auch gerecht. Ja, sogar notwendig. Denkmäler für die Gefallenen, für den
Unbekannten Soldaten, die Gründung des Nationalen Werks der
Frontkämpfer, die Gesellschaft der Kriegsversehrten: Das Opfer der
Soldaten – ob lebendig, tot oder invalide – musste um jeden Preis in ein
Symbol des Guten verwandelt werden.
Graf und Gräfin Baracca leisteten ihren Beitrag durch unzählige
Schenkungen, stets »zum Gedächtnis und im Namen unseres tief vermissten
und heroischen Sohnes«: Paolina wies hellsichtig auf die Empfänger, Enrico
öffnete elegant die Taschen. Zehntausend Lire spendeten die Grafen Baracca
dem Zivilkrankenhaus von Lugo; zweitausendfünfhundert Lire der Zivilen
Fürsorge; zweitausend Lire dem Kinderheim und tausendfünfhundert dem
Wohlfahrtskomitee der Frauen für die Kinder der Einberufenen; tausend Lire
bekamen sowohl das Heim für Waisenmädchen als auch die Ferienkolonie
für Kinder armer Frontkämpfer. Ganz zu schweigen von dem ständigen
Geldsegen für das Haus des Soldaten, für die Mägde von Herz-Jesu, für die
Gesellschaft der Kriegsversehrten. Paolina hatte mit einer Beredtheit, die
genauso massiv war wie die Orden an ihrer Brust, das sinnlose Gewicht des
Todes auf sich genommen, mit dem der Erste Weltkrieg das Land beschwert
hatte. Und hatte es sich zugleich mit dieser Bürde zur Aufgabe gemacht, der
nationalen Trauer eine Ordnung, ein Ziel und sogar einen Sinn zu geben.
Wer in Lugo wohnte, kam an den Aktivitäten der Gräfin nicht vorbei.
Jede gute Tat wurde von einer Feierlichkeit begleitet, zu der die gesamte
Ortschaft eingeladen war. Ernani, der mittlerweile zum Bahnhofsvorsteher
befördert worden war, konnte sich der Teilnahme nicht entziehen. Viola
begleitete ihn im Sonntagskleid. Seit es nach dem Krieg gekürzt worden war,
zeigte es nun ihre schmalen Fesseln. Seit der Geburt Attilios so kurz nach
Otello hatte sie zwischen sich und ihren Mann einen unsichtbaren Vorhang
gezogen. Gegenüber der Außenwelt hielt sie den Anschein einer heilen
Familie aufrecht, doch in der ehelichen Schlafstätte war der Vorhang
undurchdringlicher als eine Mauer, und Viola durchschritt ihn äußerst selten
und immer nur aus Mitleid. Wenn sie neben Ernani ging, war der Arm, der
sich scheinbar an ihm festhielt, mit einer Schicht der Verweigerung
ummantelt – unsichtbar, doch so dick und grob wie Sackleinen.
Eines Tages im Herbst fuhr die Geschichte durch den Bahnhof von Lugo,
so schrieben es zumindest die Lokalzeitungen. Eine mit Blumenkränzen
geschmückte Lokomotive, das schwarze Gusseisen auf Hochglanz poliert wie
jeff_l
(Jeff_L)
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