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Zu Beginn der neunziger Jahre hatte Attilio die fünfundsiebzig überschritten,
sah aber zwanzig Jahre jünger aus. Seine schwarzen Haare waren nur an den
Schläfen weißmeliert, seine Schritte waren wie eh und je lässig und
bestimmt, die Iris war klar umrissen wie bei einem Kind. Genetisch war er
auf der Gewinnerseite, das hatte man ihm schon als jungem Mann angesehen
an den langen Gliedmaßen und feinen Gesichtszügen seiner Mutter Viola. Im
Laufe der Jahre hatte sich sein DNA-Code als dermaßen exzellent erwiesen,
dass er ihm weiterhin gut geölte Gelenke, durchlässige Blutgefäße, gute
Lungenkapazität und äußerst aktive Haarwurzeln in der Kopfhaut garantierte.
Attilio Profetis Glück war nicht nur völlig willkürlich, sondern auch komplett
unverdient, da er keine Sekunde seines Lebens auf Fitness verwandt hatte –
sein Körper hielt sich bestens von selbst fit. Folglich hatte er sich noch nicht
vom Mittel zur Bedürfnisbefriedigung in deren ursächliches Hindernis
verwandelt wie bei vielen seiner Altersgenossen, und das trotz über sieben
Jahrzehnten großzügigen Einsatzes. Auch war er nicht zu der weitsichtigen
Einteilung von Energiereserven gezwungen, um abends nicht völlig erledigt
zu sein. Attilio schlief immer noch gut, hatte regelmäßig Verdauung und
sogar mindestens einmal im Monat Sex mit seiner zweiten Ehefrau, bei deren
Geburt er schon über zwanzig gewesen war und Vater eines
halbafrikanischen Sohnes. Unbekannt waren ihm daher auch die nicht enden
wollenden Untersuchungen der körperlichen Gebrechen und die
Medikamente, mit denen man ihre Symptome bekämpfte, die das
Gesprächsmonopol der anderen Männer auf der Schwelle zum Alter bildeten.
Aus diesen Themen hielt er sich raus, mehr aus Desinteresse denn aus
Abneigung – sie betrafen ihn nicht. Wenn er Männer sah, die jünger waren
als er und nach wenigen Treppenstufen schon keuchten oder sich den
Schweiß aus der unumkehrbaren Fettfalte im Nacken wischten, fühlte er sich
nicht besser oder gesegneter, sondern einfach nur anders.
Wenige Jahre zuvor hatte Attilio vier kleine Apartments in einem
heruntergekommenen Mehrfamilienhaus zwischen Piazza Vittorio und
Bahnhof Termini erworben, für jedes seiner Kinder eins, auch für den