schmetterling

(Martin Jones) #1

genug für sich selbst, doch ließe man das Leuchten nur hervorströmen, sich
ausbreiten, mit dem anderer verschmelzen – nichts Religiöses, die schlichte
Anerkenntnis der eigenen Person –, sie versucht den Gedanken
fortzuentwickeln, doch er bleibt ein Fragment, ein funkelnder Splitter. Im
Seitenspiegel entrückt die Autowerkstatt, mit ihr entrückt die Option auf
einen Kaffee an Megs Tresen. Der Zauber verfliegt, die Kapelle verwandelt
sich zurück in das Methodistenbollwerk, als das sie erbaut wurde, im
Straßengraben verdampfen die Pfützen. Als sie den Wagen vor das
Verwaltungsgebäude lenkt, sieht sie den Sheriff in Richtung Brücke
schlurfen. Sie nimmt die Ray Ban ab, lässt das Beifahrerfenster herunter und
ruft: »Hey Carl! Guten Morgen.«
Der Alte hebt die Rechte, etwas zwischen Gruß und Abwinken. Ruth steigt
aus und gesellt sich zu ihm.
»Luther ist wieder da«, sagt Carl. »Ich verzieh mich nach Hause.«
»Alles klar so weit?«
»Rekordverdächtig.« Er bleibt stehen. »Na ja, der Doc ist anderer
Meinung. Ich soll mich schonen, also schone ich mich.«
»Besser. Ein, zwei Tage.«
Carl reckt das Kinn, als überblicke er eine Streitmacht. Sein Schnurrbart
biegt sich an den Mundwinkeln nach oben. »Sag mal, Ruth – wir hatten doch
gute Jahre, oder?«
»Klar.« Du warst ein Sheriff, wie man ihn nicht besser hätte erfinden
können, und ebenso wirst du abtreten – als Held einer auserzählten
Geschichte. »Wir haben immer noch gute Jahre.«
Er nickt. »Luther war sehr rücksichtsvoll.«
»So kenne ich ihn.«
»Tat, als hätte ich nicht vergessen, ihm was Wichtiges zu erzählen. Ließ
mich glauben, ich hätt’s doch getan, und ich –« Er kichert heiser. »Ich ließ
ihn glauben, er hätt’s mich glauben lassen.« Der Schnurrbart sackt wieder
herab. »Ach, was soll’s. Weiß nicht, ob ihm der Urlaub so gutgetan hat.«

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