Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

beispielhaft. Möchtet Ihr bei uns mitmachen?«
Attilio traute seinen Ohren nicht. Er, Mitarbeiter einer Monatsschrift,
gegründet von dem Quadrivium-Chefredakteur höchstpersönlich? Wäre
Cipriani ein anderer Charakter gewesen, er hätte ihn umarmt.
Erst bei seiner Rückkehr nach Addis Abeba erfuhr Attilio die ganze
Wahrheit über das auf den Anschlag erfolgte Massaker. Nur von Afeworks
Tod erfuhr er nichts. Zu keiner Zeit kam irgendjemand auf die Idee, ihn über
das Schicksal eines Postträgers in Kenntnis zu setzen.
Auch Carbone nicht, den Attilio besuchen ging. Er wohnte in einem
niedrigen Haus aus hübschen Ziegeln und Wellblechdach, direkt an einer
unbefestigten Straße. Sie fiel steil ab und bei jedem Regen bildeten sich tiefe
Rinnsale.
»Ich repariere Fahrzeuge, die nur noch bergab fahren«, sagte sein
Mechanikerfreund, als er eintrat, »und wenn ich sie zurückgebe, fahren sie
mit voller Kraft aus dem Stand bergauf. Diese Straße ist die beste Werbung
für meine Werkstatt.«
Er bat ihn, auf dem großen Sofa aus dunklem Holz mit Löwenköpfen an
den Füßen Platz zu nehmen. Es war zu groß und luxuriös für das bescheidene
Haus.
»Sie haben es bei einem Neffen des Negus geplündert«, erklärte Carbone,
»aber da es offensichtlich zu schwer war, ließen sie es in einem Graben
liegen. Da bin ich mit dem Lieferwagen hin und habe es geholt.« Er wies mit
dem Kinn auf die junge Frau, die still zu ihren Füßen saß und den Kaffee
vorbereitete. »Maazas drei Brüder haben mir geholfen.«
Das Mädchen war fünfzehn, höchstens sechzehn Jahre alt. Mit ihrem
zierlichen Körper hockte sie reglos neben dem Tablett mit den Tässchen, dem
Sieb und dem Herd wie eine kleine Pyramide. Ihre Hände hingegen bewegten
sich flink und geschickt, rösteten und mahlten mit kräftigen Bewegungen die
Kaffeebohnen. Auch in ihren Augen spiegelte sich der Kontrast zwischen
Ruhe und Aktion. Das linke ruhte starr und gläsern unter dem hängenden Lid,
das rechte hüpfte ununterbrochen zwischen Kaffee und den zwei Männern
auf dem Sofa hin und her. Seit Attilio da war, hatte sie kein Wort gesagt, und
doch war klar, dass sie sich nicht eine Silbe des Gesprächs entgehen ließ.
»Ich habe sie in der Werkstatt versteckt gehalten«, fuhr der Mechaniker
fort, »in einem Lastwagen. Vier Tage haben sie dort drinnen gehockt, ohne
einmal herauszukommen. Ich habe ihnen einen alten Topf für ihre Notdurft

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