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Als Attilio das Flugzeug verließ, stieg ihm die Luft des Hochlands in die
Nase. Trockener Staub, Eukalyptusrauch: Der Geruch von Addis Abeba
löschte mit einem Schlag fünfundvierzig Jahre seines Lebens aus. Er stand
auf der Gangway und sog in tiefen Zügen seine Jugend in sich ein. Hinter
ihm beschwerten sich schon die vom Nachtflug übermüdeten Passagiere.
Doch er stand reglos staunend da, kümmerte sich nicht um die beißend kalte
Luft auf seiner Haut. Zwischen dem Jetzt und seiner letzten abessinischen
Morgendämmerung lag nur ein kurzes Vergessen, kein halbes Jahrhundert.
Die Sonne ging so schnell am Horizont auf, dass er glaubte, ihr Vibrieren zu
hören. Im Westen versank derselbe riesige, milchige Mond wie mit zwanzig.
Jetzt war er siebzig, man schrieb das Jahr 1985, und doch war es dasselbe.
Alles war präsent.
Ausnahmsweise war die italienische Delegation recht schmal. Die
Repräsentanten der internationalen Kooperation – Unternehmer,
Regierungsvertreter, Allrounder wie Attilio – waren dieses Mal überschaubar
und ohne den sonst üblichen Hofstaat an weiblicher Begleitung. Ehefrauen,
Verlobte und junge üppige Assistentinnen hatten kein Interesse an einem
Land ohne Meerzugang, in dem die Hungersnot wütete. Nach getaner Arbeit
würden sie ihre Männer an Kenias Stränden treffen, weit weg von diesem
Land des Elends. Auch Attilio reiste wie die anderen allein, doch hatte er
Anita und Marella noch nie auf Geschäftsreisen mitgenommen. Diese Zeit
war für ihn die einzige Atempause in seinem anstrengenden Bigamistenleben.
Nur auf Dienstreise musste er sich nicht zwischen den Bedürfnissen seiner
Parallelfamilien, Parallelfrauen und Parallelwohnungen zerreißen. Selbst die
beschwerlichste Reise in die Katastrophengebiete der subtropischen Länder
wurde so zu einer Quelle der mentalen Erholung im Gegensatz zu seinem
Leben in Rom.
Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt blickte Attilio unverwandt
durch das Autofenster nach draußen. Da, wieder eine Prozession von
ausgemergelten Wanderern, alte Männer mit geraden Rücken, von Müdigkeit
gezeichnete Kinder. Die Hungersnot hatte nun aus dem beständigen