aufgebrochen.
Der 26-Jährigen gelang dann in Berlin
trotzdem noch eine starke Abschiedsgala,
sie bezwang dort überraschend ihre Natio-
nalmannschaftskollegin Shan Xiaona so-
wie die Ungarin Georgina Pota und zeigte
noch einmal, was in ihr steckt, wenn die


dauerlädierte Schulter halbwegs mitspielt


  • auch wenn sie nicht verhindern konnte,
    dass es im Rückspiel endgültig nichts wur-
    de mit einer Titelverteidigung.
    An diesem Samstag (14.30 Uhr) starten
    beide Vereine in die neue Saison, beide be-


finden sich in echter Aufbruchstimmung,
und los geht es gleich mit dem oberbayeri-
schen Derby. Die Gäste aus Kolbermoor
sind guter Dinge, weil sie sich „gewapp-
net“ sehen für den nächsten Angriff auf die
Berliner Dominanz, sagt Trainer und Abtei-

lungsleiter Michael Fuchs: „Ein Titel ist un-
ser Ziel, ob im Pokal oder in der Meister-
schaft, ist uns egal.“ Sein Gegenüber Yah-
med urteilt: „Sie haben sich extrem ver-
stärkt – obwohl Sabine weg ist.“ Dass Zu-
gang Ding Yaping in Kolbermoor an Positi-
on vier stehe, „sagt schon alles“.
Die Abwehrspezialistin Ding war vor ih-
rem einjährigen Gastspiel in Metz neun
Jahre lang Führungsspielerin der TTG Bin-
gen, hatte stets eine der besten Bilanzen in
der Liga. Inzwischen ist sie 52, doch nicht
nur Fuchs ist davon überzeugt, dass sie
auch von 20 bis 30 Jahre Jüngeren noch im-
mer kaum zu bezwingen ist. An Position
eins steht wie im Vorjahr die Österreiche-
rin Liu Jia, die wie im Vorjahr nur spora-
disch zum Einsatz kommen wird. Der Un-
terschied ist, dass sich ihre Einsätze nicht
mehr auf die Playoffs beschränken – weil
es in dieser Saison keine gibt. Im Vorjahr
war dieses System als Notbehelf eingerich-
tet worden, weil die Liga mit sieben Mann-
schaften zu klein war, inzwischen sind es
neun. „Jedes Spiel zählt“, sagt Fuchs, und
Liu werde die mutmaßlich wichtigsten mit-
machen. Hinter Kristin Lang steht an Posi-
tion drei ein weiterer Zugang: Lily Zhang,
die von der TTG Bingen kommt, mit 23 für
die USA schon an zwei Olympischen Spie-
len teilgenommen hat und laut Fuchs zur-

zeit „in der besten Form“ ist, „die sie je hat-
te“. Vier Titel hat sie zuletzt bei den pan-
amerikanischen Meisterschaften geholt.
Beim 3:0 am vorigen Sonntag in der Pokal-
Vorrunde gegen Schwabhausen, quasi
dem ersten Teil des Derbys, setzte sie sich
klar gegen Winter durch: 11:9, 11:6, 11:6.

Die dritte Neue steht hinter der routi-
nierten Svetlana Ganina als Ersatz bereit,
nämlich die 17 Jahre alte deutsche Jugend-
nationalspielerin Anastasia Bondareva. De-
ren Einsätze müssten, weil ja jedes Spiel
zählt, geschickt dosiert werden, sagt Fuchs


  • gut möglich, dass Kolbermoor ange-
    sichts seiner klaren Favoritenrolle an die-
    sem Samstag gleich mal auf das Talent aus
    Hessen setzt. Damit käme es womöglich
    zum direkten Duell zweier guter Freundin-
    nen, nämlich Tiefenbrunner und Bondar-
    eva. Auch das Duell Winter – Zhang hat ei-
    ne witzige Komponente, weil Letztgenann-
    te in Düsseldorf die Wohnung von Sabine
    Winter übernommen hat. Winter ist vor-
    erst zurück in die Heimat gezogen, wäh-
    rend nahezu die gesamte Kolbermoorer
    Mannschaft in Düsseldorf lebt, wo das Bun-
    desleistungszentrum seinen Sitz hat.


In Schwabhausens Kader hat sich an-
sonsten wenig verändert. Hinter Winter ist
Chrystal Wang gelistet, ein Zufallsfund.
Einsätze der 27-Jährigen aus den USA sind
laut Yahmed aber eher unwahrscheinlich.
Tiefenbrunner dagegen soll konsequent in
die erste Liga geführt werden, wobei Yah-
med nicht nur bei ihr auf eine Entwicklung
setzt: „Ich hoffe, dass wir zur Rückrunde
mit einigen Mannschaften auf Augenhöhe
sind.“ Kolbermoor gehöre sicher nicht da-
zu, dieser Verein sei dem Rest der Liga ge-
meinsam mit Berlin weit voraus.
Die Euphorie in Schwabhausen ist trotz-
dem groß, seit der Verein sich nach Jahren
des freiwilligen Verzichts zur Rückkehr in
die erste Liga entschieden hat. Allein Sabi-
ne Winter werde wieder Zuschauer anzie-
hen, hofft Yahmed, „sie ist ein Publikums-
magnet, eine ganz tolle Persönlichkeit und
immer noch erweiterte Weltspitze“. Doch
dabei wollen sie es nicht belassen. Ein gro-
ßes Grillfest haben sie geplant für ihre
Rückkehr in die erste Liga, ein Fernseh-
team hat sich angekündigt, umliegende
Klubs haben sie angeschrieben, auf Face-
book und Instagram geworben. In den ver-
gangenen Jahren war nicht viel los in der
Halle der kleinen Gemeinde nahe Dachau,
das soll sich unbedingt ändern. Es ist Zeit
für einen Aufbruch. andreas liebmann

Straubing konnte Topscorer
Williams undseinen besten
Vorlagengeber Connolly halten

Caiuby streitet die Vorwürfe ab,


der Anwalt plädiert auf Freispruch


Caiuby belastet


WegenKörperverletzung droht
dem Brasilianer eine Freiheitsstrafe

Straubings Kern-Formel


Mit einem kaum veränderten Kader ist der DEL-Klub so gut in die Eishockey-Saison gestartet, dass Beobachter bereits
von der direkten Playoff-Teilnahme träumen. Einen großen Anteil daran hat Travis Turnbull, einer der wenigen Zugänge der Tigers

Nachmieterin: Lily Zhang hat die Nachfolge von Sabine Winter angetreten – nicht nur
in der Rangliste des SV-DJK Kolbermoor. FOTO: JOAQUIM FERREIRA / IMAGO

Winter-Aufbruch


Mit runderneuertem Kader streben Kolbermoors Tischtennis-Frauen einen Titel an. Erstliga-Rückkehrer Schwabhausen hat vor dem Derby zum Saisonauftakt ganz andere Ziele


„Ich hoffe, dass wir zur Rückrunde
mit einigen auf Augenhöhe sind.“

81 Punkte: Die vergangene
Hauptrunde war die stärkste in
der Historie der Tigers

30 HBG (^) SPORT IN BAYERN Freitag,20. September 2019, Nr. 218 DEFGH
High Five mit Handschuhen: Zugang Travis Turnbull hat in der noch jungen Saison inklusive Vorbereitung schon fünf
Trefferfür die Straubing Tigers erzielt und daher allen Grund, grinsend über die Eisfläche zu laufen. FOTO: EIBNER/IMAGO
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